VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 14.10.2015 - 19 K 355.13 V - asyl.net: M23452
https://www.asyl.net/rsdb/M23452
Leitsatz:

Vorlageverfahren zur Ablehnung eines Visums zum Zweck des Promotionsstudiums einer iranischen Staatsangehörigen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie die im Rahmen des Forschungsvorhabens erlangten Fähigkeiten missbräuchlich einsetzen könnte, etwa zur Verschaffung vertraulicher Informationen in westlichen Ländern oder zur internen Repression.

(Leitsatz der Redaktion; Antwort des EuGH: Urteil vom 04.04.2017 - C-544/15 Fahimian gg. Deutschland - asyl.net: M25460, Asylmagazin 10-11/2017)

Schlagwörter: Studium, Visum, Vorlagebeschluss, Promotion, Promotionsstudium, besonderes öffentliches Interesse, öffentliche Belange, öffentliches Interesse, Bedrohung der öffentlichen Sicherheit, Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Iran, Embargo, IT-Sicherheit, Informationstechnologie, Menschenrechtsverletzung, Studentenrichtlinie, Studierendenrichtlinie,
Normen: AEUV Art. 267 Abs. 2, RL 2004/114/EG Art. 6 Abs. 1 Bst. d,
Auszüge:

[...]

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1a. Ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Prüfung, ob ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Art. 7 bis 11 der Richtlinie genannten Zwecken beantragt, als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit betrachtet wird, über einen Beurteilungsspielraum verfügen, aufgrund dessen die behördliche Einschätzung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt?

1b. Im Fall einer Bejahung von Frage 1a:

Welche rechtlichen Grenzen unterliegen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Einschätzung, dass ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Art. 7 bis 11 der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst genannten Zwecken beantragt, als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu betrachtet ist, insbesondere im Hinblick auf die der Einschätzung zugrunde zu legenden Tatsachen und deren Würdigung?

2. Unabhängig von der Beantwortung von Fragen 1a und 1b:

Ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten hiernach befugt sind, in einem Sachverhalt wie dem vorliegenden, in dem eine Drittstaatsangehörige aus dem Iran, die ihren Hochschulabschluss im Iran an der auf Technik, Ingenieurwissenschaften und Physik spezialisierten Sharif University of Technology (Teheran) erworben hat, die Einreise zum Zweck der Aufnahme eines Promotionsstudiums im Bereich der IT-Sicherheitsforschung im Projekt "Vertrauenswürdige Eingebettete und Mobile Systeme", insbesondere Entwicklung effektiver Schutzmechanismen für Smartphones, anstrebt, die Zulassung in ihr Hoheitsgebiet mit Hinweis darauf zu versagen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die im Zusammenhang mit dem Forschungsvorhaben erlangten Fähigkeiten im Iran missbräuchlich eingesetzt würden, etwa zur Verschaffung von vertraulichen Informationen in westlichen Ländern, zum Zweck der internen Repression oder allgemein im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen?

Gründe

1. Sachverhalt

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Visums zur Aufnahme eines Promotionsstudiums.

Die … gegeborene Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Sie verfügt über einen Hochschulabschluss (Master of Science) im Gebiet Informationstechnologie der auf Technik, Ingenieurwissenschaften und Physik spezialisierten Sharif University of Technology (SUT) in Teheran.

Am 21. November 2012 beantragte die Klägerin bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Teheran (im Folgenden: Botschaft) die Erteilung eines Visums zur Aufnahme eines Promotionsstudiums an der Technischen Universität Darmstadt, Center for Advanced Security Research Darmstadt (CASED), im Rahmen des Projekts "Vertrauenswürdige Eingebettete und Mobile Systeme". Dem Antrag beigefügt war neben einem Nachweis der Zulassung durch die Technische Universität Darmstadt unter anderem auch ein Schreiben des Managing Directors des CASED, Herrn Dr.-Ing. Michael Kreutzer, vom 14. November 2012, in dem dieser das Forschungsvorhaben der Klägerin wie folgt beschreibt (Übersetzung aus dem Englischen durch das vorlegende Gericht):

"… wird ihre Forschung im Forschungsgebiet Sichere Dinge betreiben, insbesondere im Projekt 'Vertrauenswürdige Eingebettete und Mobile Systeme', geleitet von Prof. Sadeghi. Ihre Forschungsfragen reichen von Sicherheit mobiler Systeme, insbesondere Angriffserkennung auf Smartphones, bis hin zu Sicherheitsprotokollen. Ihre Aufgabe wird sein, neue effiziente und effektive Schutzmechanismen für Smartphones unter den bekannten Beschränkungen beschränkter Energie, beschränkter Computer-Ressourcen und beschränkter Bandbreite zu finden."

Zur Finanzierung des Promotionsstudiums erhält die Klägerin ein Promotionsstipendium des CASED in Höhe von 1.468,00 Euro pro Monat.

Mit Bescheid vom 27. Mai 2013 lehnte die Botschaft den Visumsantrag der Klägerin ab. Das hiergegen von der Klägerin angestrengte Remonstrationsverfahren blieb ohne Erfolg (Remonstrationsbescheid vom 22. Oktober 2013).

Mit ihrer am 22. November 2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Im Klageverfahren streiten die Beteiligten darüber, ob der Einreise der Klägerin öffentliche Belange entgegenstehen, weil die Klägerin - wie die Beklagte meint - eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst (ABl. L 372 vom 23. Dezember 2004, S. 12) darstelle.

Die Beklagte stützt ihre Auffassung, die Klägerin sei als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit zu betrachten, darauf, dass die tatsächliche Lage im Iran in hinreichendem Maß die Gefahr begründe, die während des Forschungsaufenthalts erlangten Fähigkeiten könnten im Heimatland der Klägerin missbräuchlich eingesetzt werden. Seitens der iranischen Regierung werde seit geraumer Zeit ein groß angelegtes Cyberprogramm unterhalten, mit dem man sich in westlichen Ländern Zugang zu vertraulichen Informationen zu verschaffen suche. Medienberichten zufolge seien durch entsprechende Hackerangriffe weltweit Unternehmen und Forschungseinrichtungen betroffen. Angreifer zielten dabei besonders auf sensible Daten aus den Bereichen der Luft- und Raumfahrt sowie der Rüstungsindustrie. Nach Aussagen von Sicherheitsexperten würden Hackerangriffe nicht zuletzt unternommen, um Baupläne und Forschungsergebnisse für das umstrittene Nuklearprogramm zu beschaffen, das im Verdacht stehe, militärische Zwecke zu verfolgen.

Die Bedeutung der SUT für die militärisch orientierte Forschung im Iran sei in der Staatengemeinschaft anerkannt. Die Beklagte verweist insoweit auf die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1202/2014 des Rates vom 7. November 2014 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 325 vom 8. November 2014, S. 3), in der die SUT zwischenzeitlich von der Europäischen Union (EU) erneut als Entität gelistet worden sei, die aufgrund ihrer nachweislich engen Verbindung in die dortigen Herrschaftsstrukturen restriktiven Maßnahmen unterworfen werde. Im Übrigen seien mehrere Mitglieder und Einrichtungen der SUT aufgrund ihrer Beschaffungsbemühungen und Unterstützungsleistungen bei Menschenrechtsverletzungen der iranischen Regierung auch von US-Sanktionen betroffen.

Nach Überzeugung der Beklagten liege ein konkreter Anhaltspunkt dafür vor, dass mit der angestrebten Promotion in einem kritischen Forschungsbereich Kenntnisse erworben würden, die missbräuchlich auch für militärische Zwecke verwendet werden könnten; es sei nicht auszuschließen, dass Verbindungen der Klägerin auch nach ihrem an der SUT erreichten Studienabschluss zu dortigen Kontakten fortbestünden.

Die EU habe zuletzt Ende 2013 festgestellt, dass sich die Bedrohung durch die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, wie sie in der Europäischen Sicherheitsstrategie von 2003 festgestellt worden sei, seither nicht verringert habe und ein wachsendes Risiko darstelle. Die Beklagte verweist insoweit auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 21. Oktober 2013. Vor diesem Hintergrund habe sich die EU wiederholt zu der politischen Verpflichtung bekannt, den Herausforderungen durch die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme wirksam zu begegnen. Der Europäische Rat habe daher die Bedeutung eines effektiven Schutzes des Zugangs zu proliferationsrelevantem Wissen und Knowhow in der EU unterstrichen und gefordert sicherzustellen, dass dieses Wissen und Knowhow zu friedlichen Zwecken genutzt werde, insbesondere durch eine weitere Erhöhung der Wachsamkeit und Zusammenarbeit im konsularischen Bereich, durch eine weitere Verstärkung des Schutzes wissenschaftlicher und technischer Anlagen gegen unbeabsichtigte Weitergabe von sensibler Technologie und sensiblem Knowhow, einschließlich Güter mit doppeltem Verwendungszweck sowie durch eine Schärfung des Probembewusstseins in wissenschaftlichen, akademischen und industriellen Kreisen, unter anderem durch mehr Anstrengungen im Bereich der Kommunikation und Breitenwirkung.

Im Visumsverfahren sei regelmäßig das Interesse des Antragstellers an der Einreise sorgfältig gegenüber den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland abzuwägen. Insbesondere sei bei Visumsanträgen von iranischen Wissenschaftlern darauf zu achten, dass in Deutschland erworbenes Wissen in der gegenwärtigen politischen Situation, nicht im Iran für Zwecke missbraucht werden könne, die den außenpolitischen Interessen Deutschlands zuwider liefen. Dabei könnten Aspekte der Proliferation von Massenvernichtungswaffen eine Rolle spielen, aber ebenso der Erwerb von technischem Knowhow, das im Iran zum Zweck der internen Repression oder allgemein im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden könnte. Eine konkrete Abwägung alter relevanten Gesichtspunkte führe daher im vorliegenden Fall zu einer Ablehnung des beantragten Visums.

Die internationale Staatengemeinschaft sei ferner übereingekommen, Handlungen zu unterbinden, die geeignet wären, zu Maßnahmen der internen Repression im Iran beizutragen. Die EU habe daher mit der Verhängung von Sanktionen gegen Iran unter anderem die Lieferung bestimmter Technologien untersagt, die für die Überwachung der Bevölkerung mit polizeilichen oder geheimdienstlichen Mitteln geeignet seien. Dazu zählten Systeme und Ausrüstung für Telekommunikations- und Internetdienste, für die Informationssicherheit von Netzwerken sowie Verschlüsselungstechnologien und Kryptotechnik. Die Beklagte verweist insoweit auf die Verordnung (EU) Nr. 267/2012 des Rates vom 23. März 2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (Abl. L 88 vom 24. März 2012, S. 1). In eben diesem Bereich strebe die Klägerin an, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten im Rahmen des beabsichtigten Forschungsaufenthaltes gezielt zu vertiefen. Es liege daher nach Auffassung der Beklagten ein weiterer konkreter Anhaltspunkt dafür vor, dass mit dem seitens der Klägerin für Ausbildungszwecke begehrten Aufenthalt in Deutschland ein nicht akzeptables Risiko verknüpft sei, dass dieses Wissen in Iran zu missbräuchliche Zwecken verwendet werde.

Zwar umfasse die Verordnung Nr. 267/2012 nicht unmittelbar Einreisebeschränkungen. Hinsichtlich der einem Lieferverbot unterworfenen Güter und Technologien greife jedoch ebenfalls ein Verbot, technische Unterstützung zu leisten. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung begründe ein Verbot, "für iranische Personen (...) unmittelbar oder mittelbar technische Hilfe (...) im Zusammenhang mit den in Anhang I oder II aufgeführten Gütern und Technologien oder im Zusammenhang mit der (...) Verwendung der in Anhang I oder II aufgeführten Güter zu erbringen". Darunter seien auch Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen zu fassen. Angesichts der dargestellten Gefahren für einen missbräuchlichen Einsatz des im Rahmen des Forschungsprojekts erworbenen Knowhow werde der Kläger das begehrte Visum daher verweigert. [...]

III. Entscheidungserheblichkeit

Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und erforderlich.

Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 10. September 2014 in der Rechtssache "Alaya (C-491/13) entschieden, dass Art. 12 der Richtlinie 2004/114/EG dahin auszulegen ist, dass der betreffende Mitgliedstaat dazu verpflichtet ist, einen Drittstaatsangehörigen, der sich für mehr als drei Monate zu Studienzwecken in seinem Hoheitsgebiet aufhalten möchte, in sein Hoheitsgebiet zuzulassen, wenn dieser Drittstaatsangehörige die in den Art. 6 und 7 der Richtlinie abschließend aufgezählten Zulassungsbedingungen erfüllt und der Mitgliedstaat in seinem Fall keinen der in der Richtlinie ausdrücklich genannten Gründe geltend macht, die die Versagung eines Aufenthaltstitels rechtfertigen.

Im vorliegenden Fall steht allein im Streit, ob die Beklagte der Klägerin den Versagungsgrund aus Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG entgegenhalten kann. Die übrigen Zulassungsvoraussetzungen aus Art. 6 und 7 der Richtlinie 2004/114/EG liegen vor bzw. könnten unproblematisch jeweils aktuell erfüllt werden. Insbesondere ist die Klägerin von der Technischen Universität Darmstadt zum Promotionsstudium zugelassen worden und hat nachgewiesen, dass aufgrund der Stipendienzusage des CASED die nötigen Mittel zur Verfügung stehen (Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie).

Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob sich die Beklagte zu Recht auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG beruft.

Die Tatsachengrundlage, auf die die Beklagte ihre Einschätzung stützt, lässt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

- Die Klägerin ist Staatsangehörige des Iran.

- Die Klägerin hat ihren Hochschulabschluss im Iran an der auf Technik, Ingenieurwissenschaften und Physik spezialisierten SUT erworben, die von der EU in Anhang IX der Verordnung Nr. 267/2012 als eine die iranische Regierung unterstützende Einrichtung eingestuft worden ist.

- Das Forschungsvorhaben der Klägerin liegt auf dem Gebiet der IT-Sicherheit.

Aus diesen Tatsachen leitet die Beklagte ab, die Klägerin sei als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit zu betrachten, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die im Zusammenhang mit dem Forschungsvorhaben erlangten Fähigkeiten im Iran missbräuchlich eingesetzt würden, etwa zur Verschaffung von vertraulichen Informationen in westlichen Ländern, zum Zweck der internen Repression oder allgemein im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen.

Weitere, konkretere und unmittelbar in der Person der Klägerin liegende Umstände, die die Gefahrenprognose untermauern könnten, wie etwa Kontakte zu bestimmten Personen oder Personenkreisen, früheres Fehlverhalten der Klägerin o.ä. hat die Beklagte nicht benannt. Auch ist ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Forschung der Klägerin und möglichen Aktivitäten des Iran, denen entgegengewirkt werden soll, nur bedingt dargetan. So bleibt weitgehend dunkel, inwiefern genau die während des Forschungsaufenthalts erlangten Fähigkeiten im Iran missbräuchlich eingesetzt werden könnten. Schließlich sei angemerkt, dass es vorliegend - anders als in anderen Zuzugsfällen - vor allem um ein Gefahrenszenario gehen dürfte, das sich erst nach der Rückkehr der Klägerin realisieren könnte, und das teilweise, nämlich soweit es um interne Repression oder Menschenrechtsverletzungen im Iran geht, zudem zwar die (außen-) politischen Interessen Deutschlands berühren dürfte, nicht aber seine Sicherheit in einem engeren Sinne.

Nach dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/114/EG kann die Zulassung für die in der Richtlinie genannten Zwecke nur "aus besonderen Gründen" abgelehnt werden. In dem Erwägungsgrund heißt es weiter, die Beurteilung eines Mitgliedstaates, wonach ein Drittstaatsangehöriger eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, müsse "auf Tatsachen gestützt" sein. Beispielhaft nennt der Erwägungsgrund insoweit Fälle, "in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, eine solche Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder extremistische Bestrebungen hat oder hatte."

Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass die Beurteilung der individuellen Situation eines Drittstaatsangehörigen im Hinblick auf die Feststellung, ob seiner Zulassung für die in der Richtlinie 2004/114/EG genannten Zwecke der Versagungsgrund des Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG entgegensteht, mit komplexen Bewertungen verbunden ist, die sich in einem Fall wie dem vorliegenden unter anderem auf die politische Lage seines Heimatlandes sowie die internationalen Beziehungen des Mitgliedstaats, in den die Einreise erfolgen soll, beziehen. Das spricht dafür, den Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG zumindest einen (weiten) Beurteilungsspielraum einzuräumen, der sich sowohl auf die Anwendungsvoraussetzungen der Regelung als auch auf die Würdigung der Tatsachen bezieht, die für die Feststellung maßgeblich sind, ob der Drittstaatsangehörige als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit betrachtet wird (vgl. etwa für die Prüfung von Visaanträgen nach dem Visakodex EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - Rs. C-84/12 -, Rn. 56 ff.).

Kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG der Zulassung der Klägerin entgegensteht, so bedürfen die mit dem Vorlageersuchen gestellten Fragen, die bislang nicht Gegenstand einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gewesen sind, einer Klärung durch den Gerichtshof, da dieser zur Entscheidung auslegungsbedürftiger Fragen der Richtlinie 2004/114/EG berufen ist. [...]