SG München

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Zitieren als:
SG München, Urteil vom 04.05.2018 - S 46 EG 130/17 - asyl.net: M26355
https://www.asyl.net/rsdb/m26355
Leitsatz:

Unrechtmäßige Verweigerung von Elterngeld bei in Deutschland geborenem Kind ohne Geburtsurkunde:

1. Elterngeld darf nicht wegen Zweifeln an der Identität der Eltern bzw. daraus resultierendem Fehlen einer Geburtsurkunde für das Kind verweigert werden.

2. Das BEEG enthält keinen Leistungsausschluss für generelle Zweifel der Elterngeldstelle an der Identität der Leistungsberechtigten.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Elterngeld, Identitätsfeststellung, Identitätsnachweis, Zweifel an der Identität, Aufenthaltserlaubnis, anerkannte Flüchtlinge, Flüchtlingsanerkennung, Geburtsurkunde, fehlende Geburtsurkunde,
Normen: PStV § 7 Abs. 2, BayIntG Art. 12, BEEG § 1 Abs. 7, AufenthG § 25 Abs. 2, BEEG § 1 Abs. 7 Nr. 2, PStV § 54, PStV § 55, BEEG § 26 Abs. 1, SGB X § 20, BEEG § 2 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) enthält keinen Leistungsausschluss für generelle Zweifel der Elterngeldstelle an der Identität der Anspruchsteller. [...]

3. Die Klägerin kann dem Grunde nach Elterngeld beanspruchen, weil sie im Anspruchszeitraum (… 2017 bis … 2018) die Grundvoraussetzungen des Elterngeldanspruchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BEEG erfüllt. [...]

4. Die Klägerin erfüllt auch die Zusatzvoraussetzungen für Ausländer nach § 1 Abs. 7 BEEG. Sie ist als syrische Staatsangehörige nicht freizügigkeitsberechtigt, verfügt aber mit der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz mit einer Gestattung der Erwerbstätigkeit über den nach § 1 Abs. 7 Nr. 2 BEEG erforderlichen Aufenthaltsstatus.

5. Der Beklagte beruft sich darauf, dass die Identität der Klägerin nicht per Geburtsurkunde des Kindes oder Auszug aus dem Personenstandsregister nachgewiesen sei. Dieser Einwand berechtigt nicht zur Leistungsablehnung. Das BEEG enthält keinen Leistungsausschluss für generelle Zweifel der Elterngeldstelle an der Identität der Leistungsberechtigten.

Das Personenstandsregister, Auszüge daraus und Personenstandsurkunden des Standesamtes nach § 55 Personenstandsgesetz (PStG) haben gemäß § 54 PStG eine besondere Beweiskraft. Die vorläufige Bescheinigung nach § 7 Abs. 2 PStV hat diese Beweiskraft nicht. [...] Dies bedeutet aber nur, dass die Elterngeldstelle im Wege der Amtsermittlung nach § 26 Abs. 1 BEEG i.V.m. § 20 SGB X auf andere Beweismittel zurückgreifen muss.

Gründe für einen Zweifel an der Identität der Klägerin sind dem Gericht nicht ersichtlich. Das gilt für die Frage der Abstammung, d.h. ob die Klägerin die Mutter von C. ist, als auch für die Frage, ob Name und Nationalität der Klägerin zutreffend angegeben bzw. festgestellt wurden. Auch der Beklagte konnte nicht darlegen, weshalb er in diesem konkreten Leistungsfall Zweifel an der Identität der Klägerin habe. Allgemeine Überlegungen zur generellen Gefahr eines Leistungsmissbrauchs sind jedenfalls nicht geeignet, einen Leistungsausschluss ohne gesetzliche Grundlage zu rechtfertigen. Daran würde auch eine entsprechende verwaltungsinterne Weisung nichts ändern.

Art. 12 BayIntG ist auf Elterngeld nicht anwendbar. [...] Diese Vorschrift ist hier schon deswegen nicht anwendbar, weil das Elterngeld eine Bundesleistung ist. [...]

Ein Leistungsausschluss wegen allgemeiner Zweifel an der Identität bzw. am Identitätsnachweis des Antragstellers besteht im BEEG nicht. [...]