VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 03.11.2020 - 3 B 2675/20 - asyl.net: M29140
https://www.asyl.net/rsdb/m29140
Leitsatz:

Effektiver Rechtsschutz und generalpräventives Ausweisungsinteresse:

1. Ist es dem Beschwerdeführer aufgrund der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit nicht möglich, seine Beschwerdegründe innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist vorzutragen, ist zur Wahrung der Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs. 4 GG die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer umfassenden Kontrolle zu unterwerfen.

2. Bei einem gegen die eigene Ehefrau begangenem Gewaltdelikt, das mit einer Verurteilung zu 4 Jahren Freiheitsentzug geahndet worden ist und das Ausdruck der Missachtung der Würde und Entscheidungsfreiheit einer Frau ist, sprechen auch generalpräventive Erwägungen deutlich für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Ausweisungsinteresse, Ausweisung, Gewalttat, effektiver Rechtsschutz, Frist, Fristversäumnis, Generalpräventiver Zweck, Beschwerdebegründung,
Normen: AufenthG § 53, AufenthG § 54, VwGO § 146 Abs. 4
Auszüge:

[...]

Im Hinblick darauf, dass die Anforderungen an die Beschwerdebegründung in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und die Beschränkung des Prüfungsumfangs des Beschwerdegerichts auf die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe in § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die einmonatige Begründungsfrist des § 146 Abs. 1 VwGO zugeschnitten sind, die dem Antragsteller hier aufgrund der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit jedoch nicht zur Verfügung steht, hat der Senat zur Wahrung der Rechtsschutzgarantie von Art. 19 Abs. 4 GG die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer umfassenden Kontrolle unterworfen, die nicht auf das Beschwerdevorbringen des Antragstellers zu reduzieren ist (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 2.5.2019 - 7 B 564/19 -, juris Rdnr. 9; W.R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 26. Aufl. 2020, § 146 Rdnr. 41 am Ende). [...]

Sowohl das Regierungspräsidium Darmstadt als auch das Verwaltungsgericht Gießen haben das Ausweisungsinteresse der öffentlichen Hand einerseits und das Interesse des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet andererseits ordnungsgemäß und umfassend abgewogen und zutreffend ausgeführt, dass aufgrund der Umstände der an der Ehefrau des Antragstellers begangenen Gewalttat, die zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren geführt hat, das Ausweisungsinteresse überwiegt. Dem folgt der Senat insbesondere nicht zuletzt auch aufgrund der in der Straftat zum Ausdruck kommenden Missachtung der Würde und Entscheidungsfreiheit einer Frau. [...]