EuGH

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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 06.09.2018 - C-527/16 Österreich gg. Alpenrind GmbH - asyl.net: M26944
https://www.asyl.net/rsdb/m26944
Leitsatz:

Sozialversicherungsbeiträge bei Entsendung von Arbeitnehmenden:

1. Eine vom zuständigen Sozialversicherungsträger ausgestellte A1-Bescheinigung ist für Behörden und Gerichte im aufnehmenden Mitgliedstaat bindend.

2. Sie bindet so lange, bis ordnungsgemäß festgestellt wurde, dass sie zu Unrecht ausgestellt wurde und daher zu widerrufen ist.

Eine A1-Bescheinigung kann auch mit bindender Wirkung für die Vergangenheit ausgestellt werden.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Entsenderichtlinie, Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern, Unionsbürger, Sozialversicherung, Unionsrecht, Sozialversicherungskarte, A1-Bescheinigung, Wanderarbeitnehmer, Österreich, Alpenrind GmbH
Normen: VO 883/2004 Art. 12, VO 987/2009 Art. 5, VO 1244/2010
Auszüge:

[...]

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1244/2010 der Kommission vom 9. Dezember 2010 geänderten Fassung ist in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass eine vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats aufgrund von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010 geänderten Fassung ausgestellte A1-Bescheinigung nicht nur für die Träger des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, sondern auch für die Gerichte dieses Mitgliedstaats verbindlich ist.

2. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010 geänderten Fassung ist in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass eine vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats aufgrund von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010 geänderten Fassung ausgestellte A1-Bescheinigung, solange sie von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurde, weder widerrufen noch für ungültig erklärt worden ist, auch dann sowohl für die Träger der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, als auch für dessen Gerichte verbindlich ist, wenn die zuständigen Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats und des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, die Verwaltungskommission angerufen haben und diese zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Bescheinigung zu Unrecht ausgestellt wurde und widerrufen werden sollte.

Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010 geänderten Fassung ist in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass eine vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats aufgrund von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010 geänderten Fassung ausgestellte A1-Bescheinigung auch dann sowohl für die Träger der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, als auch für dessen Gerichte – gegebenenfalls rückwirkend – verbindlich ist, wenn die Bescheinigung erst ausgestellt wurde, nachdem der letztgenannte Mitgliedstaat festgestellt hat, dass der betreffende Arbeitnehmer nach seinen Rechtsvorschriften pflichtversichert ist.

3. Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein von einem Arbeitgeber zur Ausführung einer Arbeit in einen anderen Mitgliedstaat entsandter Arbeitnehmer, der dort einen anderen, von einem anderen Arbeitgeber entsandten Arbeitnehmer ablöst, im Sinne dieser Bestimmung "eine andere Person ablöst", so dass er nicht die darin vorgesehene Sonderregel in Anspruch nehmen kann, um weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zu unterliegen, in dem sein Arbeitgeber gewöhnlich tätig ist.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Arbeitgeber der beiden betreffenden Arbeitnehmer ihren Sitz im  selben Mitgliedstaat haben oder ob zwischen ihnen personelle oder organisatorische Verflechtungen bestehen.