ObLG Bayern

Merkliste
Zitieren als:
ObLG Bayern, Beschluss vom 28.11.2000 - 1Z BR 59/00 - asyl.net: R9665
https://www.asyl.net/rsdb/R9665
Leitsatz:

Eine Ehe, die in der Islamischen Republik Iran unter Hinzuziehung eines bevollmächtigten Stellvertreters formgültig geschlossen wurde und bei welcher beide Beteiligten einander heiraten wollten , ist gem. Art. 11 EGBGB auch nach deutschem Recht wirksam.

(Leitsatz der Reaktion)

Schlagwörter: D (A), Ausländer, Iraner, Konventionsflüchtlinge, Personenstandsrecht, Geburtsurkunde, Stellvertreterehe, Handschuhehe, Wirksamkeit der Eheschließung, Eheliches Kind
Normen: PStG § 45 Abs. 1; EGBGB Art. 6; EGBGB Art. 11 Abs. 1
Auszüge:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist zulässig (§ 49 Abs. 1 Satz 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2,-Abs. 4 i.V.m. § 20 FGG). Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Beschwerdegerichts und des Amtsgerichts sowie zur Anweisung an den Standesbeamten, der Beurkundung der Geburt des Kindes zugrunde zu legen, daß die Eheschließung der Beteiligten zu 1 und 2 auch nach deutschem Recht wirksam ist.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die im Hinblick auf die iranische Staatsangehörigkeit der Beteiligten zu 1 und 2 zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben und das deutsche Verfahrensrecht anzuwenden ist. Es geht um die Eintragung der Geburt im deutschen Geburtenbuch; die internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit (vgl. § 50 Abs. 1 PStG; BayObLGZ 1995, 238/240). Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist der Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 auf Beurkundung der Geburt des Kindes als gemeinsames eheliches Kind, das den Namen des Beteiligten zu 2 führt; strittig zwischen den Beteiligten ist aber nur die Frage der Wirksamkeit der Eheschließung der Beteiligten zu 1 und 2. Der Standesbeamte hat die beantragte Amtshandlung allein mit der Begründung abgelehnt, daß die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nach deutschem Recht nicht wirksam miteinander verheiratet waren. Bei dieser Sachlage kann sich der Senat auf die Entscheidung der streitigen Rechtsfrage der Wirksamkeit der Ehe beschränken; die Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Beurkundung obliegt dem Standesbeamten.

Die Vorinstanzen haben die Wirksamkeit der Ehe im wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Der Beteiligte zu 2 unterliege als anerkannter Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention nicht mehr seinem Heimatrecht, sondern deutschem Recht. Dieses sehe eine Eheschließung durch Bevollmächtigung einer dritten Person nicht vor. Eine nach deutschem Recht wirksame Eheschließung könne gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB nur dann gegeben sein, wenn die im Iran geschlossene Ehe hinsichtlich der Formerfordernisse iranischem Recht (Ortsrecht), entspreche. Das iranische Recht (Art. 1071 ff. des iranischen ZGB) lasse zwar die Stellvertretung beider Partner bei der Eheschließung zu, dem auch Weisungen hinsichtlich der Person des anderen Ehegatten erteilt werden könnten. Nach iranischem Recht könne der Bevollmächtigte aber von diesen Weisungen abweichen mit der Folge, daß die Eheschließung bis zur endgültigen Genehmigung durch den Vollmachtgeber schwebend unwirksam bleibe. Hierdurch werde dem Bevollmächtigten ein Recht zur Stellvertretung im Willen eingeräumt. Eine derart gestaltete gesetzliche Regelung der Stellvertretung könne nicht mehr nur als bloße Formvorschrift qualifiziert werden. Sie gehöre in den Bereich der inhaltlichen Voraussetzungen einer Ehe, auf welche Art. 11 Abs. 1 BGB nicht anzuwenden sei.

Der zutreffende rechtliche Ausgangspunkt der Vorinstanzen berücksichtigt bei der Anwendung des § 11 Abs. 1 EGBGB nicht hinreichend den konkreten Sachverhalt. Im vorliegenden Fall lag nämlich gerade keine Stellvertretung im Willen vor. Gemäß § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs.1 FGG, § 550 ZPO waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen in der Sache aufzuheben. Zutreffend gehen das Amtsgericht und ihm folgend das Beschwerdegericht davon aus, daß bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer im Ausland in Abwesenheit eines oder beider Partner durch eine bevollmächtigte dritte Person geschlossenen Ehe zwischen einer Stellvertretung in der Erklärung und einer Stellvertretung im Willen zu unterscheiden ist.

Die Vorinstanzen haben zutreffend deutsches Recht angewendet, da für den als Flüchtling anerkannten Beteiligten zu 2 an die Stelle seines Heimatrechts das Recht seines Wohnsitzes tritt (Art. 12 Abs. 1 Genfer Flüchtlingskonvention). Dieser Statutenwechsel fand vor der Eheschließung statt.

Wie die Vorinstanzen festgestellt haben, läßt das Recht der Islamischen Republik Iran eine Vertretung bei der Eheschließung zu, und zwar auch in der Weise, daß der Beauftragte über die Person des anderen Ehegatten entscheidet (Art. 1071 ff. iranisches Zivilgesetzbuch bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran). Der Beauftragte kann auch von Weisungen des Auftraggebers hinsichtlich der Person des anderen Ehegatten abweichen mit der Folge, daß die Gültigkeit der Eheschließung von der Genehmigung durch den Auftraggeber abhängt (Art. 1073 ZGB). Mit dieser Feststellung und der Schlußfolgerung, daß das iranische Recht eine Stellvertretung im Willen zuläßt, durften sich die Vorinstanzen indes hier nicht begnügen. Das iranische Recht läßt es jedenfalls auch zu, daß die Vollmacht konkrete Weisungen hinsichtlich der Person des anderen Ehegatten enthält und daß der Beauftragte von dieser Vollmacht tatsächlich nur in einer dem Willen des Vollmachtgebers entsprechenden Weise Gebrauch macht.

In solchen Fall ist es gerechtfertigt, die Erteilung und den Gebrauch der Vollmacht der Form des Rechtsgeschäfts zuzurechnen (KG OLGZ 1973, 435/439; zustimmend Staudinger/von Bar/Mankowski Rn 221). So liegt der Fall hier.

Art.6 EGBGB (ordre public) steht der Anerkennung der im Iran formrichtig geschlossenen Handschuhehe nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung könnte nur eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten, die Unwirksamkeit der Ehe nach deutschem Recht zur Folge haben. Eine solche Unvereinbarkeit liegt bei der bloßen Stellvertretung in der Erklärung nicht vor (vgl. BGHZ 29, 137/147).