OVG Thüringen

Merkliste
Zitieren als:
OVG Thüringen, Beschluss vom 12.12.2000 - 2 KO 802/98 - asyl.net: R9812
https://www.asyl.net/rsdb/R9812
Leitsatz:

1. Die bloße Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland begründet für unverfolgt ausgereiste togoische Staatsangehörige für den Fall der Rückkehr nach Togo nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, politisch verfolgt zu werden.

2. Gleiches gilt grundsätzlich für exilpolitische Tätigkeiten; ausnahmsweise mag dies anders sein, wenn es sich um eine exponierte - also spektakuläre, herausgehobene und nachhaltige - politische Tätigkeit handelt. Die bloße Mitgliedschaft in togoischen Oppositionsparteien bzw. deren Exilorganisationen mit Sitz in Deutschland und die Ausübung eines rein organisationsinteren Amts (wie das eines Schriftführers oder Schatzmeisters) und/oder die Teilnahme an gegen das togoische Regime gerichteten Demonstrationen, Versammlungen und ähnlichen Veranstaltungen sind keine exponierte exilpolitische Tätigkeit in diesem Sinne.

Schlagwörter: Togo, CDPA, Mitglieder, Hausdurchsuchung, Glaubwürdigkeit, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, Exilpolitische Betätigung, URTT, Demonstrationen, Überwachung im Aufnahmeland
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53
Auszüge:

Die bloße Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland begründet für unverfolgt ausgereiste togoische Staatsangehörige für den Fall der Rückkehr nach Togo nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, politisch verfolgt zu werden.

Gleiches gilt grundsätzlich für exilpolitische Tätigkeiten; ausnahmsweise mag dies anders sein, wenn es sich um eine exponierte - also spektakuläre, herausgehobene und nachhaltige - politische Tätigkeit handelt. Die bloße Mitgliedschaft in togoischen Oppositionsparteien bzw. deren Exilorganisationen mit Sitz in Deutschland und die Ausübung eines rein organisationsinteren Amts (wie das eines Schriftführers oder Schatzmeisters) und/oder die Teilnahme an gegen das togoische Regime gerichteten Demonstrationen, Versammlungen und ähnlichen Veranstaltungen sind keine exponierte exilpolitische Tätigkeit in diesem Sinne.

Es spricht vieles dafür, dass sogar in Togo aktive Oppositionelle, etwa solche, die bestimmte Parteifunktionen innehaben, im Allgemeinen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung ausgesetzt sind (vgl. BayVGH, Urteil vom 30. März 1999 - 25 BA 95.34283-, S. 15 des Urteilsumdrucks, m.w.N.). Dafür, dass aber eine bloße Parteimitgliedschaft und/oder eine untergeordnete oppositionelle Tätigkeit zu einer relevanten Verfolgungsgefahr führte, gibt es derzeit keinen Anhaltspunkt (vgl. dazu ebenfalls BayVGH, a.a.O., S. 14 f., m.w.N.).

Umso mehr gilt dies für exilpolitische Tätigkeiten in Deutschland. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Exilorganisationen im europäischen Ausland als Bedrohungsfaktor für den Herrschaftsanspruch des Regimes im Vergleich zu oppositionellen Gruppierungen im eigenen Lande nur eine untergeordnete Nebenrolle spielen können (vgl. hierzu auch BayVGH, a.a.O., S. 16). Außerdem fehlen Erkenntnisse darüber, mit welcher Intensität die togoische exilpolitische Szene inDeutschland überhaupt vom togoischen Regime beobachtet wird und diesem zur Kenntnis gelangt. Insofern ist zwar einerseits anzunehmen, dass die togoische Regierung grundsätzlich an der Tätigkeit togoischer Exilorganisationen in Deutschland interessiert ist und eigene Kontakte zu diesen Organisationen nutzt sowie dass die togoische Botschaft in Deutschland die exilpolitische Szene in der Bundesrepublik im Rahmen ihrer Möglichkeiten aufmerksam beobachtet (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17. Februar 1998 an das VG Hamburg). Andererseits ist aber davon auszugehen, dass das Regime in Togo zu einer wirklich systematischen Erfassung dieser exilpolitischen Aktivitäten technisch nicht in der Lage ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 10. Februar 1999). Ferner liegen keine Hinweise dafür vor, dass - außer den diplomatischen Vertretungen - togoische Nachrichtendienste Asylantragstellungen im Bundesgebiet ermittelten (vgl. dazu auch das Senatsurteil vom 25. Januar 2000 - KO 131/97 -, S. 44 des Urteilsumdrucks).

Schon deswegen, weil eine umfassende Erfassung exilpolitischer Tätigkeit nicht festgestellt werden kann und weitergehende Hinweise auf eine systematische und flächendeckende "Rückmeldung" exilpolitischer Aktivität an togoische Stellen fehlen, kann von einer Kenntniserlangung des togoischen Regimes allenfalls bei exponierter - also spektakulärer, herausgehobener und nachhaltiger - politischer Tätigkeit ausgegangen werden. Die bloße Mitgliedschaft in togischen Oppositionsparteien bzw. deren Exilorganisationen mit Sitz in Deutschland oder die Ausübung eines rein organisationsinternen Amts (wie das eines Schriftführers oder Schatzmeisters) und/oder die Teilnahme an gegen das togoische Regime gerichtete Demonstrationen, Versammlungen und ähnlichen Veranstaltungen sind jedenfalls keine exponierte exilpolitische Tätigkeit in diesem Sinne.

Doch selbst wenn die togoische Regierung überhaupt Kenntnis von exilpolitischen Tätigkeiten erlangt, so wird dies nicht ohne weiteres dazu führen, dass daran anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht. Nicht zuletzt wegen gewisser außenpolitischer Notwendigkeit, die insbesondere durch wirtschaftliche Interessen bedingt sind, weil Togo auf die wirtschaftliche Hilfe namentlich von den EU-Staaten und den USA angewiesen ist (vgl. dazu die ausführliche Darstellung des BayVGH, a.a.O., S. 12 ff. des Urteilsumdrucks, sowie SaarlOVG, Urteil vom 26. August 1999 - 1 R 3/99 -, S. 33 f. des Urteilsumdrucks, jeweil m.w.N.; ferner bereits das Urteil des Senats vom 28. September 1999 - 2 KO 534/97 -, S. 25 f. des Urteilsumdrucks), kann nicht davon ausgegangen werden, dass jedwede exilpolitische Tätigkeit (zumal in den "Geldgeber-Ländern", zu denen auch Deutschland gehört) zum Anlass von Verfolgungsmaßnahmen genommen wird, sondern dass dies nur bei solchen exponierten (spektakulären, herausgehobenen und nachhaltigen) Tätigkeiten der Fall ist, die sich aus der Sicht des Regimes als ernst zu nehmende Gefahr darstellen (vgl. auch SaarlOVG, a.a.O., S. 34 des Urteilsumdrucks).

Angesichts dessen sowie der Vielzahl der in Deutschland bestehenden Exilorganisationen und der Häufigkeit von ihnen durchgeführter Veranstaltungen, zu deren systematischer Beobachtung und Erfassung die togoische Regierung - wie dargelegt - ohnehin nicht im Stande ist, kann demnach grundsätzlich auch bei exilpolitischer Tätigkeit, die über die bloße Mitgliedschaft in togoischen Exilorganisationen oder die Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisationen hinausgeht - etwa die Ausübung von Parteiämtern mit "Außenwirkung" (z.B. das Amt des Vorsitzenden) sowie die Organisation von Veranstaltungen und z.B. das Auftreten als Redner -, keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr angenommen werden; hinzukommen muss vielmehr, dass es sich um eine im vorbeschriebenen Sinne exponierte Tätigkeit handelt, die aus der Sicht des togoischen Regimes eine ernst zu nehmende Gefahr darstellt.

Die anders lautende Einschätzung von amnesty international aus dem Jahre 1997, wonach zurückkehrende Togoer, auch wenn sie in nur geringfügigem Maße aktiv gewesen seien, mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungsmaßnahmen in Form von Inhaftierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren und Folter zu rechnen hätten (Auskunft von amnesty international vom 13. Januar 1997 an das VG München), hält der Senat nicht für überzeugend.