VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 13.12.2018 - 6 K 13735/17.A - asyl.net: M27196
https://www.asyl.net/rsdb/M27196
Leitsatz:

Subsidiärer Schutz für in Deutschland geborenes libysches Kleinkind:

Infolge des andauernden innerstaatlichen Konflikts in Libyen besteht die reale Gefahr, dass ein Kleinkind aufgrund seiner altersbedingten besonderen Verwundbarkeit, der humanitären Versorgungslage und der instabilen Sicherheitslage keine zur Deckung der elementaren Bedürfnisse ausreichende Lebensgrundlage finden kann und deshalb von einem ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG bedroht ist. 

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Libyen, subsidiärer Schutz, minderjährig, Existenzgrundlage, innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, Kind, Kleinkind, Kinder, humanitäre Versorgungslage,
Normen: AsylG § 4 Abs. 1 S. 1, AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, AsylG § 4 Abs. 3 S. 1, AsylG § 4 Abs. 2, AsylG § 3c Nr. 2, AsylG § 3c nr. 3, AsylG § 3d, AsylG § 3e,
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. [...]

Die Situation in Libyen stellt sich folgendermaßen dar: [...]

Die bewaffneten Auseinandersetzungen betreffen auch Kinder. Es wird davon ausgegangen, dass 378.000 Kinder hilfsbedürftig und von Menschenhandel, Entführungen und Folter betroffen sind. 2017 wurden mindestens 37 Kinder durch unpräzise Luftangriffe, Beschuss und Explosionen, insbesondere in Flüchtlingscamps und auf Spielplätzen, getötet; 39 weitere wurden verletzt. Sie wurden vermehrt, aber nicht nur durch den IS, teilweise gegen ihren Willen von ihren Familien getrennt und gezwungen, sich an den Kämpfen zu beteiligen. Daneben wurden Kinder durch die Konfrontation mit Gewalthandlungen desensibilisiert. Kinder sind häufig Opfer von Entführungen. Bei Nichtzahlungen der Lösegeldforderungen werden Kinder in vielen Fällen gefoltert und getötet. Kinder sind von der andauernden Gewalt überproportional betroffen. Sie sind zudem bedroht von sexueller, geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt. Der Zugang zu Bildung ist durch die Konfliktsituation und die instabile Lage beeinträchtigt und auch Schulen waren Ziele von Angriffen. Viele Kinder haben aufgrund der verheerenden Auswirkungen des Konflikts Bedarf an psychologischer Betreuung (vgl. UNHCR, Position an returns to Libya [Update II] vom September 2018; Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 03.08.2018).

Der minderjährige Kläger hat jedenfalls aufgrund seines Alters einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 AsylG. Die humanitäre Versorgungssituation in Libyen ist insgesamt in Folge des andauernden innerstaatlichen Konflikts äußerst problematisch. Bei einer Rückkehr des minderjährigen Klägers nach Libyen würde die reale Gefahr bestehen, dass jedenfalls für ihn keine zur Deckung der elementaren Bedürfnisse ausreichende Lebensgrundlage zu finden wäre und er aufgrund seiner altersbedingten besonderen Verwundbarkeit, der humanitären Läge und der instabilen Sicherheitslage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einem ernsthaften Schaden bedroht wäre. Die ihn bedrohende instabile Lage ist verursacht durch Milizen, die Teile des libyschen Staatsgebiets beherrschen (§ 4 Abs. 3 S. 1, § 3c Nr. 2 AsylG) bzw. sonstige nichtstaatliche Akteure, gegenüber deren Aktionen und daraus resultierenden Folgen kein Schutz besteht, § 3c Nr. 3 AsylG. Der Kläger kann auch nicht auf einen Teil Libyens verweisen werden, in dem effektiver Schutz vor ernsthaften Schäden besteht, § 4 Abs. 3 S. 1, §§ 3d, 3e AsylG. [...]