VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 14.12.2020 - 2 A 339/18 - asyl.net: M29290
https://www.asyl.net/rsdb/m29290
Leitsatz:

Keine generelle politische Verfolgung für Mitglieder der Biplop- oder Biplav-Parte in Nepal:

1. Mitglieder der Biplop- oder Biplav-Partei, einer radikalen Abspaltung der Kommunistischen Partei Nepals, werden nur im Zusammenhang mit konkreten Straftaten verfolgt.

2. Die Corona-Pandemie hat Nepal nicht so schwer getroffen, dass sie ein Abschiebungsverbot, sei es wegen der Infektionsgefahr oder der wirtschaftlichen Auswirkungen, rechtfertigen würde.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Nepal, Biplop-Partei, Biplav-Partei, Corona-Virus, politische Verfolgung,
Normen: AdylG § 3, AufenthG § 60 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen existiert unter der Führung von Netra Bikram Chand genannt Biplab oder Biplop (engl.: Biplav) eine Splittergruppe der CPN Maoisten. Sie nennt sich "Kommunistische Partei von Nepals Maoisten" bzw. "Communist Party of Nepal Maoist" (CPN Maoist). Die CPN spaltete sich 2015 von der ehemaligen Kommunistischen Partei Nepals (Maoistisches Zentrum) ab (US Department of State, Jahresbericht zu Terrorismus (Berichtszeitraum 2019) vom 24.06.2020). Die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei CPN-MC ist seit den Ende 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen Regierungspartei (BFA, Länderinformationsblatt vom 27.03.2018, S. 6). Zu Verhaftungen von Mitgliedern der von Chand geführten Splittergruppe kam es im Nachgang zu gewaltsamen Aktivitäten, insbesondere Brandanschlägen und Versuchen, gewaltsam Geschäfte zu schließen. Die Sicherheitsbehörden haben spezielle Teams gebildet, um die Anführer der Netra Bikram Chand-Gruppe zu identifizieren und zu verhaften (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Anfragebeantwortung vom 24.03.2017, S. 7 ff.; US Department of State (USDOS), Jahresbericht zu Terrorismus (Berichtszeitraum 2017) vom 19.09.2018). Zwar erfolgten und erfolgen noch weitere Verhaftungen von Biplop-Mitgliedern, jedoch ergibt sich sowohl aus den von dem Kläger selbst vorgelegten Unterlagen (Meldungen des Onlinekhabar) als auch aus den vorliegenden Erkenntnismitteln, dass die Verhaftungen grundsätzlich in Zusammenhang mit verübten Straftaten erfolgten bzw. erfolgen. So geht aus dem Jahresbericht zu Terrorismus (Berichtszeitraum 2019) des US Department of State vom 24.06.2020 hervor, dass die nepalesischen Sicherheitsdienste weiterhin die Biplop-Gruppe überwachen, eine aufständische Gruppe, die manchmal auch mit Terrorismus versucht, ihre Ziele zu erreichen. So gehörten 2019 zu den terroristischen Vorfällen kleine Bombenanschläge an verschiedenen Orten im ganzen Land, für die die Behörden die Biplop-Gruppe verantwortlich machten. Bei den Anschlägen wurden kleine, echte oder gefälschte IEDs (Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen) verwendet. Insgesamt schrieb die Botschaft Kathmandu mit Unterstützung nepalesischer Strafverfolgungskontakte der Biplop-Gruppe im Jahr 2019 schätzungsweise 34 IEDs, 5 Hoaxes (Falschmeldungen) und 29 Brandanschläge zu. Das ganze Jahr über organisierte Biplop zahlreiche landesweite Proteste, die häufig von IED-Angriffen und anderen Formen der Gewalt begleitet wurden. Die Proteste führten zu einer Serie von drei Sprengstoffanschlägen auf Regierungsbüros und das Hauptquartier der Nepal Communist Party (NCP, nicht zu verwechseln mit der Communist Party of Nepal) in Kathmandu, bei denen vier Menschen getötet und sieben verletzt wurden. Das Innenministerium gab bekannt, dass 15 Biplop-Mitglieder im Zusammenhang mit den Explosionen verhaftet worden seien. Des weiteren kam es in ganz Nepal zu einer Serie von IED- oder Brandanschlägen, unter anderem auf Mobilfunkmasten des Telekommunikationsdienstleisters Ncell, bei denen auch Menschen getötet und verletzt wurden. Dafür, dass Mitglieder der Splittergruppe wegen friedlicher Demonstrationen oder allein wegen ihrer Mitgliedschaft von nepalesischen Sicherheitsbehörden verhaftet wurden oder werden, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dagegen spricht auch, dass die nepalesische Regierung, wie auch von dem Kläger selbst mitgeteilt, versucht, mit der Biplop-Partei zu verhandeln. Selbst wenn viele Anhänger der Partei verhaftet worden sind, so sind diejenigen, gegen die kein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde, wieder entlassen worden (vgl. english.onlinekhabar.com/nepal-police-arrests-540-biplav-cadres-in-past-one-year.html). Es ist damit nicht ersichtlich, dass Biplop-Mitglieder, die sich an keinen straf¬ baren Handlungen beteiligt haben, grundlos festgenommen und inhaftiert werden. Eine Verfolgung des Klägers allein wegen seiner - zu seinen Gunsten angenommen - Mitgliedschaft in der Biplop-Partei ist damit nicht beachtlich wahrscheinlich. [...]

Schließlich liegen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht vor. [...]

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Folgen der Corona-Pandemie. Zwar ist infolge der Pandemie mit einer Verschlechterung der Gesamtwirtschaftslage in Nepal zu rechnen, jedoch liegen im Entscheidungszeitpunkt keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Versorgungslage derart kritisch ist, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen wäre, dass der Kläger in Nepal sein Existenzminimum nicht sichern können wird. Der Kläger hat einen Hochschulabschluss und gehört der höchsten Kaste in Nepal an, so dass davon auszugehen ist, dass er seinen Lebensunterhalt sichern können wird. Im Übrigen lebt noch seine Familie in Nepal, so dass auch familiäre Unterstützung erwartet werden kann. [...]