VGH Baden-Württemberg

Merkliste
Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.2021 - 11 S 3759/20 - asyl.net: M29761
https://www.asyl.net/rsdb/m29761
Leitsatz:

Berücksichtigung auch einer erst im Aufbau begriffenen Eltern-Kind-Beziehung bei Vorliegen eines Ausweisungsinteresses:

"Bei der Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist auch eine erst im Aufbau begriffene Beziehung des Vaters zu seinem Kind, die den Schutz aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG genießt, im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 AufenthG als möglicher atypischer Fall, der eine Ausnahme vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzungen begründen kann, entsprechend dem ihr zukommenden Gewicht zu berücksichtigen."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Straftat, Eltern-Kind-Verhältnis, atypischer Ausnahmefall, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Sicherung des Lebensunterhalts, Schutz von Ehe und Familie, Ausweisung, Wiederholungsgefahr, Ausweisungsinteresse,
Normen: AufenthG § 5 Abs. 1, GG Art. 6 Abs. 1, GG Art. 6 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Zwar macht der Antragsteller zu Recht geltend, dass das Verwaltungsgericht die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG nicht hinreichend berücksichtigt habe ((1)). Im Ergebnis steht die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis aber auch mit Blick auf dieses Grundrecht nicht außer Verhältnis zu der vom Antragsteller ausgehenden Gefährlichkeit ((2)).

(1) Bei der Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist auch eine erst im Aufbau begriffene Beziehung des Vaters zu seinem Kind, die den Schutz aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG genießt, im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 AufenthG als möglicher atypischer Fall, der eine Ausnahme vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzungen begründen kann, entsprechend dem ihr zukommenden Gewicht zu berücksichtigen. Die Pflicht zur Beachtung verfassungsrechtlicher Direktiven ((a)) bedeutet im Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, der nicht erst durch den Vollzug der Ausreisepflicht berührt wird, sondern bereits durch die Beendigung der Legalität des Aufenthalts des Ausländers ((b)), dass die Bedeutung der von den Regelerteilungsvoraussetzungen betroffenen öffentlichen Interessen im Einzelfall zum Gewicht der tatsächlich gelebten ehelichen oder familiären Beziehungen des Ausländers ins Verhältnis gesetzt werden muss ((c)).

(a) Nach § 5 Abs. 1 AufenthG müssen die dort genannten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen "in der Regel" vorliegen. Liegt ein Regelfall vor und fehlt es an einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung, darf der Aufenthaltstitel nicht erteilt werden. Handelt es sich dagegen um einen Ausnahmefall, ist von der betroffenen Erteilungsvoraussetzung abzusehen und muss der Aufenthaltstitel, wenn es sich um einen strikten Rechtsanspruch handelt, erteilt werden. § 5 Abs. 1 AufenthG räumt kein Ermessen ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 3.08 -, juris Rn. 10 ff.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt bei besonderen, atypischen Umständen vor, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, aber auch dann, wenn entweder aus Gründen höherrangigen Rechts wie Art. 6 oder Art. 2 Abs. 1 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRCh die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis geboten ist (BVerwG, Urteil vom 15.08.2019 - 1 C 23.18 -, juris Rn. 30; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 18.11.2020 - 11 S 2637/20 -, juris Rn. 56, und vom 14.01.2020 - 11 S 2956/19 -, juris Rn. 20). [...]

(b) Ein am Maßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in das jeweils betroffene Grundrecht liegt bei allen den Ausländer belastenden Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.06.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 15). Dazu gehört nicht nur der Vollzug der Ausreisepflicht (§ 50 Abs. 1 AufenthG) durch Abschiebung (§ 58 AufenthG), der zum zwangsweisen Verlassen des Bundesgebiets und ggf. zur räumlichen Trennung des Ausländers von Familienangehörigen führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.2018 - 2 BvR 941/18 -, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 10.03.2021 - 10 CE 20.2030 -, juris Rn. 20 ff.). Grundrechtseingriffe sind darüber hinaus auch bereits die dem vorausgehenden Maßnahmen, die über die Rechtmäßigkeit des (weiteren) Aufenthalts des Ausländers in Deutschland entscheiden. Dazu gehören Entscheidungen über Anträge auf Erteilung oder Verlängerung sowie über die Aufhebung oder Verkürzung von Aufenthaltstiteln (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 05.06.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 15, vom 17.05.2011 - 2 BvR 1367/10 -, juris Rn. 16, vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 -, juris Rn. 88, und vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, juris Rn. 24; BVerwG, Urteil vom 15.08.2019 - 1 C 23.18 -, juris Rn. 30), asylrechtliche Statusentscheidungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.06.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 15) sowie die Ausweisung, die das Erlöschen eines Aufenthaltstitels bewirkt (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und zur Anordnung einer Titelerteilungssperre führt (§ 11 Abs. 1 AufenthG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.08.2020 - 2 BvR 640/20 -, juris Rn. 23). Ein Grundrechtseingriff wird auch, aber nicht erst durch die Vollziehung der Ausreisepflicht bewirkt, sondern liegt bereits in der behördlichen Entscheidung über die Entstehung oder den Fortbestand der Ausreisepflicht. Denn ein belastender Verwaltungsakt entfaltet seine grundrechtsbeschränkende Wirkung nicht erst mit seiner Vollstreckung, sondern bereits mit seinem Erlass.

Dementsprechend kann dem durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützten Kontakt des Ausländers zu seinen in Deutschland lebenden Familienmitgliedern (nur) durch Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG) Rechnung getragen werden, wenn die jeweils einschlägigen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen dazu führen, dass bei der Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis eine abwägende Einzelfallentscheidung weder durch Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe noch durch die Ausübung von Ermessen ermöglicht wird, wie dies im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 3 AufenthG der Fall sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 29). Ermöglichen die anwendbaren aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen dagegen eine die Umstände des jeweiligen Falles berücksichtigende Einzelfallentscheidung, wie dies etwa bei § 5 Abs. 1 ("in der Regel"), § 5 Abs. 2 Satz 2 sowie § 5 Abs. 3 Satz 2 und § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (jeweils "kann") der Fall ist, sind die aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG folgenden Gewährleistungen zur Geltung zu bringen.

Dies gilt aufgrund des dargestellten Eingriffscharakters von Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Ausländers auch dann, wenn dieser einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung hat (dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.03.2021 - 11 S 3421/20 -, juris Rn. 29 ff.). Die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG kann in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren, in dem um die Legalität des Aufenthalts des Ausländers gestritten wird, nicht mit Verweis darauf reduziert werden, dass der Ausländer jedenfalls zu dulden ist. Indem der Gesetzgeber zwischen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (§§ 3 ff. AufenthG) und der Rechtmäßigkeit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung (§§ 60a ff. AufenthG) unterscheidet, beide aber nicht in ein Verhältnis der Alternativität stellt, weil sowohl der weitere Aufenthalt als auch dessen Beendigung rechtswidrig sein können, ermöglicht er vielmehr eine differenzierende Berücksichtigung der Wirkungen der aufenthaltsrechtlichen Maßnahme am Maßstab des betroffenen Grundrechts.

(c) Art. 6 Abs. 1 schützt namentlich die Freiheit der Eheschließung und der Familiengründung sowie das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet die Wahrnehmung der Elternverantwortung im Interesse des Kindeswohls (BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 -, juris Rn. 84, 97). Dabei ist jedes Mitglied der Familie berechtigt, Eingriffe in die eheliche oder familiäre Gemeinschaft geltend zu machen, weil dieses Grundrecht auch die Freiheit des Einzelnen in der gelebten Gemeinschaft sowie den Erhalt dieser Gemeinschaft schützt (BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 -, juris Rn. 89 ff.).

Art. 6 GG gewährt keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings gewährt dieses Grundrecht einen Anspruch darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren die familiären Bindungen des Ausländers an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 05.06.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 12, und vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 -, juris Rn. 14; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 30.03.2021 - 11 S 3421/20 -, juris Rn. 21, und vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 30).

Aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit der Familienmitglieder. Bei der Bewertung der familiären Beziehungen kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte (BVerfG, Beschluss vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 -, juris Rn. 15; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 30, und vom 28.03.2019 - 11 S 623/19 -, juris Rn. 14). Bei der Würdigung der Eltern-Kind-Beziehung ist bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen grundsätzlich davon auszugehen, dass der Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen und das Kind beide Eltern braucht (BVerfG, Beschluss vom 22.05.2018 - 2 BvR 941/18 -, juris Rn. 7).

Die familiäre (Lebens-)Gemeinschaft zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind ist getragen von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das auch einen nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BVerfG, Beschluss vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 -, juris Rn. 16 f.). Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt (BVerfG, Beschluss vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 -, juris Rn. 15; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.09.2018 - 11 S 240/17 -, juris Rn. 75). Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (BVerfG, Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, juris Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 58 ff.). [...]

(2) Aus diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen folgt angesichts der Umstände des vorliegenden Falles nicht, dass dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist. Ein atypischer Fall im Sinne des § 5 Abs. 1 AufenthG liegt nicht vor. Zwar kann der Antragsteller mit Blick auf die Autonomie der Familie hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer innerfamiliären Beziehungen nicht von vornherein darauf verwiesen werden, Kontakt zu seinem Kind durch Fernkommunikation und gelegentliche Besuche zu unterhalten ((a)). Jedoch steht die Nichterteilung eines neuerlichen Aufenthaltstitels unter Berücksichtigung des Gewichts der Beziehung des Antragstellers zu seinem Kind angesichts der von ihm ausgehenden Gefahr nicht außer Verhältnis zum dadurch verfolgten Schutz der Allgemeinheit ((b)).

(a) Der Senat teilt die Zweifel des Antragstellers an der diesbezüglichen Begründung des Verwaltungsgerichts. [...]

Kann der Antragsteller plausibel darlegen, dass er seine Vaterschaft durch persönlichen Umgang tatsächlich leben wird, nachdem die Vaterschaft erst jüngst geklärt und in der Folge der Umgang gerade erst aufgenommen worden ist, kann ihm der Schutz aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG nicht allein mit dem Verweis auf die Vergangenheit versagt werden.

Mit Blick auf die Ausgestaltung der künftigen Vater-Kind-Beziehung entspricht es nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, den Ausländer auf eine von der Ausländerbehörde oder dem Gericht für ausreichend erachtete Art des Kontakts zu verweisen. Sollte das Verwaltungsgericht seinen Erwägungen zugrundegelegt haben, dass Besuche zwischen Vater und Sohn bei einem Aufenthalt beider in Deutschland einerseits und im Falle einer Abschiebung des Antragstellers nach Bosnien und Herzegowina andererseits im Wesentlichen vergleichbar seien, so dass es an einer relevanten Beeinträchtigung des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG fehle, läge dies fern. Eine solche Annahme berücksichtigte nicht die absehbaren praktischen Schwierigkeiten und die dadurch bedingte geringere Frequenz von Reisen zwischen Bosnien und Herzegowina und Deutschland.

Sollte das Verwaltungsgericht eine relevante Beeinträchtigung des Grundrechts deshalb verneint haben, weil Kontakte über Fernkommunikationsmittel aus seiner Sicht ausreichend seien, verkennte dies die durch das Grundrecht geschützte Autonomie der Familie hinsichtlich der Ausgestaltung der innerfamiliären Beziehungen. Entscheidend ist nicht, ob Ausländerbehörde oder Verwaltungsgericht eine trotz Trennung mögliche Art der Kommunikation für ausreichend erachten. Es kommt vielmehr darauf an, ob die durch die angegriffene Maßnahme verursachte Beeinträchtigung der vom Betroffenen und seiner Familie tatsächlich gelebten Beziehung aufgrund der Umstände des jeweiligen Falles gerechtfertigt ist.

(b) Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass das konkrete Gewicht der im vorliegenden Fall durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützten privaten Interessen hinter dem öffentlichen Interesse, das mit der Ablehnung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird, zurückbleibt.

Der Senat unterstellt zugunsten des Antragstellers, dass dieser, wie behauptet, künftig Umgang mit dem 2010 geborenen Kind pflegen möchte, nachdem seine Vaterschaft erst jüngst gerichtlich festgestellt worden ist, und dass er insbesondere anstrebt, das Kind regelmäßig zu besuchen, Freizeitaktivitäten mit diesem unternehmen und gemeinsam an Familienfeiern teilzunehmen.

Die Gewichtung dieser Beziehung hat indes den Umstand einzubeziehen, dass der Antragsteller bisher keine näheren Bindungen zu seinem Sohn entwickelt hat und der Sohn bereits elf Jahre alt ist. Im Gegensatz zu sehr kleinen Kindern lässt die Bedeutung des Beitrags des Vaters zur Entwicklung bei Kindern, die am Beginn der Pubertät stehen, immer mehr nach. Sie ist dieser zwar nach wie vor förderlich. Jedenfalls dann, wenn der Vater, wie vorliegend der Antragsteller, am bisherigen Leben des Kindes keinen maßgeblichen Anteil hatte und das Kind sein Leben bis dato ohne den Vater verbracht hat, hat der Aufbau einer künftigen Beziehung aber eine weitaus geringere Tragweite als etwa aufenthaltsrechtlich bedingte räumliche Trennungen von Eltern und ihren Kindern, die bislang eine familiäre Gemeinschaft gepflegt haben. Denn selbst die Nichtaufnahme einer Beziehung des Vaters zum Kind führt in jenem Fall zu keiner wesentlichen Änderung der Lebensumstände beider.

Im Verhältnis dazu wiegen die öffentlichen Interessen, die mit der Nichterteilung einer Aufenthaltserlaubnis verfolgt werden, im vorliegenden Fall schwerer. Vom Antragsteller geht weiterhin die erhebliche Gefahr der Begehung von Straftaten aus, die auf seine Betäubungsmittelabhängigkeit zurückzuführen ist, die bislang nicht professionell behandelt wird. Für die nähere Zukunft ist daher vom Fortbestand dieser erheblichen Gefahr für die Allgemeinheit auszugehen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zunächst allein dazu führt, dass der Aufenthalt des Antragstellers nicht mehr erlaubt ist. Die bloße Versagung der weiteren Legalisierung des Aufenthalts des Antragstellers steht aber nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Beziehung des Antragstellers zu seinem elfjährigen Kind, die gegenwärtig, den Vortrag des Antragstellers als wahr unterstellt, allenfalls am Beginn ihrer Entwicklung steht.

(c) Ob angesichts der Beziehung zu seinem Sohn auch die Abschiebung des Antragstellers und damit die tatsächliche Trennung von Vater und Sohn zulässig sind und der Antragsteller daher einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) hat, ist vorliegend nicht zu entscheiden. [...]