VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 13.09.2021 - 10 L 298/21 V (Asylmagazin 3/2022, S. 102) - asyl.net: M30019
https://www.asyl.net/rsdb/m30019
Leitsatz:

Einstweilige Anordnung der Erteilung von Visa zum Familiennachzug:

Vor dem Hintergrund der Machtübernahme der Taliban ist den Kindern einer als Flüchtling anerkannten Afghanin ein Visum zum Familiennachzug zu erteilen, obwohl das diesbezügliche Klageverfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist.

(Leitsätze der Redaktion; diese Entscheidung wurde aufgehoben durch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2021 - 6 S 31/21 - asyl.net: M30508)

Schlagwörter: Familienzusammenführung, Kindernachzug, minderjährig, Taliban, Afghanistan, einstweilige Anordnung, Anordnungsanspruch, einstweilige Anordnung, Anordnungsgrund,
Normen: AufenthG § 32, VwGO § 123,
Auszüge:

[...]

Dein Anordnungsanspruch besteht. Die Antragsteller haben Anspruch auf Erteilung von Visa zum Familiennachzug. Zur weiteren Begründung wird auf das stattgebende Urteil vom 8. September 2021 im Verfahren VG 10 K 136.18 V verwiesen.

Auch ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Es liegt hier eine Ausnahmesituation wegen der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und der damit verbundenen erheblichen Gefahr für Leib und Leben insbesondere von Personen vor, die Familienangehörige in Deutschland haben und dorthin auswandern wollen. Der Mutter der Antragsteller ist die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden, weil sie als Lehrerin gearbeitet und deshalb von den Taliban bedroht wurden. Im Dorf werden diese Umstände bekannt sein. Wie sich die Taliban gegenüber der Familie von Menschen verhalten werden, die sie vor der Machtübernahme verfolgt haben, ist zwar noch nicht sicher absehbar. Die Sicherheitslage hat sich aber massiv verschlechtert (vgl. UNHCR-Position zur Rückkehr nach Afghanistan vom August 2021), von willkürlichen Übergriffen wird berichtet (UN: Taliban verüben willkürliche Hinrichtungen, Deutsche Welle vom 24. August 2021). Die Möglichkeiten einer Ausreise auf dem Landweg haben sich deutlich verschlechtert und sind wiederum mit erheblich gestiegenen. Gefahren verbunden. Bei einem weiteren Verbleib der Antragsteller in Afghanistan drohen ihnen schwere und unzumutbare und anders nicht abwendbare Nachteile. Den Antragstellern, die das Visum  bereits Ende 2017 beantragt haben, ist ein weiteres Zuwarten eines möglichen zweitinstanzlichen Verfahrens nicht mehr zumutbar. [...]