VGH Baden-Württemberg

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VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.07.2021 - A 13 S 1563/20 (Asylmagazin 9/2021, S. 323 ff.) - asyl.net: M29893
https://www.asyl.net/rsdb/m29893
Leitsatz:

Keine Flüchtlingsanerkennung für vor dem Nationaldienst geflüchtete Frau aus Eritrea:

"1. Die Einberufung zum Nationaldienst in Eritrea knüpft grundsätzlich nicht an ein flüchtlingsschutz­relevantes Merkmal an. Etwas anderes folgt nicht aus der (auch) politischen Dimension des Nationaldienstes.

2. Bei einer qualifizierten Würdigung und Gesamtbetrachtung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel kann nicht festgestellt werden, dass die Bestrafung einer Entziehung vom eritreischen Nationaldienst bzw. einer illegalen Ausreise aus Eritrea als solche an eine (zugeschriebene) politische Überzeugung anknüpft.

3. Frauen im eritreischen Nationaldienst bilden keine soziale Gruppe i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.

4. Es lässt sich nicht feststellen, dass eritreischen Staatsbürgern im Fall einer Rückkehr allein auf Grund einer bloß einfachen Mitgliedschaft in einer exilpolitischen Gruppierung flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung droht."

(Amtliche Leitsätze; entgegen VG Schwerin, Urteil vom 05.04.2019 - 15 A 3569/17 As SN - Asylmagazin 6-7/2019, S. 241 f. - asyl.net: M27301)

Anmerkung:

  • Die vom EuGH im Verfahren eines syrischen Militärdienstentziehers aufgestellte starke Vermutung dafür, dass eine Verknüpfung der Strafverfolgung der Militärdienstentziehung mit einem flüchtlingsrelevanten Merkmal vorliegt, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht angewandt. Hierfür fehle es in Eritrea an einem Konflikt, der Verbrechen umfasst, die unter die Ausschlussklausel in § 3 Abs. 2 AsylG fallen (u.a. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit).
  • Siehe EuGH, Urteil vom 19.11.2020 - C-238/19 EZ gg. Deutschland (Asylmagazin 12/2020, S. 424 ff.) - asyl.net: M29016.
Schlagwörter: Eritrea, Frauen, Nationaldienst, geschlechtsspezifische Verfolgung, Upgrade-Klage, Militärdienst, Flüchtlingseigenschaft, sexueller Missbrauch, Straflosigkeit, soziale Gruppe, Diskriminierung, politische Verfolgung,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 3a Abs. 2 Nr. 1, AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4,
Auszüge:

[...]

25 2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die allein streitgegenständliche Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid vom 24.05.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn diese hat im maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. [...]

32 Die Einberufung in den Nationaldienst selbst stellt jedenfalls deshalb keine Verfolgung dar, weil es insoweit an der Anknüpfung an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG fehlt. [...]

37 (2) Ausgehend hiervon vermag der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und zahlreicher Oberverwaltungsgerichte (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - a. a. O. <58 Rn. 36>; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.09.2020 - 19 A 1857/19.A - juris Rn. 38 ff.; OVG Hamburg, Urteil vom 01.12.2020 a. a. O. Rn. 42; BayVGH, Urteil vom 05.02.2020 - 23 B 18.31593 - juris Rn. 28; OVG Saarland, Urteil vom 21.03.2019 - 2 A 7/18 - juris Rn. 27; HessVGH, Urteil vom 30.07.2019 - 10 A 797/18.A - juris Rn. 25 jeweils m. w. N.) nicht zu erkennen, dass die Einberufung zum Nationaldienst an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal anknüpfte. Etwas anderes folgt nicht aus der (auch) politischen Dimension des Nationaldienstes (a. A. Rapp, Asylmagazin 2019, 272, 272). Zwar dient der Nationaldienst auch der Verbreitung der Staatsideologie und wird als "Schule der Nation" angesehen (vgl. EASO, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, 01.09.2019, S. 24 f.). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Einziehung in den Nationaldienst nicht an ein Merkmal i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG anknüpft, sondern grundsätzlich alle eritreischen Staatsbürger trifft (vgl. BayVGH a. a. O. Rn. 35). [...]

44 cc) Der Klägerin droht auch keine Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG, weil sie sich dem Nationaldienst durch illegale Ausreise entzogen hat. [...]

49 (2) Ob der Klägerin im Fall einer Rückkehr eine Bestrafung und gegebenenfalls Verhaftung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, kann vorliegend dahinstehen. Denn die Bestrafung der illegalen Ausreise bzw. der Entziehung vom Nationaldienst knüpft jedenfalls nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal, insbesondere an eine (ihr vom eritreischen Staat unterstellte) politische Überzeugung an. [...]

53 (aa) Auf die aus Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e i. V. m. Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU folgende "starke Vermutung" einer Verknüpfung der Strafverfolgung wegen Wehrdienstentziehung mit einem flüchtlingsrelevanten Merkmal kann sich die Klägerin vorliegend nicht berufen. Denn die Vermutung knüpft an das Vorliegen eines Konflikts an, in dem Verbrechen oder Handlungen begangen werden, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklausel des Art. 12 Abs. 2 RL 2011/95/EU fallen (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 61; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.12.2020 - 19 A 2706/18.A - juris Rn. 11). Dass die Klägerin vorliegend von einem derartigen Konflikt betroffen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

54 (bb) Die Umstände, die gegen die Annahme sprechen, der eritreische Staat schreibe Personen, die sich dem Nationaldienst entzogen haben bzw. desertiert sind, eine oppositionelle Gesinnung zu und bestrafe diese, überwiegen die dafür sprechenden Umstände deutlich.

55 Zwar deuten einige Erkenntnismittel darauf hin, dass der eritreische Staat Personen, die sich dem Nationaldienst entzogen haben, eine oppositionelle Haltung unterstellt. So sollen Personen, die das Land illegal verlassen haben bzw. vom Nationaldienst desertiert sind, als "Verräter" angesehen oder der Spionage verdächtigt werden (vgl. etwa AI, Gutachten, 18.12.2020, S. 6; SFH, Reflexverfolgung und "Diaspora-Steuer", 30.09.2018, S. 11; HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 05.06.2015, S. 114, 300; HRW, Service for Life, 01.04.2009, S. 24 f.; vgl. auch Upper Tribunal UK - Immigration and Asylum Chamber - MST and Others Eritrea GC [2016] UKUT 00443, Country guidance Nr. 12). Allerdings ist insoweit zu beachten, dass etwa das Gutachten von Amnesty International keineswegs bestätigt, dass generell die Zuschreibung einer oppositionellen Gesinnung erfolgt. So ist die Rede davon, dass Nationaldienstverweigerer als Landesverräter oder Spion angesehen werden "könnten" und die Nationaldienstverweigerung als politische Opposition aufgefasst werden "kann". Hinzu kommt, dass kaum empirisches Material zu zwangsweise rückgeführten Personen existiert (vgl. SFH, Rückkehr, 19.09.2020, S. 5 f.; EASO, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, 01.09.2019, S. 68). [...]

58 Ein gewichtiges Indiz gegen die Annahme, die Bestrafung von Desertion und illegaler Ausreise diene politischen Zwecken, ist nach Auffassung des Senats die große Bandbreite der insoweit angedrohten und tatsächlich verhängten Strafen. So sieht nicht nur die Proklamation No. 82/1995 neben der Möglichkeit langer Haftstrafen auch die Verhängung von Geldstrafen vor, auch die tatsächlich verhängten Sanktionen weisen eine große Bandbreite auf. Haftstrafen werden von einigen Tagen bis hin zu mehreren Jahren verhängt, wobei die Strafen - wohl - härter ausfallen, wenn die Desertion vom militärischen Teil des Nationaldienstes erfolgt ist (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, 01.01.2015, S. 42). Mitunter werden auch bloße Ermahnungen ausgesprochen (vgl. AA, Lagebericht, 27.01.2020, S. 21). Würde der eritreische Staat allen Personen, die illegal ausgereist sind und dadurch die Ableistung des Nationaldienstes umgangen haben, generell eine Regimegegnerschaft unterstellen, wäre zu erwarten, dass er diesem Umstand in der Bestrafungspraxis auch Rechnung trägt und alle Betroffenen (im Wesentlichen gleichermaßen hart) bestraft (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.09.2020 a.a.O. Rn. 106; BayVGH a.a.O. Rn. 28; OVG Saarland a.a.O. Rn. 33; OVG Hamburg, Urteil vom 21.09.2018 - 4 Bf 186/18.A - juris Rn. 59; HessVGH a.a.O. Rn. 36).

59 Ebenfalls kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei der Entziehung vom Nationaldienst um ein Massenphänomen handelt (vgl. BpB, Der lange Arm des Regimes, 16.04.2020, S. 2; AI, Eritrea 2020, Jahresbericht zur Menschenrechtslage, 07.04.2021, S. 2; Pro Asyl, Das Willkürregime wird verharmlost, der Flüchtlingsschutz ausgehebelt, 10.03.2020, S. 4; Kibreab a.a.O. S. 13). Im Jahr 2019 verließen mehr als 70.000 Eritreer ihr Heimatland (vgl. HRC a.a.O. S. 14). [...]

60 Diesem Massenphänomen Rechnung tragend kennt der eritreische Staat vielmehr den so genannten "Diaspora-Status", was zur Überzeugung des Senats ebenfalls entschieden gegen die Annahme spricht, die Bestrafung erfolge wegen einer (zugeschriebenen) regimefeindlichen Haltung. Im Ausland lebende Eritreer sind zur Zahlung einer so genannten "Diaspora-Steuer" (auch "2 % Steuer") verpflichtet (vgl. DIS a.a.O S. 38; EASO, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, 01.09.2019, S. 60; SFH, Reflexverfolgung, Rückkehr und "Diaspora-Steuer", 30.09.2018, S. 7). Auch wer illegal ausgereist ist und sich dem Nationaldienst entzogen hat, kann - wenn er die "Diaspora-Steuer" entrichtet und ein sogenanntes "Reueformular" ("Letter of Regret") unterzeichnet - den Diasporastatus erlangen. Er kann dann nach Eritrea einreisen und ist nicht verpflichtet, den Nationaldienst zu leisten. Dabei ist der "Diaspora-Status" zeitlich befristet, je nach Quelle von einem bis zu mehreren Jahren (vgl. AA, Lagebericht, 25.01.2021, S. 22; DIS a.a.O. S. 38; SFH, Reflexverfolgung, Rückkehr und "Diaspora-Steuer", 30.09.2018, S. 9; EASO, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, 01.09.2019, S. 61 ff.). Zwar gibt es erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Diasporastatus nicht zuverlässig vor einer Bestrafung schützt, insbesondere weil die eritreischen Behörden ihre Praxis immer wieder willkürlich ändern (vgl. SFH, Eritrea: Rückkehr, 19.09.2019, S. 6; SFH, Reflexverfolgung, Rückkehr und "Diaspora-Steuer", 30.09.2018, S. 10 f; SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 10.08.2016, S. 43 f.). Bereits die bloße Eröffnung der mit dem "Diaspora-Status" verbundenen freiwilligen straffreien Rückkehrmöglichkeit durch den Staat Eritrea spricht jedoch entschieden gegen die Annahme, die eritreische Regierung schreibe jeder Person, die sich dem Nationaldienst durch illegale Ausreise entzogen hat, generell eine politische Gegnerschaft zu (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.09.2020 a.a.O. Rn. 104; BayVGH a.a.O. Rn. 52; OVG Saarland a.a.O. Rn. 34; OVG Hamburg, Urteil vom 21.09.2018 a.a.O. Rn. 63; HessVGH a.a.O. Rn. 35).

61 cc) Der Klägerin droht auch nicht beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Fall einer Rückkehr nach Eritrea Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

62 Frauen im Nationaldienst werden häufig Opfer sexueller Übergriffe, wobei diese meist im militärischen Teil des Nationaldienstes bzw. in militärischen Trainingslagern stattfinden (vgl. EASO, COI Query, 19.04.2021, S. 6; EASO, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, 01.09.2019, S. 41 f.; BFA Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, 26.02.2019, S. 21 f.; SFH, Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, 13.02.2018, S. 3; SFH, Themenpapier Nationaldienst, 30.06.2017, S. 12 f.; Kibreab, Sexual Violence in the Eritrean National Service, 06.03.2017, S. 7; HRC, Report oft he detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 05.06.2015, S. 378 ff.; AI, 20 Years of Independence, but still no freedom, 08.03.2013, S. 26). Junge Frauen scheinen in dieser Hinsicht besonders gefährdet zu sein (vgl. Kibreab, Sexual Violence in the Eritrean National Service, 06.03.2017, S. 11, 13; HRC, Report oft he detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 05.06.2015, S. 380 f.). [...]

64 Denn der Senat vermag nicht festzustellen, dass die sexuelle Gewalt im Nationaldienst in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 AsylG stattfindet (im Ergebnis ebenso: OVG Hamburg, Urteil vom 01.12.2020 - 4 Bf 205/18.A - juris Rn. 44 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.09.2020 - 19 A 1857/19.A - juris Rn. 120 ff.). [...]

66 (2) Ausgehend hiervon bilden die Frauen im eritreischen Nationaldienst keine soziale Gruppe i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 AsylG.

67 Denn es lässt sich nicht feststellen, dass Frauen im eritreischen Nationaldienst unabhängig von der ihnen drohenden sexuellen Gewalt eine vom Rest der eritreischen Gesellschaft deutlich abgegrenzte Identität besitzen und daher als andersartig betrachtet werden würden. Dies liegt schon deshalb nicht nahe, da - wie ausgeführt - die Pflicht zur Ableistung des Nationaldienstes nahezu sämtliche eritreische Staatsbürger ohne Ansehung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale trifft. Daran ändert sich nichts dadurch, dass sich den Erkenntnismitteln nicht entnehmen lässt, dass es im Nationaldienst auch zu sexuellen Übergriffen auf Männer käme (anders indes für sexuelle Übergriffe in der Haft: SFH, Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, 13.02.2018, S. 3). Dass Männer offenbar von sexuellen Übergriffen im Nationaldienst verschont bleiben, lässt nicht bereits für sich den Schluss zu, dass Frauen im Nationaldienst als andersartig betrachtet werden würden. Frauen werden im Nationaldienst Opfer von sexuellen Übergriffen, weil der Nationaldienst diese Übergriffe ermöglicht, nicht weil sie wegen ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht als andersartig wahrgenommen würden (so zutreffend: OVG Hamburg, Urteil vom 01.12.2020 a.a.O. Rn. 46; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.09.2020 a.a.O. juris Rn. 126). Den militärischen Kommandanten kommt fast unbeschränkte Macht über ihre Untergebenen zu. Dies führt zu willkürlichen und drakonischen Strafen (vgl. EASO, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, 01.09.2019, S. 40 f.). Diese Willkür und Gewalt trifft jedoch alle Angehörigen des Nationaldienstes, auch wenn sie Frauen gegenüber häufig in sexualisierter Form auftritt.

68 Insoweit kann auch nicht angenommen werden, das Geschlecht sei das von der Verfolgung unabhängige identitätsbildende Merkmal der Frauen im Nationaldienst (so aber zumindest im Ergebnis etwa VG Münster, Urteil vom 23.07.2019 - 11 K 3969/16.A - juris Rn. 106 ff.). Denn damit stellte man in Wahrheit nicht auf die Gruppe der Frauen im Nationaldienst ab, sondern schlicht auf die Gruppe der Frauen. Insoweit kann dahinstehen, ob die deutsche Regelung, nach der eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch vorliegen kann, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft, und damit über die Vorgaben des Art. 10 Abs. 1 Buchstabe d RL 2011/95/EU, nach der geschlechtsbezogene Aspekte lediglich angemessen berücksichtigt werden, hinausgeht, europarechtskonform ist (vgl. zum Streitstand: Wittmann a.a.O. Rn. 37). Denn es lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass Frauen in Eritrea im Allgemeinen - also auch außerhalb des militärischen Teils des Nationaldienstes - allein wegen ihres Geschlechts ebenso von sexuellen Übergriffen betroffen wären wie gerade die Frauen im militärischen Teil des Nationaldienstes. Hiergegen spricht nicht nur, dass - wie ausgeführt - die sexuellen Übergriffe im Nationaldienst weitgehend im militärischen Teil stattfinden, mag es auch im zivilen Teil vereinzelt zu Übergriffen kommen, sondern auch, dass beispielsweise in der Haft auch Männer Opfer sexueller Übergriffe werden (SFH, Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, 13.02.2018, S. 3). [...]