OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.03.2021 - 18 B 1684/19 - asyl.net: M30035
https://www.asyl.net/rsdb/m30035
Leitsatz:

Freizügigkeitsrecht für Familienangehörige von Unionsbürgern mit doppelter EU-Staatsangehörigkeit:

"Der drittstaatsangehörige Ehemann einer Frau mit doppelter Staatsangehörigkeit hat kein Freizügigkeitsrecht nach Unionsrecht, wenn seine Frau zuerst die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und sich danach dauerhaft in Deutschland niedergelassen hat, denn sie hat ihr Freizügigkeitsrecht nie wahrgenommen, sondern hat immer nur in Mitgliedstaaten gelebt, deren Staatsangehörigkeit sie hatte."

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: drittstaatsangehöriger Ehegatte, freizügigkeitsberechtigt, Unionsrecht, EU-Staatsangehörige, doppelte Staatsangehörigkeit,
Normen: FreizügG/EU § 3 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Soweit der Antragsteller pauschal geltend macht, seine Ehefrau habe vom "Recht auf Wanderung Gebrauch gemacht, so dass das Gemeinschaftsrecht für den Antragsteller eröffnet wäre", ist sein Vorbringen weder nachvollziehbar noch genügt es den Darlegungserfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Es lässt nämlich eine Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts sowie insbesondere den Ausführungen in dem vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 14. November 2017 – C-165/16 – vermissen. Dieses Urteil verhält sich sowohl zur Frage der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit durch eine Unionsbürgerin mit doppelter - namentlich spanisch/britischer - Staatsangehörigkeit als auch zum abgeleiteten Recht auf Aufenthalt eines drittstaatsangehörigen Ehegatten, den diese Unionsbürgerin in der Folgezeit nach ihrer Einbürgerung im Vereinigten Königreich heiratete. Im Unterschied zum vorliegenden Verfahren erwarb die Unionsbürgerin jenes Verfahrens die britische Staatsangehörigkeit unter Beibehaltung ihrer spanischen Staatsangehörigkeit allerdings erst Jahre nach ihrer Einreise und Aufenthalt im Vereinigten Königreich. Der EuGH hat im genannten Urteil entschieden, dass die Richtlinie 2004/38/EG dahin auszulegen ist, dass ein Drittstaatsangehöriger auf der Grundlage dieser Richtlinie ein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt (selbst) dann nicht genießt, wenn ein Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich gemäß Art. 7 Abs. 1 oder Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begeben und sich dort aufgehalten hat, und sodann unter Beibehaltung seiner ursprünglichen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats erworben und mehrere Jahre später einen Drittstaatsangehörigen geheiratet hat, mit dem er sich nach wie vor im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aufhält. Schon mit Blick darauf hat der Antragsteller mit der Beschwerde nicht in schlüssiger, nachvollziehbarer Weise einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltskarte/EU dargelegt (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 34 ff. (36)).

Abgesehen davon legt der Antragsteller mit der Beschwerdebegründung auch nicht dar, inwiefern seine Ehefrau, die sowohl über die polnische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben sollte, indem sie sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, begeben und sich dort aufgehalten hätte. Die 1971 in Polen geborene Ehefrau des Antragstellers hat sich nämlich, was vom Antragsteller mit der Beschwerde nicht in Abrede gestellt wird, erst im Jahr 2008 in die Bundesrepublik Deutschland begeben, nachdem sie noch in Polen im Jahr 2007 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatte. [...]