OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 22.06.2021 - 2 B 166/21 - asyl.net: M29766
https://www.asyl.net/rsdb/m29766
Leitsatz:

Zur fehlenden Anwesenheit einer Vertrauensperson bei qualifizierter Inaugenscheinnahme:

"1. Informiert das Jugendamt den Betroffenen nicht über die Möglichkeit, eine Vertrauensperson zur qualifizierten Inaugenscheinnahme hinzuzuziehen, führt dies nur dann zur Aufhebung des Bescheides über die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Alterseinschätzung bei Anwesenheit einer Vertrauensperson anders ausgefallen wäre (vgl. § 42 Satz 1 SGB X).

2. Auf die Altersfeststellung nach § 42f SGB VIII ist Art. 25 Richtlinie 2013/32/EU jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn der Betroffene keinen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Gleiches gilt für Art. 41 EUGrCh.

3. Anhörung (§ 24 SGB X) und qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42f Abs. 1 SGB VIII) sind auch dann, wenn sie örtlich und zeitlich zusammenfallen, unterschiedliche Verfahrenshandlungen. Verstöße gegen § 42f Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 42 Abs. 2 Satz 2 oder § 8 Abs. 1 SGB VIII sind daher keine Anhörungsfehler im Sinne des § 42 Satz 2 SGB X."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Altersfeststellung, unbegleitete Minderjährige, Asylverfahren, Unionsrecht, Vertrauensperson, Hinweispflicht, Asylantrag, unerlaubte Einreise, Inobhutnahme, Verfahrensfehler,
Normen: SGB X § 42 S. 1, SGB VIII § 42, RL 2013/32/EU Art. 25, GR-Charta Art. 41,
Auszüge:

[...]

Gemäß § 42f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII findet § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII im Altersfeststellungsverfahren entsprechende Anwendung. Nach dieser Vorschrift ist dem Kind oder Jugendlichen unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Die Möglichkeit, bereits im Altersfeststellungsverfahren eine Vertrauensperson hinzuzuziehen, dient der Wahrung der Beteiligungsrechte des Betreffenden unter besonderer Beachtung des Kindeswohls. Die effektive Durchsetzung dieses Rechts verlangt, dass die Betreffenden von Seiten des Jugendamtes im Vorfeld der qualifizierten Inaugenscheinnahme so rechtzeitig über die Möglichkeit, eine Vertrauensperson zu benachrichtigen, informiert werden, dass es ihnen möglich ist, die Vertrauensperson noch im Vorfeld der Inaugenscheinnahme zu benennen und zu kontaktieren. Der Vertrauensperson muss die Anwesenheit bei der qualifizierten Inaugenscheinnahme grundsätzlich gestattet werden (OVG Bremen, Beschl. v. 26.04.2021 – 2 B 62/21, juris Rn. 11).

Das Verfahren der qualifizierten Inaugenscheinnahme des Antragstellers wird diesen  Vorgaben nicht gerecht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ihn vor dem Gespräch am 17.08.2020 über die Möglichkeit informiert hat, eine Person des Vertrauens hinzuzuziehen. Das Gesprächsprotokoll enthält hierauf keinen Hinweis. Die Antragsgegnerin behauptet auch nicht, dass eine solche Information stattgefunden habe.

b. Der Verstoß gegen das Verfahrensrecht des Antragstellers führt hier, anders als die Beschwerde annimmt, nicht dazu, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen wäre. Gemäß § 42 Satz 1 SGB X kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der – wie vorliegend – nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Der danach erforderliche hypothetische Kausalzusammenhang setzt die nach den Umständen des Einzelfalls bestehende konkrete Möglichkeit voraus, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre; die bloß abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht (vgl. zu § 46 VwVfG BVerwG, Urt. v. 12.11.2020 – 4 A 13/18, juris Rn. 25 m.w.N.). [...]

2. Die Auffassung des Antragstellers, § 42 Satz 1 SGB X dürfe auf Verstöße gegen die Pflicht zur Information über die Möglichkeit der Benachrichtigung einer Vertrauensperson nicht angewandt werden, überzeugt zumindest in seinem Fall nicht.

a) Die Anwendung des § 42 SGB X im Rahmen der §§ 42a, 42f SGB VIII verstößt jedenfalls im vorliegenden Fall weder gegen Art. 41 Abs. 2 EUGrCh noch gegen Art. 25 Abs. 1 RL 2013/32/EU. Beide Vorschriften sind nicht anwendbar.

Nach Art. 41 Abs. 1 EUGrCh hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden. Nach Art. 41 Abs. 2 lit. a EUGrCh umfasst dieses Recht insbesondere das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird.

Der unmittelbare Anwendungsbereich des Art. 41 EUGrCh beschränkt sich nach dem klaren Wortlaut des Absatzes 1 auf Verfahren vor Organen, Einrichtungen und Stellen der Europäischen Union (st. Rspr. des EuGH, vgl. zuletzt Urt. v. 26.03.2020 – C 496/18, juris Rn. 63 m.w.N.). Allerdings ist sein sachlicher Gehalt auch in mitgliedstaatlichen Verfahren bei der Durchführung von Unionsrecht als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts zu beachten (EuGH, Urt. v. 08.05.2014 – C-604/12, juris Rn. 49 f.).

Bei der vorläufigen Inobhutnahme unbegleiteter, nach eigenen Angaben minderjähriger Ausländer (§ 42a SGB VIII) und bei der in diesem Rahmen vorzunehmenden Altersfeststellung (§ 42f SGB VIII) handeln die Jugendämter jedenfalls dann nicht in "Durchführung von Unionsrecht", wenn die Betroffenen keinen Antrag auf internationalen Schutz stellen.

Eine Durchführung von Unionsrecht liegt (nur) in unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen vor, also dann, wenn eine ausreichende Anknüpfung an das Unionsrecht besteht, wenn die Aktivität der Mitgliedstaaten konkret zu einer Anwendung des Unionsrechts führt bzw. wenn ein hinreichender Zusammenhang von einem gewissen Grad besteht (Jarass, EUGrCh, 4. Aufl. 2021, Art. 51 Rn. 23 m.w.N.). Der hinreichende Zusammenhang fehlt, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Sachbereich keine bestimmten Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schaffen (Jarass, EUGrCh, 4. Aufl. 2021, Art. 51 Rn. 24 m.w.N.). Unzureichend ist, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder einer von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann (Jarass, EUGrCh, 4. Aufl. 2021, Art. 51 Rn. 25 m.w.N.).

Es ist nicht ersichtlich, dass die (vorläufige) Inobhutnahme von Personen, die behaupten, minderjährige unbegleitete Ausländer zu sein, unionsrechtlich geregelt ist. Die Ausgestaltung des Kinder- und Jugendhilferechts obliegt ausschließlich dem deutschen Gesetzgeber (Kepert/ Dexheimer, in: Kunkel/ Kepert/ Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 42f Rn. 6). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die betroffene Person – wie hier – in Deutschland keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Als einzige (angeblich) einschlägige unionsrechtliche Vorschrift nennt die Beschwerde Art. 25 der "Asylverfahrensrichtlinie" 2013/32/EU. Die dort geregelten Garantien für unbegleitete Minderjährige gelten indes nach dem klaren Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 RL 2013/32/EU nur in "Verfahren nach Maßgabe dieser Richtlinie". Die Richtlinie gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 nur für Anträge auf internationalen Schutz. Damit sind Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Gewährung subsidiären Schutzes gemeint (Art. 2 lit. b RL 2013/32/EU). Einen solchen Antrag hat der Antragsteller nicht gestellt. Er hat gegenüber dem Jugendamt vielmehr ausdrücklich angegeben, wegen "Perspektivlosigkeit" nach Deutschland gekommen zu sein (vgl. Bl. 19 d. Verwaltungsvorgangs). Überdies wäre die Gewährung von Jugendhilfe nicht Teil des Asylverfahrens. Asylverfahren und Jugendhilfeverfahren werden von unterschiedlichen Behörden unterschiedlicher Rechtsträger auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen durchgeführt und verfolgen unterschiedliche Ziele (Schutz vor im Herkunftsstaat drohenden Gefahren einer- und Schutz des Kindeswohls in Deutschland andererseits). Sie bedingen einander auch nicht: Weder die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII noch die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII setzen voraus, dass ein Asylantrag gestellt wurde oder wird. Ferner kommt der Altersfeststellung nach § 42f SGB VIII keine Bindungswirkung für andere Verfahren als demjenigen über die Inobhutnahme zu (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 002.3.2017 – 1 B 331/16, juris Rn. 11 sowie BT-Drs. 18/6392, S. 20), so dass sie insbesondere nicht die Frage vorwegnimmt, ob der Betroffene in einem eventuellen späteren Asylverfahren als minderjährig anzusehen wäre und ihm daher dort die Garantien aus Art. 25 RL 2013/32/EU zu gewähren wären. Der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Art. 25 RL 2013/32/EU sei auf die Altersfeststellung nach § 42f SGB VIII unmittelbar anzuwenden, weil das jugendhilferechtliche Inobhutnahmeverfahren untrennbar mit dem Asylverfahren unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbunden sei (vgl. BayVGH, Beschl. v. 05.07.2016 – 12 CE 16.1186, juris Rn. 21 f.), vermag der Senat sich daher nicht anzuschließen. Auch in der Praxis ist es nach der Erfahrung des Senats keineswegs die Regel, dass in Obhut genommene unbegleitete minderjährige Ausländer Asylanträge stellen (vgl. auch Kepert/ Dexheimer, in: Kunkel/ Kepert/ Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 42f Rn. 6). Jedenfalls solange ein Asylantrag nicht gestellt wurde, besteht die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof befürchtete Gefahr einer "Spaltung des elementaren Status eines jungen unbegleiteten Flüchtlings" (vgl. BayVGH, aaO., juris Rn. 22) nicht. Eine gewisse thematische Nähe zwischen der Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Ausländer und der Gewährung internationalen Schutzes reicht nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus, um von einer "Durchführung von Unionsrecht" zu sprechen. Gleiches gilt für mittelbare Auswirkungen, die die Gewährung oder Nichtgewährung von Jugendhilfemaßnahmen in dem Fall, dass später ein Asylantrag gestellt wird, für das Asylverfahren haben mag (vgl. für eine solche mittelbare Bezugnahme auf die Altersfeststellung nach § 42f SGB VIII in einem Asylverfahren z.B. VG Berlin, Beschl. v. 18.12.2017 – 9 L 676.17 A, juris Rn. 20 ff.). Zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Senat auf Folgendes hin: Die vorstehenden Ausführungen schließen nicht aus, dass der in Art. 25 Abs. 5 Unterabsatz 1 Satz 2 RL 2013/32/EU normierte Grundsatz "im Zweifel für die Minderjährigkeit", der in der o.g. Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs streitig war, im jugendhilferechtlichen Altersfeststellungsverfahren auf anderer Rechtsgrundlage als derjenigen einer unmittelbaren Anwendung der Richtlinie gilt.

b) Ebenso kommt die von der Beschwerde befürwortete entsprechende oder analoge Anwendung des Art. 25 Abs. 1 RL 2013/32/EU auf das jugendhilferechtliche Altersfeststellungsverfahren in dem Sinne, dass § 42 SGB X wegen Unvereinbarkeit mit verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen des EU-Rechts (vgl. EuGH, Urt. v. 16.07.2020 – C 517/17, juris Rn. 59, 70 ff.) nicht anzuwenden wäre, nicht in Betracht. Es fehlt hier bereits an der Grundvoraussetzung für eine Analogie, nämlich dem Bestehen einer Regelungslücke. Mit § 42 SGB X besteht eine ausdrückliche Fehlerfolgenregelung des deutschen Verwaltungsverfahrensrechts für Verfahrensfehlern in jugendhilferechtlichen Angelegenheiten.

Daran ändert der Umstand nichts, dass das erkennende Gericht in seinem Beschluss vom 04.06.2018 – 1 B 53/18, juris Rn. 36 ausgeführt hat, die Regelung des § 42f Abs. 2 SGB VIII über die Einholung von medizinischen Altersfeststellungsgutachten sei dem Art. 25 Abs. 5 Unterabsatz 3 der RL 2012/32/EU nachgebildet. Dieser Hinweis auf die Richtlinie diente lediglich dazu, das Ergebnis der Subsumption des Sachverhalts unter die zuvor aus dem nationalen Recht entwickelten Grundsätze für Beweisverwertungsverbote (vgl. OVG Bremen, aaO., juris Rn. 35) zu bestätigen. Es ging nicht darum, eine ausdrückliche nationale Verfahrensregelung unter entsprechender Anwendung unionsrechtlicher Grundsätze unangewendet zu lassen.

Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, nachdem er zunächst von der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 25 RL 2013/32/EU auf das Verfahren nach § 42f SGB VIII ausgegangen war (vgl. Beschl. v. 5.7.2016 – 12 CE 16.1186, juris Rn 21 f.; s. dazu oben a), in späteren Entscheidungen von einer "entsprechenden" Anwendung spricht (vgl. Beschl. v. 05.04.2017 – 12 BV 17.185, juris Rn. 33; Beschl. v. 13.12.2016 – 12 CE 16.2333, juris Rn. 26), bezieht sich dies auf den in Art. 25 Abs. 5 Unterabsatz 1 Satz 2 RL 2013/32/EU verankerten Grundsatz "im Zweifel für die Minderjährigkeit". Es ging dort mithin um eine Frage, die im deutschen Recht nicht oder jedenfalls nicht ausdrücklich geregelt ist. Zur Schließung einer solchen Lücke kann eine entsprechende Heranziehung unionsrechtlicher Regelungen über die Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Asylantragstellern sinnvoll sein. Bezüglich der vorliegend streitentscheidenden Frage, welche Rechtsfolgen Verfahrensfehler in jugendhilferechtlichen Verfahren haben, besteht indes im nationalen Recht keine Lücke. Sie ist in § 42 SGB X ausdrücklich geregelt.

Die Anwendung des § 42 SGB X benachteiligt den Betroffenen nicht unbillig. Im gerichtlichen Verfahren findet eine umfassende Überprüfung der Altersfeststellung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht statt, wobei im Eilverfahren schon bloße Zweifel an der von der Behörde vorgenommenen Alterseinschätzung zum Erfolg führen. Ein Einschätzungs- oder Beurteilungsspielraum steht dem Jugendamt nicht zu (OVG Bremen, Beschl. v. 21.05.2021 – 2 B 76/21, juris Rn. 8). Kommt das Gericht nach einer solchen Prüfung zu der Einschätzung, dass die Einstufung des Betroffenen als volljährig trotz eines Verfahrensfehlers offenkundig zutreffend ist, wäre eine Aufhebung des Bescheides reine Förmelei.

c) Die Anwendung des § 42 Satz 1 SGB X ist vorliegend nicht durch § 42 Satz 2 SGB X ausgeschlossen. Nach § 42 Satz 2 SGB X gilt die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach Satz 1 nicht, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt worden ist. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahmevorschrift, die einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich ist (Siewert, in: Diering/ Timme/Stähler, SGB X, 5. Aufl. 2019, § 42 Rn. 14). Die Anhörung des Betroffenen (§ 24 SGB X) und die qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42f Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SGB VIII) fallen in der Praxis zwar in der Regel örtlich und zeitlich zusammen und werden im selben Termin durchgeführt. Dies liegt nahe, denn die qualifizierte Inaugenscheinnahme schließt eine Befragung des Betroffenen ein, in der er mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 22.02.2016 – 1 B 303/15, juris Rn. 13). Dennoch handelt es sich bei Anhörung und qualifizierter Inaugenscheinnahme rechtlich betrachtet um zwei unterschiedliche Verfahrenshandlungen. Für die Anhörung nach § 24 SGB X ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben (BSG, Beschl. v. 06.02.2008 – B 6 KA 9/07 B, juris Rn. 12). Da der Antragsteller auch nach dem von ihm angegebenen Geburtsdatum im August 2020 partiell handlungs- und verfahrensfähig war (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB I, vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 18.11.2015 – 2 B 221/15, juris Rn. 12), konnte er selbst angehört werden. Dagegen gelten für die qualifizierte Inaugenscheinnahme besondere Verfahrensvorschriften (vgl. § 42f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Wird – wie hier – gegen die letztgenannten Vorschriften verstoßen, ist zwar die qualifizierte Inaugenscheinnahme fehlerhaft, nicht jedoch die zeitgleich durchgeführte Anhörung im Sinne des § 24 SGB X. Daher liegt kein Fall des § 42 Satz 2 SGB X vor. [...]