VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07.09.2021 - 11 A 52/19 - asyl.net: M30013
https://www.asyl.net/rsdb/m30013
Leitsatz:

Rechtmäßige Auferlegung der Kosten der Botschaftsvorführung:

Es ist nicht zu beanstanden, wenn zwecks Vorführung bei der Botschaft des Heimatstaats drei Vollzugsbeamten eingesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich die betroffene Person in der Vergangenheit nicht aggressiv oder gewalttätig verhalten hat, sondern lediglich angekündigt hat, nicht freiwillig einen Reisepass zu beantragen und zu den bisherigen Terminen zur Vorsprache nicht erschienen ist. 

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Botschaftsvorführung, Auslandsvertretung, Passbeschaffung, vollziehbar ausreisepflichtig, Kosten, Übernachtungskosten, Fahrtkosten, Begleitung, Personalkosten,
Normen: AufenthG § 66, AufenthG § 67 Abs. 1 Nr. 3, AufenthG § 82 Abs. 1, AufenthG § 48 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

10 Daraufhin ließ der Beklagte den Kläger am 03.12.2014 bei der afghanischen Botschaft in ... vorführen. Der Kläger wurde hierbei von seiner Wohnanschrift abgeholt und nicht – wie zuvor – zu einem Treffpunkt geladen. Dabei bediente der Beklagte sich der Amtshilfe durch das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge .... Laut Lagebericht des Landesamts für Zuwanderung und Flüchtlinge vom 05.12.2014 hätte die Botschaft einen Reisepass ausstellen können, der Kläger habe aber die Ausstellung verweigert.

11 Durch Bescheid vom 11.10.2018, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.10.2018 zugegangen, stellte der Beklagte dem Kläger Kosten für die Botschaftsvorführung vom 03.12.2014 in Höhe von 2.740,84 € in Rechnung. Dieser Betrag setzt sich laut Forderungsnachweis des Landesamtes für Zuwanderung und Flüchtlinge wie folgt zusammen: (1) Personalkosten in Höhe von 2.089,24 €, (2) Reisekosten in Höhe von 57,60 €, (3) Übernachtungskosten in Höhe von 240,00 €, (4) Kosten des Dienstwagens in Höhe von 308,00 € und (5) Bahnticketkosten in Höhe von 46,00 €. Die Zahlungspflicht des Klägers ergebe sich aus § 66 AufenthG. [...]

24 Gemäß § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer die Kosten zu tragen, die durch eine Abschiebung entstehen. Dazu gehören auch die Kosten einer Vorführung bei der jeweiligen Botschaft des Heimatstaates eines Ausländers zur Klärung seiner Identität (OVG Magdeburg, Beschluss vom 27. September 2012 – 2 O 208/11 –, juris Rn. 8; VG Münster, Urteil vom 02. September 2009 – 5 K 1629/08 –, juris Rn. 26). Diese Kosten sind auch erstattungsfähig, wenn es gar nicht zu der geplanten Abschiebung kommt (OVG Greifswald, Beschluss vom 02. August 2012 – 2 O 48/12 –, juris Rn. 5; OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. März 2010 – 8 PA 28/10 –, juris Rn. 10). Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Norm. Die Vorschrift zielt nämlich gerade darauf ab, dass ein Ausländer die Kosten zu erstatten hat, die er dadurch verursacht, dass erforderliche Maßnahmen für seine Abschiebung durchgeführt werden müssen (sog. Veranlasserprinzip; VG Münster, Urteil vom 02. September 2009 – 5 K 1629/08 –, juris Rn. 27). Maßgeblich ist, ob diese Vorführung in dem Zeitpunkt, in dem sie stattfindet, zur Durchsetzung einer Abschiebung notwendig war. Dies trifft hier zu, da der Kläger bereits seit dem 23.07.2013 vollziehbar ausreisepflichtig war. Die Vorführung vom 03.12.2014 diente dem Vollzug der Ausreisepflicht des Klägers. Die Vorführung war auch notwendig, da der Kläger über keinen Nationalpass verfügt hat und auch nicht im Besitz von sonstigen Identifikationspapieren war. Trotz seiner Mitwirkungspflichten aus §§ 48 Abs. 3, 49 Abs. 2, 82 Abs. 1 AufenthG, auf die der Beklagte mehrfach hingewiesen hat, hat er sich geweigert, bei der Passersatzbeschaffung behilflich zu sein. Vielmehr hat er dem Beklagten mitgeteilt, dass er den hiesigen Behörden nicht helfen werde, seine Ausreise zu verwirklichen. Darüber hinaus ist er drei verschiedenen Botschaftsterminen, deren Besuch der Beklagte jeweils angeordnet hatte, ferngeblieben. [...]

25 Die von dem Beklagten geltend gemachten Kosten sind auch gemäß § 67 Abs. 1 AufenthG der Höhe nach erstattungsfähig. Danach umfassen die Kosten der Abschiebung die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets (Nr. 1), die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers (Nr. 2), sowie sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten (Nr.3). Bei den geltend gemachten Reisekosten in Höhe von 57,60 €, den Fahrtkosten in Höhe von 308,00 € und den Kosten für das Bahnticket in Höhe von 46,00 € handelt es sich um Beförderungskosten im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Die Kosten sind der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Übernachtungskosten in Höhe von 240,00 € fallen unter Ausgaben für die Unterbringung im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Auch diese Kosten sind der Höhe nach nicht zu beanstanden.

26 Die geltend gemachten Personalkosten in Höhe von insgesamt 2.089,24 € für drei Vollzugsbeamte sind Personalkosten im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG und ebenfalls erstattungsfähig. Die Begleitung durch drei Vollzugsbeamten war auch tatsächlich erforderlich i.S.d. § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Erforderlich ist eine Begleitung lediglich dann, wenn der Ausländer Anlass hierzu gibt, wenn es also in seiner Person liegende Gründe hierfür gibt (BVerwG, Urteil vom 14. März 2006 – 1 C 5/05 –, juris). Ist eine Begleitung dem Grunde nach oder der Höhe der verursachten Kosten nach nicht erforderlich, liegt eine unrichtige Sachbehandlung nach §§ 13 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 3 BGebG vor, die der Pflicht zur Erstattung der Kosten entgegensteht (BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2012 – 10 C 6/12 –, juris Rn. 32). Ausweislich der Mitteilung des Landesamtes für Zuwanderung und Flüchtlinge vom 25.11.2014 wurde der Kläger alleine nach Berlin gebracht. Bei der Frage, ob und in welchem Umfang der Einsatz von Vollzugskräften erforderlich ist, ist auch das Vorverhalten der ausländischen Person relevant. Kündigt sie etwa im Vorfeld an, nicht zu kooperieren, spricht das für die Notwendigkeit des Einsatzes von mehreren Vollzugskräften. Ist im Vorfeld hingegen eine Kooperation zu erwarten, ist eine geringere Zahl von Vollzugskräften möglicherweise ausreichend, selbst wenn diese eine größere Zahl von Personen begleiten. Das BVerwG entschied in einem Einzelfall, in dem sich ein ausreisepflichtiger Ausländer bereits einmal geweigert hatte, den Heimflug anzutreten, dass die Begleitung von drei Vollzugsbeamten erforderlich war (BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2012 – 10 C 6/12 –, juris Rn. 31). Vorliegend hat der Kläger bereits im Vorfeld zum Ausdruck gebracht, dass er dem Beklagten nicht helfen werde, seine Ausreise zu verwirklichen. Daraufhin erschien der Kläger zu drei unterschiedlichen Terminen nicht, bei denen jeweils eine Sammelvorführung zur afghanischen Botschaft in ... stattfinden sollte und zu denen er jeweils vorgeladen wurde. Zwar ist der Kläger vor der Vorführung vom 03.12.2014 nicht strafrechtlich oder in sonstiger Weise aggressiv oder gewaltbereit in Erscheinung getreten, seine stetige Verweigerung, sich an Maßnahmen des Beklagten zu beteiligen, ließ aber die Annahme zu, er könnte zumindest passiven Widerstand leisten, so dass das vollziehende Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge den Personaleinsatz derart planen musste, auch für diesen Fall eingerichtet und vorbereitet zu sein. Darüber hinaus wurde der Kläger am 03.12.2014 bei seiner privaten Wohnanschrift abgeholt. Dies unterscheidet sich relevant von einer freiwilligen Teilnahme an einer Sammelvorführung, da das Erscheinen der Vollzugskräfte im unmittelbaren Wohn- und Lebensbereich des Klägers eine Situation darstellt, die jedenfalls grundsätzlich ein höheres Risiko für eine Eskalation bietet. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände konnte das Landesamt mit der Möglichkeit eines Widerstands gegen die Vorführung rechnen. Da ein Vollzugsbeamter das Fahrzeug steuern muss, ist es erforderlich die Überwachung des Klägers zwei weiteren Vollzugsbeamten anzuvertrauen (so auch BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2012 – 10 C 6/12 –, juris Rn. 33). [...]