OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.06.2000 - 1 A 5488/97.A - asyl.net: R8549
https://www.asyl.net/rsdb/R8549
Leitsatz:

Die schwierige humanitäre Lage in Angola setzt im Rahmen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG eine Einzelfallprüfung voraus, bei der insbesondere das Alter, die allgemeine Konstitution, der Gesundheitszustand, verwandschaftliche und persönliche Beziehungen, Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten und vorhandene besondere Qualifikationen zu berücksichtigen sind.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Angola, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Krankheit, Medizinische Versorgung, Versorgungslage, Existenzminimum, Extreme Gefahrenlage
Normen: AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

Die auf die Verpflichtung zur Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine derartige Verpflichtung der Beklagten.

Zur Begründung seines Begehrens verweist der Kläger auf eine Verschlimmerung der bei ihm bestehenden Erkrankung infolge von unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten in Angola und auf die allgemeine humanitäre Situation in Angola. Beide Umstände vermögen weder für sich allein noch in einer Gesamtbetrachtung ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG für den Kläger zu begründen.

Angesichts der nach wie vor als äußerst schwierig zu bewertenden humanitären Lage kann die Frage, ob ein Ausländer bei seiner Rückkehr nach Angola aufgrund der dortigen allgemeinen Situation einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG ausgesetzt sein wird, nicht generell bejaht werden. Vielmehr bedarf es einer vertieften Prüfung der jeweiligen besonderen Umstände des Einzelfalles, bei der insbesondere das jeweilige Alter des Ausländers, dessen allgemeine Konstitution und dessen Gesundheitszustand, die verwandtschaftlichen und persönlichen Beziehungen zu in Angola bereits lebenden Personen, die Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten sowie das Vorhandensein besonderer Qualifikationen zu berücksichtigen sind.

Ausgehend davon ist für den Kläger eine erhebliche konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben i.S.v. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG (und damit erst recht eine extreme Gefahrenlage) zu verneinen.

Soweit der Kläger sich für sein Begehren auf die Verschlimmerung einer bei ihm bestehenden Erkrankung infolge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten in Angola beruft, ist ihm zunächst zuzugestehen, dass ein derartiger Umstand vom Grundsatz her die Voraussetzungen einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben iSd § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG erfüllen kann. Da die Verschlimmerung der Erkrankung als Folge der Behandlung des Leidens in Angola und damit im Zielland der Abschiebung eintreten soll, handelt es sich um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis. Erheblich wäre die Gefahr aber nur, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Geriete der Kläger alsbald nach der Rückkehr nach Angola in diese Lage, weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seines Leidens angewiesen wäre und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte, so wäre die Gefahr auch konkret.

Darauf, ob die Gefahr der Verschlechterung der Gesundheit durch die individuelle Konstitution des Ausländers bedingt oder mitbedingt ist, kommt es nicht an.

Bei dem Kläger ist jedoch keine Erkrankung festzustellen, die sich infolge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten bei einer Rückkehr nach Angola derart verschlimmern würde, dass von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben ausgegangen werden könnte.

Ausweislich des amtsärztlichen Berichts vom 20. Januar 1999 besteht bei dem Kläger bis auf (...) Grades kein krankhafter Befund im Darmbereich, so dass als einzig mögliche Quelle der vom Kläger vorgetragenen Blutungen die (...) in Betracht kommen. Der Hinweis des Klägers, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Blutungen auch eine andere Ursache hätten, ist durch nichts belegt. Er selbst beläßt es bei dieser pauschalen Behauptung, der näher nachzugehen angesichts der zahlreichen, auch in dem amtsärztlichen Bericht berücksichtigten Untersuchungen des Klägers im Darmbereich keine Veranlassung besteht.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen scheitert das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses aus § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG an der fehlenden Erheblichkeit der Gefahr. Es ist - auch in Anbetracht der Verhältnisse im Bereich des Gesundheitswesens - schon nach der Erkrankung nicht erkennbar, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers bei einer Rückkehr nach Angola wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern könnte.

Auch im Hinblick auf die generelle humanitäre Situation in Angola kann dem Kläger kein Abschiebungsschutz gewährt werden. In seiner Person ist auch insoweit eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben zu verneinen.

Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Kläger - die Richtigkeit seines Vorbringens unterstellt - in Luanda als zur Zeit einzig möglicher Anlaufstation alleinstehend sein wird, ihm also die persönlichen Beziehungen und Unterstützungen fehlen werden, die generell eine Existenzsicherung dort erleichtern könnten. Zudem wird die Wiedereingliederung des Klägers in die dortigen Lebensverhältnisse daruch erschwert, dass er seit seinem letzten Aufenthalt in Angola fast acht Jahre in der Bundesrepublik Deutschland gelebt hat und sich deswegen den örtlichen Gegebenheiten entfremdet haben dürfte. Unter Anlegung des maßgeblichen Prognosemaßstabs ist aber dennoch davon auszugehen, dass er in der Lage sein wird, seinen eigenen Lebensunterhalt, wenn auch nur auf niedrigstem Niveau, sicherzustellen und so für sich die Gefahr von erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen abzuwenden. Bei dem Kläger handelt es sich um einen(...)-jährigen Mann, der unter keinen so gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen leidet, dass er nicht in der Lage wäre, seine Arbeitskraft zur Sicherung seiner Existenzgrundlage einzusetzen. Gerade im informellen Sektor, der eine große Rolle spielt, bestehen durchaus Möglichkeiten, sich durch Arbeit die für die Grundversorgung notwendigen Nahrungsmittel zu verschaffen.