VG Würzburg

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Zitieren als:
VG Würzburg, Urteil vom 26.07.2010 - W 7 K 09.801 [= ASYLMAGAZIN 2010, S. 398 f.] - asyl.net: M17592
https://www.asyl.net/rsdb/M17592
Leitsatz:

Eine Anordnung des persönlichen Erscheinens vor einer Auslandsvertretung zur Beschaffung von Heimreisedokumenten ist nur dann zulässig, wenn der Ausländer vermutlich die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt.

Schlagwörter: Passbeschaffung, Vorführung, zwangsweise Vorführung bei Auslandsvertretung, Mitwirkungspflicht, Identitätsfeststellung, Bestimmtheit
Normen: AufenthG § 82 Abs. 4 S. 1, AufenthG § 82 Abs. 4 S. 2
Auszüge:

[...]

Die Ausländerbehörde möchte mit den streitgegenständlichen Anordnungen erreichen, dass der Kläger bei der für ihn zuständigen Auslandsvertretung seines Heimatlandes vorspricht, dort ein Heimreisedokument beantragt und dieses Dokument dann der Ausländerbehörde übergibt. Sinn und Zweck dieser Anordnung bestehen darin, die Abschiebung des vollziehbar ausreisepflichtigen Klägers zu betreiben. Die Rechtsgrundlage für eine derartige Vorsprache bei der Auslandsvertretung stellt § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG dar. Danach kann, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden (Satz 2). Dem entspricht die Anordnung in Ziffer 3 des Bescheides.

Die Anordnung des persönlichen Erscheinens kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts auf schriftlichem Wege nur erschwert oder gar nicht möglich ist. Sachlich und damit erforderlich ist ein persönliches Erscheinen, wenn die Ausländerbehörde sich über die Identität des Ausländers Gewissheit verschaffen will ((BTDr. 11/6321 S. 180). Eine Anordnung des persönlichen Erscheinens vor einer Auslandsvertretung ist allerdings nur zulässig, wenn der Ausländer vermutlich die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt. Die Verpflichtung zur Vorsprache hat damit zur Voraussetzung, dass eine Vermutung für eine bestimmte Staatsangehörigkeit besteht. Damit die Vorspracheverpflichtung rechtmäßig auferlegt werden kann, muss es bestimmte Anhaltspunkte dafür geben, dass der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines bestimmten Staates besitzt. Anhaltspunkte für eine Mutmaßung können sich aus eigenen Erklärungen des Ausländers ergeben, aber auch aus sonstigen, in den Akten befindlichen Erkenntnissen (OVG Schleswig-Holstein, B.v. 23.11.2009, 4 MB 111/09; VG Augsburg, B.v. 25.05.2009, Nr. Au 1 S 09.537). Es ist demnach Aufgabe der Ausländerbehörde, aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen und Angaben des Ausländers greifbare und nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine vermutliche Staatsangehörigkeit des Betroffenen zu liefern. Es kann, wie schon dem Geetzeswortlaut zu entnehmen ist, nicht offen bleiben, vor welcher Auslandsvertretung der Ausländer vorzusprechen hat. Können die für eine hiernach erforderliche Prognose erforderlichen Feststellungen nicht getroffen worden, so ist es nicht zulässig, die gesetzlichen Voraussetzungen ("... dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt ...") dadurch zu unterlaufen, dass eine Anordnung des Inhalts ergeht, der Betroffene habe sich bei der Botschaft einzufinden, die nach der tatsächlich bestehenden Staatsangehörigkeit zuständig ist. Eine solche Anordnung wäre nicht ausreichend bestimmt und könnte nicht Grundlage einer Verwaltungsvollstreckung sein. Dass der Ausländer in der Lage wäre, durch entsprechende Angaben die erforderliche Bestimmtheit herbeizuführen, vermag nichts daran zu ändern, dass, solange diese fehlenden Angaben nicht gemacht werden, eine Vollstreckung nicht möglich und die Anordnung daher sinnlos ist (GK-AufenthG, § 82, Rd.Nr. 66 m.w.N.). Ob der zu dieser Rechtsfrage ergangenen Rechtsprechung des VG München (z.B. B.v. 21.09.1998, M 9 S 98.3472) zu folgen ist, wonach es für die ausreichende Bestimmtheit genügt, dass mit der Anordnung etwas für den Ausländer Bestimmbares gefordert wird, da er selbst wissen müsse, welche Staatsangehörigkeit er tatsächlich besitzt bzw. aus welchem Staat er stammt, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Das VG München hat die hinreichende Bestimmtheit der Anordnung nämlich deshalb annehmen können, weil in dem entschiedenen Fall in der Vollstreckungsanordnung (zwangsweise Vorführung vor der Auslandsvertretung) namentlich bestimmte Staaten aufgezählt worden sind, bei denen die Vorführung erfolgen werde. Damit war dem Betroffenen jedenfalls aus der Vollstreckungsanordnung erkennbar geworden, bei welchen Vertretungen er vorzusprechen habe. [...]