OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.08.2000 - 11 A 4089/00.A - asyl.net: R8510
https://www.asyl.net/rsdb/R8510
Leitsatz:

Für guineische Staatsangehörige besteht bei einer Rückkehr in ihr Heimatland nicht die reale Gefahr einer politischen Verfolgung oder einer Lage, in der ein Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen bestünde.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Guinea, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Darlegungserfordernis, Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, Situation bei Rückkehr, Einreise, Verhör, Haft, Erpressung, Verfolgung durch Dritte, Mittelbare Verfolgung, Amtswalterexzesse
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 78 Abs. 4 S. 4
Auszüge:

Die weitere Frage, "ob die Auskünfte des Auswärtigen Amtes betr. das Schicksal der im letzten und in diesem Jahr nach deutschen Asylverfahren nach Conakry Abgeschobenen stimmen", bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Diese Frage lässt sich vielmehr anhand der dem Senat vorliegenden Erkenntnisse ohne weiteres im Sinne des angefochtenen Urteils negativ beantworten.

Für guineische Staatsangehörige besteht bei einer Rückkehr in ihr Heimatland nicht die reale Gefahr einer politischen Verfolgung oder einer Lage, in der ein Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen bestünde. Gewisse Gefahrenmomente können zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden, es sprechen aber keine durchgreifenden Anhaltspunkte für die Annahme, jeder in sein Heimatland zurückkehrende Guineer müsse wegen eines in Deutschland gestellten Asylantrages oder wegen einer Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrechtlich relevante oder abschiebungshindernde Maßnahmen gewärtigen.

Zwar vertreten insbesondere das "Länder-Referat Guinea-Conakry" als Untergliederung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGPM) unter Federführung von Frau Ursula Reimer und der eng mit letzterer zusammenarbeitende, nach außen durch Herr Frank Gockel auftretende Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V." die Auffassung, für diesen Personenkreis bestehe die Gefahr einer politischen Verfolgung.

Demgegenüber verneinen übereinstimmend sowohl das Auswärtige Amt als auch das Institut für Afrika-Kunde die Relevanz einer Asylantragstellung allein als Grund für eine Rückkehrgefährdung. Nach Auffassung des Auswärtigen Amtes wird ein Asylantrag sowohl von den guineischen Sicherheitskräften als auch von der Bevölkerung als legitimes Mittel zur Aufenthaltssicherung in Europa angesehen.

Ferner hat sich das Auswärtige Amt in genauer Kenntnis und in Auseinandersetzung mit den weiter oben zitierten, anders lautenden Berichten, insbesondere der IGPM, und den darin aufgestellten Behauptungen wiederholt in inhaltlich übereinstimmenden Stellungnahmen guineischer Asylbewerber geäußert. Es hat dargelegt, derartige Geschehnisse könnten nicht bestätigt werden. Insbesondere bei der Sammelrückführung am 30. Juni 1999 habe ein anwesender Vertreter der deutschen Botschaft in Conakry keine Verhaftungen beobachten können. Der zu Rate gezogenen guineischen Menschenrechtsorganisation OGDH lägen nach eigenen Angaben keine gesicherten Erkenntnisse zu Verhaftungen vor. Die IGPM weise selbst in einem internen Bericht vom 1. März 1999 an das Auswärtige Amt zwar auf Missstände in der Menschenrechtslage in Guinea hin, demgegenüber enthalte dieser Bericht zu behaupteten Verhaftungen aus Deutschland zurückgeführter guineischer Staatsangehöriger keine Aussage.

Lediglich ergänzend sei in diesem Zusammenhang, ohne dass es entscheidend darauf ankäme, noch das Folgende angemerkt: Sollten, wie die OGDH schildert, in ihr Heimatland zurückkehrende guineische Staatsangehörige tatsächlich zur Zahlung von Geldsummen gezwungen werden ( vgl. auch Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 16. April 1999 an das VG Arnsberg, S. 1, und vom 2. September 1999 an das VG Arnsberg - gleich lautend zu 1 K 3784/96.A und 1 K 907/97.A) - jeweils S. 2 -) so läge in diesen Erpressungen ein dem guineischen Staat nicht zuzurechnendes persönliches Verhalten der Sicherheitskräfte. Diese Vorgehensweisen wären deshalb bei wertender Betrachtung als asyl- und abschiebungsschutzrechtlich nicht relevante Amtswalterexzesse zu qualifizieren. Denn es ist dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren betreffend (mittel-) afrikanische Herkunftsstaaten bekannt, dass die häufig schlecht besoldeten Sicherheitsbediensteten an Flughäfen dort die Gelegenheit nutzen, aus dem Ausland zurückkehrende Landsleute widerrechtlich zur Herausgabe mitgebrachter Werte zu nötigen, um so ihre Bezüge "aufzubessern". Dies dürfte wegen des hohen Grades an Korruption in Guinea

( Auswärtiges Amt, Auskunft vom 5. April 2000 an das VG Ansbach, S. 2 ) auch in diesem Land der Fall sein. Bei den in Guinea gegebenen politischen Verhältnissen wird daher nie klar ermittelt werden können, ob ein Übergriff des Bediensteten einer Sicherheitsbehörde "auf eigene Rechnung" oder auf Anordnung der Dienstvorgesetzten erfolgt.