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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 16.11.2000 - 9 C 5.00 - asyl.net: R9682
https://www.asyl.net/rsdb/R9682
Leitsatz:

Anspruch auf Asyl nach Art. 16a Abs. 1 GG und Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG aufgrund des Vorliegens von Nachfluchtgründen. Kein Ausschluss gem. § 51 Abs. 3 2. Alt. AuslG durch Verurteilung zu Jugendstrafe von drei Jahren.

(Leisatz der Redaktion)

Schlagwörter: Türkei, Kurden, PKK, Mitglieder, Haft, Folter, Straftäter, Jugendstrafe, Asylausschluss, Terrorismusvorbehalt, Nachfluchtgründe, Objektive Nachfluchtgründe, Sippenhaft
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 51 Abs. 3
Auszüge:

Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger Anspruch auf Asyl nach Art. 16 a Abs. 1 GG und auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG hat und der Ausschlusstatbestand des § 51 Abs. 3 2. Alternative AuslG nicht vorliegt.

Die mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen, bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) tragen die Annahme, dass der Kläger bei seiner Einreise in die Türkei mit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen der gegen seinen Bruder xxx gerichteten Art auf jeden Fall deshalb rechnen muss, weil sich die türkischen Behörden weitere Informationen über diesen Bruder und andere politisch tätige Familienmitglieder versprechen. Da er befürchten muss, insoweit allein wegen der verwandschaftlich bedingten Nähe zu Seperatisten politisch verfolgt zu werden, ist die Annahme eines objektiven Nachfluchttatbestandes im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; dies gilt auch für die von der Revision nicht angegriffenen Erwägungen zum Terrorismusvorbehalt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 23. 98 - BVerwGE 109, 12 und BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Oktober 2000 - 2 BvR 1280/99), den das Berufungsgeicht aus tatrichterlicher Sicht verneint hat.

Asyl nach Art. 16 a GG und Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG kann danach nur versagt werden, wenn - wie die Revision geltend macht - die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes des § 51 Abs. 3 2. Alternative AuslG in der Person des Klägers vorliegen. Nach dieser Vorschrift entfallen der Abschiebungsschutz für politisch Verfolgte nach § 51 Abs. 1 AuslG und das Asylrecht nach Art. 16 a Abs. 1 GG ( vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 31. 98 - BVerwGE 109, 1, 3 ff.), wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Damit stellt sich für das vorliegende Verfahren zunächst die Frage, ob die Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe von drei Jahren die tatbestandliche Voraussetzung einer Verurteilung zu einer "Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren" erfüllt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revision erfasst der Begriff der Freiheitsstrafe nur Verurteilungen nach Erwachsenenstrafrecht, nicht hingegen Verurteilungen nach dem Jugendgerichtsgesetz ("Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt", § 17 Abs. 1 JGG). Das hat der Senat in dem gleichzeitig ergehenden Urteil im Parallelverfahren BVerwG 9 C 4. 00 im Einzelnen ausgeführt; hierauf wird Bezug genommen. Die rechtskräftige Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe erfüllt mithin den Tatbestand des § 51 Abs. 3 2. Alternative AuslG nicht.