OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.08.2000 - 11 A 2370/00.A - asyl.net: R8511
https://www.asyl.net/rsdb/R8511
Leitsatz:

1. Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

2. Für guineanischen Staatsangehörigen besteht bei einer Rückkehr in ihr Heimatland nach Durchführungeines erfolglosen Asylverfahrens in der Bundesrepublik nicht die Gefahr politischer Verfolgung bzw. eine konkrete individuelle Gefahr für Leib und Leben.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Guinea, Berufungszulassungsantrag, Rechtliches Gehör, Darlegungserfordernis, Glaubwürdigkeit, Beweiswürdigung, Beweisantrag, Ablehnung, Grundsätzliche Bedeutung, Antragstellung als Asylgrund, Exilpolitische Betätigung, ARGA, RPG
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3; VwGO § 138 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Auszüge:

Die zunächst erhobenen Gehörsrügen (§§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) greifen nicht durch, weil sie nicht entsprechend den entsprechend den Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt werden.

Das Verwaltungsgericht hat ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils (amtlicher Umdruck S. 2 unten, S. 3 oben) den Vortrag des Klägers zu seinen Verletzungsfolgen sehr wohl zur Kenntnis genommen. Es hat diesem Vortrag mit Blick auf die Würdigung, das Vorbringen des Klägers zu seiner behaupteten Vorverfolgung sei insgesamt unglaubhaft, also auch hinsichtlich seiner angeblichen Inhaftierung und - inzident - bezüglich dort erlittener Verletzungen, indes keine weitere Bedeutung beigemessen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt hierin nicht. Der Zulassungsantrag lässt substantiierte Angriffe gegen die Beweiswürdigung erster Instanz insoweit vermissen, zudem belegt die vorgelegte ärztliche Bescheinigung hinsichtlich vorhandener Narben nur, diese seien "vermutlich als Folge von Folter enstanden".

Ebensowenig greift der Vorwurf durch, das Verwaltungsgericht habe den in der mündlichen Verhandlung erster Instanz gestellten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt. Es hätte dem im Termin anwesenden und anwaltlich vertretenen Kläger nach Unterbrechung der mündlichen Verhandlung offen gestanden, an deren Fortsetzung teilzunehmen, nach Ablehnung des Beweisantrages prozessual zu reagieren und sich so das nunmehr als verletzt bezeichnete Gehör zu verschaffen. Auch die des Weiteren aufgeworfene Frage, "ob für ein aktives Mitglied der guineischen Exilpartei RPG bei einer Rückkehr nach Guinea die Gefahr politischer Verfolgung besteht ", bedarf nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren. Die gegebene Erkenntnislage lässt nicht den Schluss zu, jeder in der Bundesrepublik Deutschland exilpolitisch tätige Guineer, der Mitglied einer Oppositionspartei - etwa der RPG - ist oder ihr nahe steht, würde bei einer Rückkehr nach Guinea angesichts der dort herrschenden Verhältnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgt.

Was die Mitgliedschaft in einer oppositionellen Partei, exilpolitische Aktivitäten guineischer Staatsangehöriger in Deutschland und insbesondere deren Mitgliedschaft in der "Association des ressortissants guineens`en Allemagne " (ARGA) anbelangt, ist eine differenzierende Betrachtung erforderlich. Wegen der bloßen Mitgliedschaft in der RPG, der - wie dargelegt - größten guineischen Oppositionspartei, hat das Auswärtige Amt im Falle einer Rückkehr politische Verfolgungsmaßnahmen als unwahrscheinlich bzw. als mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen angesehen (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 19. September 1997 an das VG Arnsberg, vom 08. Dezember 1997 an das VG Arnsberg, S. 1 f., und vom 06. April 1998 an das VG Arnsberg).

Nur im Falle einer öffentlichen Kritik an der guineischen Regierung, welche die Ebene der sachlichen Kritik verlasse und beispielsweise hochrangige Politiker verhöhne oder zum Staatsstreich aufrufe, könne die Gefahr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 19. September 1997 an das VG Arnsberg).

Die ARGA ihrerseits ist eine parteiübergreifende Vereinigung. Sie wurde am 29. März 1995 gegründet und unter dem 25. Oktober 1995 als " Verein der guineischen Staatsbürger in Deutschland e. V." im Vereinsregister eingetragen (Registerauszug vom 22. Juli 1997 des Amtsgerichts Bochum, Handelsregister, Abteilung 14 VR 2899, übersandt an das VG Gelsenkirchen zum Verfahren 10a K 292/95 . A = 11 A 4125/99 . A OVG NRW).

Zu der Frage einer möglichen Rückkehrgefährdung von ARGA-Mitgliedern hat das Auswärtige Amt seit 1997 eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise eingenommen. Es wurde zunächst die Auffassung vertreten, eine Gefährdung von aktiven Mitgliedern der ARGA könne auch ohne vorherige politische Aktivitäten in Guinea grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, soweit guineischen Behörden, z. B. durch namentliche Protestschreiben und Fotos von Demonstrationen vor der guineischen Botschaft in Bonn, ihre Identität bekannt sei. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass die bloße Mitgliedschaft in der ARGA den Heimatbehörden bekannt werde. Guineer, die namentlich öffentliche Kritik an der guineischen Regierungspolitik geübt hätten, noch dazu vom Ausland aus, müssten damit rechnen, dass ihre Heimatbehörden darüber informiert seien (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 18. April 1997 an das VG Düsseldorf, S. 1 f. , und vom 02. Oktober 1997 an das VG Arnsberg, S. 2; vgl. auch Auskunft vom 08. August 1997 an das VG Hamburg).

In der Folgezeit hat das Auswärtige Amt die bloße (Gründungs-) Mitgliedschaft in der ARGA allein nicht als Gefährdungsgrund angesehen. Entscheidend sei vielmehr, ob die Person zuvor in Guinea politisch aktiv gewesen sei, was auf die meisten der dem Amt zum Teil namentlich bekannten Gründungsmitglieder zutreffe ( Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 20. Oktober 1997 an das VG Gelsenkirchen und vom 27. April 1998 an das VG Arnsberg, S. 2), wobei als "Gründungsmitglieder" nur diejenigen Personen zu verstehen seien, die in dem Protokoll der Gründungsversammlung des Vereins als erster Vorstand des Vereins aufgeführt seien. Eine politische Betätigung in Guinea der namentlich benannten Vorstandsmitglieder wurde ebenso bejaht wie die sichere Verfolgung von vier zu diesem Kreis gehörenden - ebenso namentlich benannten - Personen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 07. April 1998 an das VG Gelsenkirchen).

Als mögliche Anknüpfungspunkte für eine über die alleinige ARGA-Mitgliedschaft hinausgehende mögliche Gefährdung wurden ferner das Schaffen von Nachfluchtgründen durch eine öffentliche scharfe Kritik an der guineischen Regierung in Verbindung mit einer auf die Rückkehr in das Heimatland folgenden Denunzierung bei den Sicherheitskräften genannt (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 06. April 1998 an das VG Arnsberg).

Nur wegen Beteiligung an Demonstrationen der ARGA wurde die Gefahr einer Verfolgung als unwahrscheinlich bewertet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 08. April 1998 an das VG Arnsberg).

Soweit in einer Auskunft aus dem Jahr 1999 zum Fall eines guineischen Asylbewerbers erklärt wurde, bei Richtigkeit von dessen Angaben könne Garantie für ein faires, rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Verfahren nicht uneingeschränkt gegeben werden, und seien bei dem von ihm entfaltenen Aktivitäten bei Bekanntwerden gegenüber den guineischen Behörden Misshandlungen, u. U. ein "Verschwindenlassen", nicht auszuschließen, betraf dies einen Ausländer, der - eigenem Vortrag zufolge - nicht nur als RPG-Mitglied bereits in Guinea politisch aktiv war, sondern dort zudem wegen Polizistenmordes gesucht wurde und schließlich bei mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland Mitglied der (Exil-)RPG und der ARGA war (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Juni 1999 an das VG Arnsberg; vgl. wegen einer möglichen Gefährdung aufgrund von Straftaten auch Auskünfte vom 08. Dezember 1997 an das VG Arnsberg, S. 2 und vom 19. März 1998 an das VG Karlsruhe).