OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 11.03.2021 - 6 Bs 224/20 - asyl.net: M29675
https://www.asyl.net/rsdb/m29675
Leitsatz:

Zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für Kinder im Ermessenswege:

Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für Kinder im Ermessenswege nach § 35 Abs. 3 S. 2 AufenthG setzt voraus, dass alle Erteilungsvoraussetzungen nach § 35 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind und der Erteilung nur die Ausschlussgründe des § 35 Abs. 3 S. 1 AufenthG entgegenstehen.

(Leitsätze der Redaktion; im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 15.08.2019 - 1 C 23.18 - asyl.net: M27652)

Schlagwörter: Kindernachzug, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, eigenständiges Aufenthaltsrecht, Niederlassungserlaubnis, Sicherung des Lebensunterhalts, Ausbildung, Ausschlussgrund,
Normen: AufenthG § 35 Abs. 3, AufenthG § 35 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

14 aa) Zum Zeitpunkt der Antragstellung lagen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG nicht vor. Denn der Lebensunterhalt des Antragstellers war nicht gesichert und er hat sich auch nicht in einer Ausbildung befunden, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss geführt hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen (Beschluss S. 7 ff.). Da somit bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht vorlagen, ist § 35 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AufenthG tatbestandlich nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.8.2019, 1 C 23.18, BVerwGE 166, 219, juris Rn. 14). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 15.8.2019, 1 C 23.18, BVerwGE 166, 219, juris) hat sich von dem vom Antragsteller geltend gemachten Verständnis des § 35 AufenthG abgegrenzt und ausgeführt, dass die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AufenthG nach pflichtgemäßem Ermessen nach dem Regelungszusammenhang bei ungesichertem Lebensunterhalt nur zur Anwendung kommt, wenn der Antragsteller noch unter die für minderjährige Ausländer getroffene, stärker privilegierende Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG falle; denn die durch § 35 Abs. 3 AufenthG in der Sache bewirkte Rückstufung des gebundenen Anspruchs auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zu einem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis setze einen sonst gegebenen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis voraus, der in den Fällen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG aber schon tatbestandlich entfalle, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert sei und der Ausländer sich auch nicht in einer privilegierten Ausbildung i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG befinde (BVerwG, Urt. v. 15.8.2019, 1 C 23.18, BVerwGE 166, 219, juris Rn. 14; vgl. auch: VGH Mannheim, Beschl. v. 22.10.2020, 11 S 1812/20, juris). Dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Normverständnis des § 35 AufenthG folgt der beschließende Senat. [...]