Flüchtlingsanerkennung für einen Reservisten der syrischen Armee:
1. Trotz seines fortgeschrittenen Alters von damals 52 Jahren musste der Kläger im Jahr seiner Ausreise aus Syrien 2015 damit rechnen, zum Militärdienst mobilisiert zu werden.
2. Da er seinen Wehrdienst in exponierter Stellung beim Geheimdienst der Luftwaffe geleistet hatte, muss er damit rechnen, im Rahmen des Militärdienstes an Kriegsverbrechen beteiligt zu werden.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Bezogen auf die in der Person des Klägers liegenden Umstände ist festzuhalten, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise zwar formal nicht mehr im Status eines Reservisten befunden hatte, da er bereits 52 Jahre alt war. Jedoch ist das Gericht auf Grundlage der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse davon überzeugt, dass es jedenfalls im Jahr 2015 beachtlich wahrscheinlich war, dass auch Männer im Alter des Klägers Reservedienst leisten mussten. Der Kläger selbst gab in der mündlichen Verhandlung an, dass das Alter seinerzeit keine Rolle gespielt habe. Ferner führte der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Befragung durch das Gericht aus, dass er seinen Wehrdienst beim Geheimdienst der Luftwaffe geleistet hätte. Es habe sich um eine sehr vertrauliche Stellung gehandelt, die nach seiner Einschätzung dazu geführt habe, dass man ihn im Jahr 2015 erneut für die syrische Armee habe rekrutieren wollen. Insoweit sei er als ehemaliger Angehöriger des Geheimdienstes angeschrieben worden, damit er wieder für diese tätig werde. In der Folge sei auch die Militärpolizei zu ihm nach Hause gekommen und habe ihn aufgefordert, sich dem Volkskomittee, einer Art Miliz, die dem syrischen Militär unterstehe, anzuschließen. Er habe daraufhin mit Hilfe eines Schleusers illegal das Land verlassen. Aus religiösen Gründen lehne er es ab, sich dem Regime anzuschließen.
Vor diesem Hintergrund ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger den Militärdienst als Reservist verweigert hat und auch tatsächlich noch verweigern konnte, da er aufgrund seines Alters und seiner Vorerfahrung aus dem Wehrdienst im Jahr 2015 als Reservist in die syrische Armee rekrutiert werden sollte. Das Gericht hat keinen Anlass, an den diesbezüglichen Angaben des Klägers zu zweifeln.
Ebenso ist das Gericht davon überzeugt, dass der sich Kläger im Falle seiner Rekrutierung im Jahr 2015 mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mittelbar oder unmittelbar an Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit hätte beteiligen müssen, zumal er als ehemaliger Wehrpflichtiger im Bereich des Geheimdienstes der Luftwaffe in exponierter Stellung tätig war. Nach der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg umfasste der syrische Bürgerkrieg zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers aus Syrien im Herbst 2015 Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die auch durch die syrische Armee unter Einsatz von Wehrpflichtigen begangen wurden (OVG Berlin-Brandenburg, aaO, Rn. 58f., juris). Dieser Beurteilung schließt sich das erkennende Gericht auf der Grundlage der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse über die Lage in Syrien an. [...]