VG Hamburg

Merkliste
Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 06.01.2012 - 8 K 2018/06 - asyl.net: M19346
https://www.asyl.net/rsdb/m19346
Leitsatz:

1. Unterstützungshandlungen für die gewaltbereite islamistische Szene sind keine Handlungen für eine terroristische Vereinigung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG.

2. Für eine psychische Beihilfe reichen als extremistisch einzuschätzende Meinungsäußerungen nicht aus.

Schlagwörter: Ausweisung, Terrorismus, Unterstützung
Normen: AufenthG § 54 Nr. 5, AufenthG § 54 Nr. 5a, AufenthG § § 54 Nr. 6, AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 1a, AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2
Auszüge:

[...]

Soweit die Klage hinsichtlich der Ausweisung weiterverfolgt wurde, ist sie zulässig und nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet, da die Verfügung vom 2.3.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.6.2006 rechtswidrig ist und den Kläger als Adressaten der Ausweisung in seinen Rechten verletzt, soweit der Kläger damit ausgewiesen wurde. Die Ausweisung kann weder auf § 54 Nr. 5 (dazu 1.), § 54 Nr. 5a (dazu 2.), § 54 Nr. 6 (dazu 3.) noch auf § 55 Abs. 2 Nr. 1 a) (dazu 4.) oder § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (dazu 5.) gestützt werden, da deren Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen.

1. Die Voraussetzungen von § 54 Nr. 5 AufenthG liegen nicht vor. Danach wird - vorbehaltlich besonderen Ausweisungsschutzes - ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Da dem Kläger nicht vorgeworfen wird, selbst einer terroristischen Vereinigung anzugehören, kommt vorliegend die zweite Alternative von § 54 Nr. 5 AufenthG in Betracht. Danach müssen Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer eine Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, die ihrerseits den Terrorismus unterstützt.

Nach den Ermittlungsergebnissen der Beklagten, die zum Entscheidungszeitpunkt vorlagen und die die Beklagte zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat, ist der Tatbestand von § 54 Nr. 5 AufenthG nicht erfüllt. Dies gilt auch dann, wenn man die von der Beklagten vorgenommene deutsche Übersetzung der Gespräche und SMS (Belegvorgänge), auf die sich die Ausweisung maßgeblich stützt, zugrunde legt. Dem Beweisantrag des Klägers, die Wortprotokolle neu übersetzen zu lassen, war daher nicht nachzugehen.

Zwar liegen mit Ansar al-Islam und der Gruppe um den Abu Musab al-Zarqawi (Gruppe al-Zargawi) den Terrorismus unterstützende Vereinigungen vor (dazu 1.1). Die Beklagte hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger gerade diese Vereinigungen unterstützt hat (dazu 1.2). Das Gericht konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass die - unterstellte - Gefährlichkeit des Klägers fortwirkt (dazu 1.3).

1.1 Die Ansar al-Islam und die Gruppe al-Zarqawi sind zwar Vereinigungen, die den Terrorismus unterstützen, nicht jedoch die "gewaltbereite islamistische Szene" in Hamburg oder das "internationale Netzwerk des islamistischen Terrorismus", deren Unterstützung durch den Kläger hier - offenbar auch nach Auffassung der Beklagten - allein in Betracht zu ziehen ist.

Maßstab für den Begriff der Vereinigung im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG ist der strafrechtliche Begriff der Vereinigung wie er hinsichtlich der Organisationsdelikte der Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung nach §§ 129 ff. StGB verwendet wird. Als Vereinigung ist danach der auf eine gewisse Dauer angelegte, freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter dem Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (stRspr BGH, Urt. v. 28.10.2010, 3 StR 179/10, juris, Rn. 28 m.w.N.). Nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck ist eine Begriffsübertragung aus dem (repressiven) Strafrecht in das (präventive) Ausländerrecht vorzunehmen (VG Hamburg, Urt. v. 14.4.2011, 8 K 2151/06, S. 18 UA).

Bei der Frage, ob eine konkrete terroristische Vereinigung vorliegt, kann sich die Beklagte nicht auf Beweiserleichterungen berufen. Die Beweiserleichterungen, dass nicht die richterliche Überzeugung gegeben sein muss, sondern lediglich Tatsachen eine Schlussfolgerung rechtfertigen müssen, bezieht sich ausschließlich auf die Frage der Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, nicht jedoch darauf, ob die Vereinigung selbst den Terrorismus unterstützt; letzteres muss in jedem Fall feststehen (VGH München, Urt. v. 22.2.2010, 19 B 09.929, Rn. 52; Beschl. v. 19.2.2009, 19 Cs 08.1175, Rn. 56; VGH Kassel, Beschl. v. 10.1.2006, 12 TG 1911/05, Rn. 2).

Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht (BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, BVerwGE 123, 114, 125). Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass eine gesetzliche Ermächtigung zur Vornahme von Verwaltungsakten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist, so dass das Handeln der Verwaltung messbar und für den Betroffenen in gewissem Ausmaß vorhersehbar und berechenbar bleibt (VGH München, a.a.O.). Daran würde es fehlen, wenn ein Ausländer ausgewiesen werden könnte, ohne dass überhaupt feststeht, ob die Vereinigung, der er mutmaßlich angehört, den Terrorismus unterstützt und er sich in seinem Handeln, etwa durch Distanzierung und Abbruch des Kontakts, hierauf nicht rechtzeitig hat einstellen können (VGH München, Urt. v. 22.2.2010, 19 B 09.929, Rn. 65). Daraus folgt gleichzeitig, dass die Beklagte darlegen muss, welche konkrete Vereinigung der Ausländer unterstützten soll.

1.1.1 Nach diesem Maßstab handelt es sich lediglich bei den in der Ausweisungsverfügung genannten Organisation Ansar al-Islam und der Gruppe al-Zarqawi um terroristische Vereinigungen. Der Ausschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gemäß der Resolution 1267 (1999) hat am 24.2.2003 Ansar al-Islam in die Liste der mit al-Qaida verbundenen Gruppen aufgenommen. Die Gruppe ist seit September 2001 tätig und bekämpft mit terroristischen Mitteln (Guerilla-Aktionen und Selbstmordattentaten) die irakische Zentralregierung (siehe die Ausführungen zu Ansar al-Islam in: UK Border Agency, lraq Country of Origin Information Report v. 30.8.2011, S. 306; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Irak v. 28.11.2010, S. 11).

Auch die Gruppierung um den Terrorismusführer Abu Musab al-Zarqawi stellt eine terroristische Vereinigung dar. AI-Zargawi war bis zu seiner Tötung am 7.6.2006 Führer der Gruppe al-Qaida im Irak und für zahlreiche Terroranschläge verantwortlich (siehe die Ausführungen zu al-Qaeda in lraq, in: UK Border Agency, Iraq Country of Origin Information Report v. 30.8.2011, S. 305; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Irak v. 28.11.2010, S. 11).

1.1.2 Die "gewaltbereite islamistische Szene" in Hamburg und das "internationale Netzwerk des islamistischen Terrorismus" sind dagegen keine Vereinigungen, die den Terrorismus unterstützen, im Sinne von § 54 Nr.. 5 AufenthG.

Wie die Beklagte in der Ausweisungsverfügung selbst ausführt (S. 8), verfügt das internationale Netzwerk des islamistischen Terrorismus "- seiner Natur entsprechend - nicht über gegliederte Strukturen mit definierten Hierarchien". Es besteht vielmehr aus "im Einzelnen unterschiedlich strukturierten und teilweise nur lose zusammenhängenden Kleingruppen", die "sich um einzelne leitende Persönlichkeiten sammeln". Die Beklagte selbst hat einen "klassischen organisatorischen Zusammenschluss von Personen" verneint, indem sie ausgeführt hat, dass "die spezifische Funktionalität dieses Netzwerkes in Analogie" zu einem solchen Zusammenschluss stehe. In tatsächlicher Hinsicht bestätigt dies, dass ein Netzwerk keine Vereinigung ist. In rechtlicher Hinsicht kann der zum Ausdruck kommenden Auffassung der Beklagten nicht gefolgt werden, ein Netzwerk sei analog einer Vereinigung zu behandeln. Die Voraussetzungen einer Analogie liegen bereits mangels Regelungslücke nicht vor. Der Gesetzgeber hat im Ausweisungstatbestand auf das Tatbestandsmerkmal der Vereinigung, die sich gegenüber einem Netzwerk insbesondere durch ihre Abgrenzbarkeit auszeichnet, nicht verzichtet (so auch VG Hamburg, Urt. v. 21.4.2011, 8 K 2151/06, S. 18 UA zu einer insoweit gleichlautenden Ausweisungsverfügung).

1.2 Es gibt keine Tatsachen die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger gerade die Gruppe Ansar al-Islam oder die Gruppe al-Zarqawi unterstützt hat.

Als Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG ist unter Rückgriff auf des strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129a StGB jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, BVerwGE 123, 114, 125 m.w.N.; VGH München, Urt. v. 25.3.2010, 10 BV 09.1784, juris, Rn. 21).

Das Bundesverwaltungsgericht führt weiter aus (BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, BVerwGE 123, 114, 129; siehe auch VGH München, Beschl. v. 25.10.2005, 24 CS 05.1716, 24 CS 05.1717, juris, Rn. 33):

"Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht, nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings [...] bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt."

Da der Kläger - mit Ausnahme seiner Reise in den Irak (dazu unten) - nicht aktiv geworden ist, sondern lediglich im Rahmen von privaten Telefonaten seine Meinung geäußert hat, kommt vorliegend lediglich eine psychische Beihilfe in Betracht. Wann diese vorliegt, wurde in der Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht ebenfalls anschließt, konkretisiert (VGH München, Beschl. v. 19.2.2009, 19 CS 08.1175, juris, Rn. 60 m.w.N.; Hervorhebung hinzugefügt):

"Inwieweit die "nicht öffentlichkeitswirksame Befürwortung" terroristischer Mittel eine Unterstützung des Terrorismus darstellen kann, ist eine Frage des Einzelfalls [...]. Allerdings muss die Befürwortung nicht nur geeignet sein, sondern darüber hinaus auch bezwecken, Terrorakte hervorzurufen; Letzteres ist dann anzunehmen, wenn die Befürwortung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer oder religiöser Interessen und Ziele als psychische Unterstützung gewertet werden kann, indem sie etwa die Bereitschaft von Terroristen zur Tatbegehung verstärkt (vgl. Discher, in: GK-AufenthG, Stand: Januar 2007, § 54 RdNr. 484 m.w.N.). Der Nachweis einer "psychischen Unterstützung" durch Förderung der Bereitschaft von Terroristen zur Tatbegehung, sei es durch Schaffung aufhetzender Begleitumstände oder durch das Predigen von Hass und Verachtung gegen Andersdenkende, muss sich regelmäßig auf entsprechende Tatsachen stützen."

Soweit es - wie hier - konkret darum geht, dass einem Ausländer als extremistisch einzuschätzende Meinungsäußerungen vorgeworfen werden, reicht allein die Feststellung der Tatsache, dass der Ausländer derartige Äußerungen getätigt hat, nicht aus, um den Tatbestand von § 54 Nr. 5 AufenthG zu erfüllen (VGH München, Beschl. v, 25.10.2005, 24 CS 05.1716, 24 CS 05.1717, juris, Rn. 38; Hervorhebung hinzugefügt):

"Handlungen, die als Unterstützungshandlungen aufgefasst werden könnten, werden im Bescheid nicht konkret aufgeführt. Wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, sieht die Antragsgegnerin jedoch die Kontakte des Antragstellers mit ... und die Äußerungen des Antragstellers in drei Gesprächen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG an. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, weil nicht erklärt wird, inwiefern die - in der Tat als fundamentalistisch zu bewertenden - Äußerungen des Antragstellers bei den Gesprächen der als terroristisch eingestuften Vereinigung Ansar al-Islam in dem oben dargelegten Sinne nützen könnten. Dabei genügt es nicht, im Bescheid darauf zu verweisen, dass als Unterstützungshandlung jede Handlung anzusehen ist, die für die Bestrebungen der Vereinigung objektiv vorteilhaft ist. Das objektiv Vorteilhafte der Äußerungen für Ansar al-lslam wird nämlich nicht benannt. Aussagen des Antragstellers zu seiner politischen Einstellung und seiner Einstellung zum internationalen Terrorismus und zu Usama bin Laden, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren, können das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens allein nicht erfüllen."

1.2.1 Nach diesen Maßstäben liegen keine Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung der Unterstützung einer konkreten Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstützt, rechtfertigt. Der Kläger ist - abgesehen von seiner Reise in den Irak (dazu unten) - selbst nicht tätig geworden. Anders als in anderen Ausweisungsfällen, bei denen es um Personen ging, die dem islamistischen Umfeld in Hamburg zugerechnet wurden, stützt sich die Ausweisung lediglich auf Äußerungen des Klägers, die er im Rahmen von privaten Telefonaten gemacht hat sowie darauf, dass er zwei SMS mit womöglich islamistischem Inhalt empfangen hat.

Es sind gerade keine Tatsachen dargelegt, geschweige denn bewiesen, aus denen sich die Schlussfolgerung der Terrorismusunterstützung im Hinblick auf die genannten Terrorgruppen ziehen lassen könnte. Hierzu hätte festgestellt werden müssen, inwieweit die - als fundamentalistisch zu wertenden - Äußerungen des Klägers in den Telefonaten mit ..., der Person ... und den ... den beiden terroristischen Vereinigungen genützt haben könnten. Derartige Feststellungen sind nicht möglich, weil auch dem LfV keine weiteren Informationen vorliegen; von der Person ... ist noch nicht einmal der Nachname bekannt. Sogar die Beklagte räumt in der Stellungnahme der Anti-Terrorismus-Koordinationsgruppe zur Klagbegründung letztlich selbst ein, dass dem Kläger nicht vorgeworfen werde, die Ansar al-Islam zu unterstützten bzw. unterstützt zu haben (Bl. 69 d. A.).

Es wäre unabdingbar gewesen darzulegen, in welchem Zusammenhang die Gesprächspartner des Klägers mit den beiden terroristischen Vereinigungen stehen. Die Beklagte konnte jedoch nicht in Erfahrung bringen, in welchem Verhältnis ..., die Person ... oder die ... zu den genannten Organisationen stehen. Sie konnte auch keine anderen Tatsachen vortragen, aus denen sich eine Beziehung zu den beiden Gruppen ableiten ließe. Die Verbindungen dieser Personen zu den genannten Organisationen stellen mithin lediglich Vermutungen dar.

Auch aus den Gesprächsinhalten ergeben sich keine derartigen Tatsachen. Zwar hat ... in dem Telefonat mit dem Kläger vom 3.11.2004 (Belegvorgang 2) - jedenfalls nach der Übersetzung der Beklagten - von "unsere[r] Djemaat Ansar Islam" gesprochen. Dies ist jedoch keine Tatsache, die die Schlussfolgerung zulässt, dass der der Gruppierung Ansar al-Islam auch nur nahesteht. Die Verwendung des Possessivpronomens "unsere" ist so allgemein, dass daraus keine Schlüsse auf die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe gezogen werden können. Es deutet vielmehr lediglich darauf hin, dass man eine gewisse allgemeine Sympathie für eine derartige Gruppierung empfindet. Im Übrigen spricht der ... im Telefonat vom 4.12.2004 (Belegvorgang 3) allgemein von "der Ansar Djemaat", ohne ein Possessivpronomen zu verwenden.

Soweit die Beklagte im Hinblick auf die Brüder ... aus deren Schilderungen eine Nähe zum bewaffneten Widerstand gegen die Besatzungstruppen im Irak konstruiert, kann das Gericht dem ebenfalls nicht folgen. Es fehlt schon an jeder Bezugnahme zu einer konkreten terroristischen Vereinigung. Selbst wenn sich eine konkrete terroristische Vereinigung identifizieren ließe, so wären die übersetzten Gesprächsinhalte nicht geeignet, die Schlussfolgerung zuzulassen, dass die Brüder ... Terroristen nahe stünden. Angesichts der im Oktober 2005 vorherrschenden Gewalt im Irak (allein laut www.iraqbodycount.org gab es in diesem Monat 1239 zivile Tote), lässt die Entführung von Familienmitgliedern und eine Hausdurchsuchung durch US-amerikanische Sicherheitskräfte nicht den Schluss zu, dass die Brüder ... einer terroristischen Vereinigung nahe stünden. Bei den in den Telefonaten geschilderten Sachverhalten kann es sich nämlich ebenso gut um einen "gewöhnlichen" kriminellen Akt handeln.

Auch im Hinblick auf die Person ..., über deren persönlichen Hintergrund keinerlei Erkenntnisse vorliegen, lässt sich aus den Gesprächsinhalten nichts ableiten, was ihre Nähe zu einer konkreten terroristischen Vereinigung begründen könnte. ... teilte nämlich lediglich mit, dass er (oder sie) einen Freund gehabt habe, der Märtyrer geworden sei. Selbst wenn hiermit tatsächlich ein Bezug zu dem ... hergestellt werden könnte, so wäre nicht dargelegt, in welcher konkreten terroristischen Vereinigung der ... angehört haben soll.

Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellen wollte, dass aus den übersetzten Gesprächsinhalten ein Bezug zu konkreten terroristischen Vereinigungen hergestellt werden könnte, bleibt offen, inwieweit die konkreten, in den Belegvorgängen dokumentierten Äußerungen des Klägers eine psychische Beihilfe im Sinne der Rechtsprechung sein könnte. Die Beklagte hat nämlich zu keinem Zeitpunkt dargelegt, inwiefern die konkreten Äußerungen des Klägers den beiden als terroristische Vereinigungen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG identifizierten Vereinigungen auch nur abstrakt nützen könnten. Es reicht gerade nicht aus für eine psychische Beihilfe, dass der Kläger überhaupt Kontakte zur islamistischen Szene haben soll und sich dahingehend äußert, dass er Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele befürwortet. Auch wenn der Nachweis der Unterstützungshandlungen nicht geführt werden muss, müssen Tatsachen vorgetragen werden, die Schlussfolgerungen zulassen, dass die Tathandlungen die Bereitschaft der Terroristen, die einer konkreten terroristischen Vereinigung zugeordnet werden müssen, verstärkt wird. Hierzu hätte die Beklagte - was sie nicht getan hat - zunächst die Gesprächsteilnehmer einer der beiden genannten terroristischen Vereinigungen zuordnen, müssen. Weiter hätte sie Tatsachen vortragen müssen, die die Schlussfolgerung erlauben, dass die Gesprächspartner durch die einzelnen Gespräche mit dem Kläger entweder selbst in der Begehung von terroristischen Taten bestärkt werden oder wiederum Dritte davon berichten, dass der Kläger ihre Aktionen befürwortet und diese daraufhin weitere Straftaten begehen.

1.2.2 Auch die Reise des Klägers in den Irak im Dezember 2004 ist keine Tatsache, die die Schlussfolgerung der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung rechtfertigt. Eine derartige Schlussfolgerung ist schon deshalb nicht möglich, weil offen bleibt, welche konkrete terroristische Vereinigung der Kläger mit seiner Reise in den Irak unterstützen wollte. Da der Kläger direkt an der türkisch-irakischen Grenze festgenommen wurde und sich mehr als sieben Monate in einem Gefängnis in Erbil aufhielt, bevor er für wenige Wochen bei seiner Familie verweilte, um sich von den Haftbedingungen zu erholen, stellen auch unter dem sehr weiten Verständnis einer Unterstützungshandlung keine solche Handlung dar. Da die Reise in den Irak mit der sofortigen Gefangennahme endete, wurde das Gefährdungsrisiko durch eine - im vorliegenden Fall nicht identifizierte - terroristische Vereinigung noch nicht einmal latent erhöht. Denn wer im Gefängnis sitzt, ist für Attentäter auch nicht potentiell hilfreich.

Anders als die Beklagte meint, rechtfertigt allein die Tatsache, dass der Kläger freiwillig in den Irak reiste, nicht die Schlussfolgerung der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Die Reise lässt sich nämlich auch damit erklären, dass der Kläger seine Familie und insbesondere seine Ehefrau, die er unstreitig im Jahr 2003 geheiratet hatte, wiedersehen wollte. Dass er sich nach seiner Rückkehr konspirativ verhalten hat, rechtfertigt einen derartigen Schluss ebenso wenig. Unabhängig vom Zweck der Reise war dem Kläger klar, dass er aufenthaltsrechtliche Probleme erhalten würde, wenn die Behörden Kenntnis davon erhielten, dass er sich länger im Ausland, insbesondere im Irak, aufgehalten hatte.

1.3 Selbst wenn man eine Unterstützungshandlung erkennen würde, so müssten diese fortwirken. Dabei muss die Gefährlichkeit sowohl der Handlungen des Ausländers als auch der Person selbst fortbestehen (Discher, in: GK-Aufenthaltsgesetz, 36. EL, August 2009, § 54, Rn. 518). Selbst wenn man die telefonischen Äußerungen des Klägers als Unterstützungshandlungen werten würde, wäre aufgrund der zwischenzeitlich vergangenen sechs bis sieben Jahre die Wirkung der psychischen Beihilfe nicht mehr nachweisbar. Im Hinblick auf die persönliche Gefährlichkeit des Klägers gibt es keinerlei Anhaltspunkte, dass er nach seiner Rückkehr in den Irak mit terroristischen Zielen sympathisiert.

2. Die Ausweisung kann nicht auf § 54 Nr. 5a 1. Alternative AufenthG gestützt werden. Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, der die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Tatbestand erfasst nämlich nicht Vorfeldaktivitäten, die noch nicht die Schwelle der Konkretisierung der Gefährdung der inneren Sicherheit überschritten haben (Discher, in: GK-Aufenthaltsgesetz, 36. EL, August 2009, § 54, Rn. 405, 594). Derartige konkrete Gefährdungen wurden nicht vorgetragen und sind auch ansonsten nicht ersichtlich. [...]