ObLG Bayern

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Zitieren als:
ObLG Bayern, Urteil vom 12.07.2021 - 203 StRR 171/21 - asyl.net: M29872
https://www.asyl.net/rsdb/m29872
Leitsatz:

Befreiung von der Passpflicht für subsidiär Schutzberechtigte:

Subsidiär Schutzberechtigte sind als Inhaber*innen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG gem. § 5 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 AufenthG von der Erfüllung der Passpflicht befreit und erhalten einen Ausweisersatz nach § 48 Abs. 4 AufenthG unabhängig von der Frage, ob sie einen Nationalpass in zumutbarer Weise erlangen können. Ihr Aufenthalt ist daher nicht unerlaubt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: unerlaubter Aufenthalt, Passpflicht, subsidiärer Schutz, Ausweisersatz,
Normen: AufenthG 3 25 Abs. 2, AufenthG § 5 Abs. 3, AufenthG 3 5 Abs. 1 Nr. 4, AufenthG § 48 Abs. 4, AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 1, AsylG § 4,
Auszüge:

[...]

Hat der Ausländer also (wie hier und anders als in dem von der Revision zitierten Urteil des BGH vom 27.04.2005, Az.: 2 StR 457/04, BGHSt 50, 105, und den von der Revision zitierten Beschlüssen des OLG Düsseldorf vom 25.05.2020, Az.: III-2 RVs 35/20, juris, sowie des OLG Stuttgart vom 06.04.2010, Az.: 4 Ss 46/10, NStZ-RR 2011, 28) einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erhalten, ist er nach § 5 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 AufenthG von der Erfüllung der Passpflicht befreit und erhält einen Ausweisersatz nach § 48 Abs. 4 AufenthG, unabhängig von der Frage, ob er einen Pass oder Passersatz in zumutbarer Weise erlangen kann.

(1) Schon nach der Gesetzessystematik können die Einschränkungen des§ 48 Abs. 2 AufenthG (Unzumutbarkeit der Passbeschaffung} im Rahmen des § 48 Abs. 4 AufenthG keine Geltung beanspruchen, da § 48 Abs. 2 AufenthG im Gegensatz zu § 48 Abs. 4 AufenthG das Bestehen der Passpflicht voraussetzt. Zudem verweist § 48 Abs. 4 AufenthG nicht auf § 48 Abs. 2 AufenthG, sondern ausdrücklich nur auf § 48 Abs. 3 AufenthG.

(2) Die Ausstellung eines Ausweisersatzes nach § 48 Abs. 4 AufenthG erfolgt auch deshalb unabhängig von den Bemühungen des Ausländers um die Beschaffung eines Nationalpasses, da anderenfalls der in § 5 Abs. 3 AufenthG normierte Verzicht auf die Erfüllung der Passpflicht in sein Gegenteil verkehrt würde und die Regelung des § 48 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gänzlich überflüssig wäre (so zutreffend NK-AuslR/Winfried Möller, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 48 Rn. 59; Huber/Mantel AufenthG/Stoppa/Lehnert, 3. Aufl. 2021, AufenthG § 48 Rn. 12; gegenteilige Meinungen sind weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur ersichtlich).

(3) Aus der Gesetzesbegründung {BT-Drs. 224/07 S. 312) ergibt sich entgegen der Revisionsbegründung nichts anderes: Dort wird ausdrücklich klargestellt, dass § 48 Abs. 4 AufenthG den Kreis von Ausländern erfasst, bei denen vom Regelerfordernis der Erfüllung der Passpflicht abgesehen wird. Im Übrigen verweist auch sie für die Fälle, in denen der Ausweisersatz auf der Grundlage des § 48 Abs. 4 AufenthG ausgestellt wird, lediglich auf die Mitwirkungspflicht des Ausländers gemäß § 48 Abs. 3 AufenthG und nicht auf eine generelle Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung im Umfang des § 48 Abs. 2 AufenthG. Unerheblich ist, ob ein Passersatz unter erweiterten Voraussetzungen auch nach der Aufenthaltsverordnung hätte ausgestellt werden können.

(4) Das bedeutet, dass der Ausländer allein mit dem Ausweisersatz nach § 48 Abs. 4 AufenthG seiner Passpflicht im Bundesgebiet genügt, er jedoch unabhängig davon nach § 48 Abs. 3 AufenthG an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitwirken muss, um seine spätere Rückführung in einen anderen Staat zu ermöglichen. [...]