OLG Hamm

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Zitieren als:
OLG Hamm, Beschluss vom 20.01.2021 - 15 W 68/20 - asyl.net: M29276
https://www.asyl.net/rsdb/m29276
Leitsatz:

Anspruch auf Korrektur des Geburtsregistereintrags sowie Folgebeurkundung:

 1. Die Vorlage eines Reisepasses ist zur Identitätsklärung grundsätzlich ausreichend. Allein der Umstand, dass im jeweiligen Herkunftsland kein sicheres Urkundswesen besteht, reicht nicht aus, um die Beweiswirkung des Nationalpasses in Frage zu stellen.

2. Nur bei substantiellen Zweifeln an der Richtigkeit der durch den Pass dokumentierten Identität, etwa aufgrund widersprechender anderer Urkunden, ist eine weitergehende Prüfung erforderlich und zulässig.

3. Einer Urkundenüberprüfung durch Vertrauensanwält*innen der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsland kommt nur dann ein Beweiswert zu, wenn Angaben zu deren Person getätigt werden und die Stellungnahme nachvollziehbare und nachprüfbare Angaben über die durchgeführten Ermittlungen enthält.

4. Eine Vaterschaftsanerkennung ist nach § 1594 Abs. 2 BGB nicht wirksam, solange eine andere Vaterschaft besteht. Vater eines Kindes ist nach § 1592 Nr. 1 BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Die rein theoretische Möglichkeit einer Ehe reicht jedoch nicht aus, um die Wirksamkeit des Anerkenntnisses in Zweifel zu ziehen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Geburtsurkunde, Geburtsregistereintrag, Personenstandsrecht, Ledigkeitsnachweis, Vaterschaftsanerkennung, Identität, Namensführung, Identitätsnachweis, Folgebeurkundung, Vertrauensanwalt, missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft, Reisepass, Pass, fehlende Geburtsurkunde,
Normen: PStG § 51 Abs. 1, FamFG § 58, PStV § 35, PStG § 48, PStG § 27 Abs. 1, BGB § 1597 Abs. 1, BGB § 1597a,
Auszüge:

[...]

I. Die Beteiligte zu 2) ist nigerianische Staatsangehörige. Sie reiste im Januar 2017 nach Deutschland ein und stellte hier einen Asylantrag. Am ... 2017 brachte sie ihren Sohn ..., den Beteiligten zu 1), zur Welt. Der Standesbeamte des Beteiligten zu 5) nahm am 11. Juli 2017 unter der Registernummer ... die Beurkundung der Geburt des Kindes vor. Die Mutter wurde dabei mit dem Familiennamen ... unter dem Zusatz "Identität nicht nachgewiesen", das Kind mit dem Geburtsnamen ... unter dem Zusatz "Namensführung nicht nachgewiesen" eingetragen. Ein Vater wurde nicht eingetragen.

Am 4. Oktober 2017 erklärte der Beteiligte zu 3) gegenüber dem Standesamt Düsseldorf zur dortigen Vorgangsnummer ... mit Zustimmung der Beteiligten zu 2) die Anerkennung der Vaterschaft für das am ... geborene Kind ...

Nachfolgend hat die Beteiligte zu 2) bei dem Beteiligten zu 5) die Streichung der einschränkenden Vermerke bei den Familien- und Geburtsnamen von Mutter und Kind sowie die Beischreibung des Beteiligen zu 3) als Kindesvater beantragt.

Als Identitätsnachweise legte die Beteiligte zu 2) zunächst eine nigerianische Geburtsbescheinigung sowie Eidesstattliche Erklärungen der Frau ..., einer Tante der Beteiligten zu 2), zu ihrem Alter, Familienstand und Familienstatus vor.

Der Beteiligte zu 5) ließ über das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Lagos ein Urkundsüberprüfungsverfahren durchführen und lehnte danach die beantragte Berichtigung und Beischreibung ab.  [...]

1. Die Streichung des einschränkenden Zusatzes "Identität nicht nachgewiesen" bei der Kindesmutter und des einschränkenden Zusatzes "Namensführung nicht nachgewiesen" bei dem Kind ... ist anzuordnen. Das Geburtsregister ist nach § 48 PStG antragsgemäß zu berichtigen, weil die Voraussetzungen für die gemäß '§ 35 PStV eingetragenen Zusätze nicht mehr vorliegen. Denn die Beteiligte zu 2) hat ihre Identität zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

Die Beteiligte zu 2) hat ihren korrekten Vornamen und Familiennamen durch die Vorlage ihres nigerianischen Passes nachgewiesen. [...]

Mit der Vorlage des echten nigerianischen Passes hat die Beteiligte zu 2) ihre darin ausgewiesene Identität nachgewiesen. [...]

Nach Vorlage des Passes bedarf es daher zum Nachweis ihrer Identität auch im Hinblick auf § 33 Nr. 2 PStV nicht noch zusätzlich der Vorlage einer Geburtsurkunde der Beteiligten zu 2). Aus Sicht des Senats erscheint eine weitergehende Prüfung nur dann zielführend, wenn dem Standesbeamten weitere Urkunden vorliegen oder sonstige Tatsachen zur Kenntnis gekommen sind, die Zweifel an der Richtigkeit der durch den Pass dokumentierten Identität rechtfertigen könnten.

Ansatzpunkte, die weitergehende Ermittlungen gebieten könnten, bestehen im gegebenen Fall nicht. Solche weitergehenden Ermittlungen können insbesondere dann geboten sein, wenn die Beweiswirkung des Nationalpasses durch andere Urkunden in Frage gestellt wird. Derartige Urkunden, die die Identität der Beteiligten zu 2) abweichend von den Angaben in dem Nationalpass bezeugen würden, liegen im gegebenen Fall nicht vor. Der Senat hat dahingehend auch die Ausländer- und Asylakten für die Beteiligten zu 2) ausgewertet. Aus diesen ergibt sich, dass die Beteiligte zu 2) in Deutschland nie unter einem anderen Namen aufgetreten, ist. Die in dem Nationalpass enthaltenen Angaben zum Namen, zum Geburtsort und zum Geburtsdatum der Beteiligten zu 2). stimmen überein mit den Angaben, die die Beteiligte zu 2) zu ihrer Person durchgehend gemacht hatte und die auch in dem in Rede stehenden Geburtsregistereintrag aufgenommen worden sind.

Alleine der Umstand, dass in dem Heimatland der Beteiligten zu 2) kein sicheres Urkundenwesen besteht, also kein solches, das die dortige Botschaft als hinreichende Grundlage für ein Legalisationsverfahren ansehen, reicht nicht aus, die Beweiswirkung des Nationalpasses in Frage zu stellen. Denn dieser Aspekt betrifft vorrangig Urkunden, die in erster Linie für den inländischen Gebrauch bestimmt sind. Ein Nationalpass ist hingegen stets auch eine staatliche Erklärung gegenüber der Staatengemeinschaft, so dass erfahrungsgemäß auch Staaten, deren innere Organisation wenig verlässlich erscheint, bei der Ausstellung von Pässen wesentlich restriktiver verfahren (Senat StAZ 2018, 123 f.).

Auch das Ergebnis der von dem Beteiligten zu 5) im Wege der Amtshilfe veranlassten Urkundenüberprüfung durch einen Vertrauensanwalt des. Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Lagos begründet Zweifel an der Richtigkeit der in dem Nationalpass ausgewiesenen Identität der Beteiligten zu 2) nicht. Angesichts des Umstandes, dass die Stellungnahme des Generalkonsulats vom 31. Juli 2018 weder Angaben zur Person des Kooperationsanwaltes, die Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der ermittelnden Person zulassen könnten, noch nachvollziehbare und nachprüfbare Angaben über die durch den Vertrauensanwalt durchgeführten Ermittlungen vor Ort enthält, kommt dieser Urkundenüberprüfung im vorliegenden gerichtlichen Personenstandsverfahrens kein brauchbarer Beweiswert zu, der die Beweiswirkung des Nationalpasses durchgreifend erschüttern könnte. [...]

2. Darüber hinaus Gegenstand des Verfahrens ist die von der Beteiligten zu 2) beantragte gerichtliche Anweisung, § 49 Abs. 1 PStG, aufgrund der Erklärung des Anerkenntnisses der Vaterschaft des Beteiligten zu 3) diesen im Wege der Folgebeurkundung gemäß § 27 Abs. 1 PStG im Geburtsregister einzutragen.

Die Voraussetzungen für die beantragte Folgebeurkundung gemäß §. 27 Abs. 1 KStG liegen vor. Die Folgebeurkundung aufgrund eines Vaterschaftsanerkenntnisses ist vom Standesamt vorzunehmen, wenn die Vaterschaftsanerkennung wirksam ist.

Die Voraussetzungen der §§ 1595 ff. BGB liegen vor.

Der Beteiligte zu 3) hat die Anerkennungserklärung vom ... in der nach § 1597 Abs. 1 BGB erforderlichen Form der öffentlichen Beurkundung abgegeben. Dies kann gem. § 44 Abs. 1 PStG auch durch den Standesbeamten erfolgen (vgl. auch § 59 BeurkG). Diesem Formerfordernis entspricht auch die Zustimmungserklärung der Beteiligten zu 2) gemäß § 1595 Abs. 1 BGB.

Auch unter Berücksichtigung der vom Standesamt bei der. Frage, ob eine Folgebeurkundung nach § 27 Abs. 1 PStG vorzunehmen ist, zu beachtenden Vorschrift des § 1594 Abs. 2 BGB bestehen nach Auswertung des gesamten Akteninhalts, § 26 FamFG, im vorliegenden Fall keine Bedenken gegen die Wirksamkeit des von dem Beteiligten zu 3) erklärten Anerkenntnisses. Zwar können sich hinsichtlich der Beurteilung des Abstammungsverhältnisses auf der Vaterseite dann besondere Schwierigkeiten ergeben, wenn die Identität eines oder beider Elternteil nicht feststeht und die Vaterschaft aus einer - angeblichen - Ehe hergeleitet werden soll (vgl. Senat FGPrax 2004, 233, 234; ebenso BayObLG StAZ 2005, 45 ff.). Im vorliegenden Fall soll sich jedoch die Vaterschaft des Beteiligten zu 3) gerade nicht auf der Basis einer Ehe ergeben, sondern aus einer Konstellation, in der die Wirksamkeit des Anerkenntnisses im Gegenteil auf dem Nichtbestehen einer Ehe bei der Mutter beruht. Ist in einer solchen Konstellation die Identität und/oder der Familienstand der Mutter zweifelhaft, können sich Bedenken gegen die Aufnahme der anerkannten Vaterschaft ergeben. Denn bei einem nicht nachgewiesenen Personenstand der Mutter ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass sie zur Zeit der Geburt mit einem anderen Mann verheiratet war, so dass gemäß § 1592 Nr. 1 BGB dessen jedenfalls rechtliche Vaterschaft bestehen würde.

Jedoch kann die Wirksamkeit des Anerkenntnisses nicht alleine aufgrund der rein theoretischen Möglichkeit einer Ehe der Kindesmutter in Zweifel gezogen werden. Insoweit handelt es sich nicht einmal um eine Besonderheit, die allein auf ausländische Kindesmütter zuträfe. Der Nachweis, nicht verheiratet zu sein, kann urkundlich ohnehin nicht geführt werden (vgl. BayObLG NJWE-FER 1998, 171). Letztlich könnte auch bei einer deutschen Staatsangehörigen nie sicher ausgeschlossen werden, dass diese im Ausland eine wirksame Ehe (Art. 13 Abs. 3, 11 Abs. 1 EGBGB) eingegangen ist, die nicht zur Kenntnis der deutschen Behörden gelangt ist (vgl. beispielsweise den Fall OLG Hamm - 4.Familiensenat - NJW 1988, 3097). Insoweit stellt sich das allgemeine Problem, dass es hier um die Feststellung einer Negativtatsache geht. Ob Anlass besteht, an den Angaben der Kindesmutter, nicht verheiratet zu sein, zu zweifeln, ist eine Frage der tatsächlichen Wertung der konkreten Umstände des Einzelfalls.

Die Beteiligte zu 2) hat seit ihrer Einreise nach Deutschland durchgehend angegeben, nicht verheiratet zu sein. Anhaltspunkte für eine Eheschließung finden sich auch nicht in der Ausländerakte der Beteiligten zu 2). Der von den Beteiligten zu 4) und 5) gezogenen Schlussfolgerung, wonach bei nigerianischen Frauen in dem Alter der Beteiligten zu 2) davon auszugehen sei, dass sie verheiratet seien, insbesondere wenn sie schwanger nach Deutschland einreisen, folgt der Senat ausdrücklich nicht. Vor diesem Hintergrund bestehen für die Vornahme der beantragten Folgebeurkundung keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der kontinuierlichen Angaben der Beteiligten zu 2) zu ihrem ledigen Personenstand. Dabei ist auch zu bedenken, dass die nach § 27 Abs. 1 PStG vorzunehmende Eintragung keine konstitutive, sondern nur eine deklaratorische Wirkung hat (vgl. OLG Zweibrücken StAZ 2013, 87).

Danach ist davon auszugehen, dass die Vaterschaftsanerkennung durch den Beteiligten zu 3) wirksam geworden ist und dessen rechtliche Vaterschaft begründet hat. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kommt es im vorliegenden Verfahren insoweit auf die Frage, ob der Beteiligte zu 3) auch der leibliche Vater des Kindes ist, nicht an. Eines Abstammungsgutachtens bedarf es daher nicht.

Das Beschwerdeverfahren ist auch nicht wegen konkreter Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 1597a Abs. 2 S. 1 BGB auszusetzen. Mit "beurkundender Behörde" und "Urkundsperson" sind die Stellen gemeint (§ 20 Abs. 1 S. 1 BNotO; § 59 Abs. 1 S. 1 Nr.1 SGB VIII, § 44 Abs. 1 PStG, § 10 Abs. 1 Nr. 1 KonsG), welche die Anerkennungserklärung des Mannes nach § 1592 Nr. 2 BGB oder, wie sich aus § 1597a Abs. 4 BGB ergibt, die Zustimmungserklärung der Mutter nach § 1595 Abs. 1 BGB beurkunden sollen. Ist die Beurkundung - wie hier - nicht ausgesetzt, sondern vorgenommen worden, ist nicht etwa das Verfahren über die Beurkundung im Geburtenregister (§ 21 PStG) oder ein hierauf bezogenes Berichtigungsverfahren (§ 48 PStG) auszusetzen (KG FamRZ 2020, 1478; a.A. aber OLG Köln, FamRZ 2019). Statusrechtlich könnte eine nachträgliche Missbrauchsfeststellung der Ausländerbehörde gemäß § 85a Abs. 1 S. 2 AufenthG keine Wirkung entfalten. Die bereits erfolgte Beurkundung der Willenserklärungen nach den §§ 1592 Abs. 1 Nr. 2, 1595 Abs. 1 BGB kann daher nicht mehr abgelehnt werden (§ 1597a Abs. 2 S. 4 BGB). [...]