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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 20.07.2021 - XIII ZB 72/19 - asyl.net: M30022
https://www.asyl.net/rsdb/m30022
Leitsatz:

Abgrenzung einer Entscheidung über die Fortdauer der vorläufigen Freiheitsentziehung von einer Entscheidung in der Hauptsache:

"Wird eine vorläufig angeordnete Freiheitsentziehung nach persönlicher Anhörung des Betroffenen vom Amtsgericht in Gestalt eines klarstehenden Beschlusses aufrechterhalten, so stellt dies eine Entscheidung über die Fortdauer der vorläufigen Freiheitsentziehung gemäß § 427 Abs. 2 Hs. 2 FamFG und keine Entscheidung in der Hauptsache dar"

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftbeschluss, einstweilige Anordnung, Hauptsacheverfahren, klarstellender Beschluss,
Normen: FamFG § 70 Abs. 4, FamFG § 427 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

5 2. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

6 a) Gemäß § 70 Abs. 4 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss im Verfahren über eine einstweilige Anordnung ausgeschlossen.

7 b) Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist in einem Verfahren über eine einstweilige Anordnung ergangen.

8 aa) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 5. November 2018 eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG darstellt. Dies wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht in Frage gestellt.

9 bb) Zu Recht hat das Beschwerdegericht weiter angenommen, auch der im Sitzungsvermerk des Amtsgerichts vom 6. November 2018 enthaltene "klarstellende Beschluss" sei im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens ergangen und keine Entscheidung in der Hauptsache.

10 (1) Nachdem das Amtsgericht im Beschluss vom 5. November 2018 den Ausreisegewahrsam gegen den Betroffenen gemäß § 427 Abs. 2 FamFG vor dessen Anhörung einstweilig angeordnet hatte, musste es die Anhörung nach seiner Festnahme am Folgetag unverzüglich nachholen (§ 427 Abs. 2 Halbsatz 2 FamFG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie auch des Bundesgerichtshofs ist mit der Nachholung der Anhörung gemäß § 427 Abs. 2 Halbsatz 2 FamFG die Verpflichtung verbunden, den getroffenen vorläufigen Beschluss über die Anordnung der einstweiligen Freiheitsentziehung dahingehend zu überprüfen, ob er angesichts der vervollständigten Entscheidungsgrundlage aufrechterhalten werden kann, oder ob er der Abänderung oder Aufhebung bedarf (BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2013 - 2 BvR 1872/10, juris Rn. 19; BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2018- V ZB 71/17, FGPrax 2018, 136 Rn. 8, und vom 22. August 2019 - V ZB 209/17, juris Rn. 10).

11 (2) Mit der Entscheidung über die Aufrechterhaltung der am Vortag, dem 5. November 2018, ergangenen Entscheidung ist das Amtsgericht dieser Verpflichtung nachgekommen. Der Beschluss vom 6. November 2018 stellt keine Entscheidung in der Hauptsache dar, wie die Rechtsbeschwerde meint, sondern eine förmliche Entscheidung über die Fortdauer der vorläufigen Freiheitsentziehung. Aus der Formulierung, der Beschluss vom 5. November 2018 werde "aufrechterhalten", ergibt sich, dass die ursprüngliche Haftanordnung nicht durch eine neue Haftanordnung ersetzt werden, sondern es vielmehr bei der bereits erlassenen (vorläufigen) Anordnung verbleiben und diese weiterhin Gültigkeit haben sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2019 - V ZB 209/17, juris Rn. 11 mwN). Dies gilt umso mehr, als die beteiligte Behörde in ihrem Antrag vom 5. November 2018 lediglich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und einen Antrag auf Erlass einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren auch nach Ergreifen des Betroffenen und der anschließenden Vorführung vor den Haftrichter nicht gestellt hat.

12 (3) Insoweit kommt den Ausführungen im Beschluss vom 5. November 2018, wonach die Anhörung des Betroffenen nach seiner Festnahme unverzüglich nachgeholt und sodann auch über die Bestellung eines Verfahrenspflegers und über den endgültigen Ausreisegewahrsam entschieden werde, keine Bedeutung zu; sie waren für das Verfahren des Amtsgerichts am 6. November 2018 nicht bestimmend. [...]