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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 25.08.2021 - XII ZB 442/18 - asyl.net: M30039
https://www.asyl.net/rsdb/m30039
Leitsatz:

Ablehnung der Volljährigenadoption eines afghanischen Geflüchteten:

"a) Für den Ausspruch einer Annahme als Kind muss die Identität des Anzunehmenden grundsätzlich feststehen; das gilt auch dann, wenn es sich dabei um einen Flüchtling handelt.

b) Zur sittlichen Rechtfertigung einer Volljährigenadoption.

c) Im Adoptionsverfahren bedarf es einer Anhörung der Kinder des Annehmenden und des Anzunehmenden nach Sinn und Zweck des § 193 FamFG nicht, wenn das Gericht bereits die sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen verneint und den Adoptionsantrag zurückweist."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Adoption, Erwachsenenadoption, Volljährigenadoption, volljährig, Identitätsklärung, Eltern-Kind-Verhältnis,
Normen: BGB § 1767, BGB § 1769, FamFG § 193, FamFG § 26,
Auszüge:

[...]

12 1. Richtig ist jedoch der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts: Für den Ausspruch einer Annahme als Kind müssen grundsätzlich die Identität des Annehmenden, die Identität des Kindes und zumindest bei der Minderjährigenadoption und bei der Volljährigenadoption mit Wirkungen der Minderjährigenannahme die Identität der leiblichen Eltern feststehen. Dies gebieten nicht nur die weitreichenden personenstandsrechtlichen Folgen der Adoption und das Interesse der Allgemeinheit, der Annehmenden sowie des anzunehmenden Kindes an der Kenntnis seiner Herkunft, sondern auch das Recht und das Interesse der leiblichen Eltern an ihrem Kind, wenn durch die Annahme ihre Rechtsbeziehungen zu dem Kind aufgehoben werden sollen (vgl. MünchKommBGB/Maurer 8. Aufl. § 1741 Rn. 52; vgl. auch OVG Münster NJW 2019, 454, 455 zur selbständigen Prüfung der Identität des Adoptivkinds durch die Staatsangehörigkeitsbehörde). Das Familiengericht hat die für die Klärung der Identität erforderlichen Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) durchzuführen.

13 Für die Annahme von Flüchtlingen gelten entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine grundlegend anderen Maßstäbe. Den tatsächlichen Schwierigkeiten, die sich für diesen Personenkreis insbesondere bei der Beschaffung von geeigneten Identitätsdokumenten aus dem Heimatstaat ergeben, kann das Gericht durch deren Berücksichtigung bei der Mitwirkungspflicht und durch Erleichterungen bei der Beweisführung Rechnung tragen, nicht aber durch einen generellen Verzicht auf die Identitätsprüfung (vgl. BVerwG FamRZ 2012, 226 Rn. 16; BayVGH Beschluss vom 4. Dezember 2018 5 C 18.2372 juris Rn. 9 f., jeweils zum Identitätsnachweis im Einbürgerungsverfahren). Die Identität einer Person und ihre Staatsangehörigkeit werden vorrangig durch die Vorlage eines Nationalpasses nachgewiesen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Mai 2017 XII ZB 126/15 FamRZ 2017, 1337 Rn. 23). Liegt kein mit einem Lichtbild versehener Reisepass oder Personalausweis aus dem Heimatstaat vor, kann das Gericht seine Überzeugung von der Identität des Anzunehmenden im Einzelfall auch auf andere Beweismittel stützen, wie beispielsweise den Inhalt sonstiger Urkunden aus dem Heimatstaat, die Beiziehung von Ausländerakten oder das Ergebnis einer persönlichen Anhörung oder einer eidesstattlichen Versicherung (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Mai 2017 XII ZB 126/15 FamRZ 2017, 1337 Rn. 24 zum Identitätsnachweis in Personenstandssachen). Kann sich das Gericht selbst nach Ausschöpfung aller zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten keine Überzeugung von der Identität des Anzunehmenden verschaffen, kann dieser Mangel nicht durch Erwägungen einer (besonderen) sittlichen Rechtfertigung der Adoption überwunden werden (aA wohl AG Elmshorn FamRZ 2009, 1691 f.). Insoweit ist der Sachverhalt anders gelagert als bei Findelkindern oder bei Kindern aus einer anonymen Geburt, zumal die Verwaltungsbehörde in diesen Fällen Ort und Tag der Geburt festsetzt und den Vornamen und den Familiennamen des Kindes bestimmt, wodurch die Kinder jedenfalls hinsichtlich der genannten Merkmale einen Identitätsnachweis erlangen (vgl. §§ 25 Satz 1 Halbs. 2, 24 Abs. 2 Satz 1 PStG; vgl. dazu auch Senatsbeschluss BGHZ 221, 1 = FamRZ 2019, 614 Rn. 24, 32).

14 2. Indessen kann nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Identität des Beteiligten zu 3 nicht ausreichend nachgewiesen wäre.

15 a) Ob eine Tazkira ungeachtet der Unzulänglichkeiten des afghanischen Personenstands- und Beurkundungswesens im Einzelfall zumindest dann als Identitätsnachweis für einen afghanischen Staatsangehörigen ausreichen kann, wenn sie keine feststellbaren Merkmale einer Fälschung bzw. Verfälschung oder einer Vertauschung des angehefteten Lichtbilds aufweist, ist eine Frage der freien Würdigung (§ 37 Abs. 1 FamFG) der als Beweismittel vorgelegten Urkunde. Dabei könnte es durchaus rechtsbeschwerderechtlichen Bedenken begegnen, wenn der Tatrichter einer afghanischen Tazkira schon abstrakt und ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalls jeden Beweiswert für die Identitätsklärung absprechen würde (vgl. auch OVG Lüneburg Beschluss vom 1. Juli 2020 13 LA 55/20 juris Rn. 21 zur Identitätsprüfung im Einbürgerungsverfahren). [...]

29 a) Die sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen als Kind ist gemäß § 1767 Abs. 1 Halbs. 2 BGB insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist.

30 Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift wird die sittliche Rechtfertigung der angestrebten Volljährigenadoption beim Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses unwiderlegbar vermutet; die Adoptionsbeteiligten haben sich nach der in § 1767 Abs. 1 Halbs. 2 BGB enthaltenen gesetzlichen Wertung mit der tatsächlichen Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses die rechtliche Verfestigung ihrer Beziehung durch die Adoption "verdient" (Staudinger/Helms BGB [2019] § 1767 Rn. 32), ohne dass es noch einer weitergehenden Prüfung bedarf, welcher konkrete Einzelzweck mit der Adoption verfolgt werden soll (vgl. OLG Hamburg Beschluss vom 8. April 2020 2 UF 2/20 juris Rn. 17; OLG Stuttgart NJW 2019, 1385; OLG München FamRZ 2019, 516, 517; OLG Schleswig FGPrax 2009, 269, 270; Erman/Teklote BGB 16. Aufl. § 1767 Rn. 7; MünchKommBGB/Maurer 8. Aufl. § 1767 Rn. 36; BeckOK BGB/Pöcker [Stand: 1. Mai 2021] § 1767 Rn. 4; NK-BGB/Dahm 4. Aufl. § 1767 Rn. 6). Ein bereits hergestelltes Eltern-Kind-Verhältnis zwischen den Adoptionsbeteiligten hat das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall jedoch rechtsbedenkenfrei verneint. [...]

33 cc) Das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses muss sich in nachprüfbarer Weise im äußeren Erscheinungsbild der Beziehungen zwischen den Adoptionsbeteiligten bewiesen haben (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 118, 119; OLG Zweibrücken NJW-FER 1999, 295, 296), wobei das Gericht zu einer besonders sorgfältigen Prüfung der Angaben der Beteiligten verpflichtet ist (vgl. BVerfG FamRZ 1989, 715, 716; Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 XII ZB 54/18 FamRZ 2020, 1481 Rn. 52). Im Rahmen seiner Beweiswürdigung besteht für das Gericht vor allem dann Anlass zu einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen Angaben, wenn unübersehbar zu Tage tritt, dass bei der erstrebten Volljährigenadoption vermögensrechtliche, namensrechtliche oder aufenthaltsrechtliche Zwecke eine besondere Rolle gespielt haben können (vgl. OLG Hamburg Beschluss vom 8. April 2020 2 UF 2/20 juris Rn. 17; vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 XII ZB 54/18 FamRZ 2020, 1481 Rn. 56 zur Anerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen). Im Übrigen werden objektiven Indizien und äußeren Umständen, die für und gegen ein Eltern-Kind-Verhältnis sprechen, im Rahmen der Gesamtwürdigung regelmäßig ein höheres Gewicht einzuräumen sein als den Äußerungen der Beteiligten über ihre subjektiven Empfindungen (vgl. Behrentin/Braun Handbuch Adoptionsrecht Rn. B 754). Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses gehen zu Lasten der Adoptionsbeteiligten (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 XII ZB 54/18 FamRZ 2020, 1481 Rn. 52). Das Gericht darf solche Zweifel im Einzelfall auch darin begründet sehen, dass der Anzunehmende eine intakte Beziehung zu seinen leiblichen Eltern unterhält, denn obwohl das natürliche Kindschaftsverhältnis keine rechtliche Exklusivität für sich beanspruchen kann (arg. § 1770 Abs. 2 BGB), entspricht es grundsätzlich keiner Lebenserfahrung, dass derjenige, der auf der Grundlage seiner in der Kindheit erfahrenen sozialen Prägung weiterhin durch ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis mit seinen leiblichen Eltern verbunden ist, eine Beziehung von vergleichbarer Qualität zu entfernteren Verwandten oder gar zu familienfremden Personen aufzubauen vermag (vgl. Staudinger/Helms BGB [2019] § 1767 Rn. 26 mit zahlreichen Nachweisen).

34 dd) Gemessen daran gibt die in tatrichterlicher Verantwortung getroffene Einschätzung des Beschwerdegerichts, dass begründete Zweifel an einem bereits bestehenden Eltern-Kind-Verhältnis bestehen, keinen Anlass zu rechtlichen Beanstandungen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 durch ihre Bereitschaft, den Beteiligten zu 3 in ihren Haushalt aufzunehmen, finanziell für ihn einzustehen und sein schulisches und berufliches Fortkommen zu fördern, solche Beistandsleistungen erbringen, die für das Verhältnis von Eltern und heranwachsenden Kindern typisch sind. Demgegenüber durfte das Beschwerdegericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Rahmen der Gesamtwürdigung berücksichtigen, dass eine soziale Beziehung zwischen den Beteiligten selbst im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erst seit zwei Jahren bestanden hatte, dass die gemeinsame Biographie zumindest in der Anfangsphase von Sprachhindernissen und von Anpassungsschwierigkeiten aufgrund einer Drogenproblematik beim Beteiligten zu 3 geprägt war und dass der in Afghanistan aufgewachsene Beteiligte zu 3 einem völlig anderen sozialen und kulturellen Milieu entstammt. Dabei kann für das Rechtsbeschwerdeverfahren unterstellt werden, dass der Beteiligte zu 3 bereits als Minderjähriger in den Haushalt der Beteiligten zu 1 und 2 aufgenommen worden ist, denn die kurze Zeit, in der sich der Beteiligte zu 3 vor Vollendung seines 18. Lebensjahrs in deren Obhut befunden haben mag, konnten für dessen soziale Prägung keine entscheidende Bedeutung gewinnen.

35 b) Lässt sich ein bereits bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis zwischen den Adoptionsbeteiligten nicht feststellen, kommt eine Annahme nur noch dann in Betracht, wenn bei objektiver Betrachtung der bestehenden Bindungen und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen dem Annehmenden und dem Kind in Zukunft zu erwarten ist und darüber hinaus die Annahme mit Blick auf die mit der Adoption verfolgten Zwecke sittlich gerechtfertigt erscheint. Die vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen tragen dessen tatrichterliche Beurteilung, dass auch diese Voraussetzungen nicht vorliegen. [...]

40 cc) Das Erfordernis der "sittlichen Rechtfertigung" erfüllt auch nach dem derzeitigen Rechtszustand in erster Linie den Zweck, die Adoptionsmöglichkeiten einzuschränken, um Missbräuchen bei der Annahme von Volljährigen zu begegnen (vgl. BT-Drucks. 7/3061 S. 52 unter Hinweis auf die "beizubehaltende Tendenz" des § 1745 c BGB a.F. und die Motive zur Einführung dieser Vorschrift). Maßgebliches Beurteilungskriterium für die sittliche Rechtfertigung sind die Gründe, aus denen die Adoptionsbeteiligten das Annahmeverhältnis zu einem Volljährigen begründen wollen und die durch das Gericht eingehend zu erforschen sind. Das Merkmal "sittlich" ist dabei auf die Familienordnung bezogen (vgl. Erman/Teklote BGB 16. Aufl. § 1767 BGB Rn. 9). Als Beispiel für die sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen nennt die Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang die beabsichtigte Adoption mehrerer Geschwister, von denen ein Teil minderjährig, ein Teil bereits volljährig ist (vgl. BT-Drucks. 7/3061 S. 52).

41 Für eine restriktive Auslegung des Begriffs der "sittlichen Rechtfertigung" spricht auch die folgende Überlegung: Besteht zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden noch kein Eltern-Kind-Verhältnis, sondern ist dessen Entstehung lediglich für die Zukunft zu erwarten, entfaltet die Annahme gleichwohl volle Rechtswirkungen. Dies gilt auch dann, wenn sich später herausstellt, dass ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis zwischen den Adoptionsbeteiligten tatsächlich nicht hergestellt werden konnte oder möglicherweise noch nicht einmal hergestellt werden sollte; eine Aufhebung der Adoption von Amts wegen kommt nicht in Betracht (§ 1771 BGB). Bei einem anzubahnenden Eltern-Kind-Verhältnis führt der Ausspruch der Annahme zu einer vorgezogenen Herbeiführung sämtlicher mit der Herstellung des rechtlichen Bandes zwischen den Adoptionsbeteiligten verbundenen Rechtsfolgen, obwohl sich diese Entscheidung nur auf eine Prognose mit allen ihr typischerweise anhaftenden Unsicherheiten stützen kann. Das zusätzliche Kriterium der sittlichen Rechtfertigung gewährleistet bei lediglich anzubahnenden Eltern-Kind-Verhältnissen, dass diese Begünstigung auf diejenigen Ausnahmefälle beschränkt bleibt, in denen sie durch familienbezogene Gründe ausreichend legitimiert sind. An einer solchen Legitimation fehlt es jedenfalls beim Vorliegen familienfremder Gründe für die Adoption, wenn diese nämlich gerade auf die Erlangung der auf der Wahlverwandtschaft beruhenden, punktuell günstigen Rechtspositionen vermögensrechtlicher, steuerrechtlicher, namensrechtlicher oder ausländerrechtlicher Natur abzielt. Da die Voraussetzungen der Adoption stets positiv festgestellt werden müssen, gehen Zweifel an der sittlichen Rechtfertigung auch insoweit zu Lasten der Adoptionsbeteiligten. Ergeben sich wie dies nicht selten der Fall sein dürfte im Ergebnis der Ermittlungen sowohl Anhaltspunkte für familienbezogene Beweggründe als auch Anhaltspunkte für eine familienfremde Motivation, muss der Annahmeantrag abgelehnt werden, wenn sich das Gericht in der Gesamtwürdigung nicht davon überzeugen kann, dass das konkrete Adoptionsbegehren auch dann von den Beteiligten verfolgt worden wäre, wenn der im Raum stehende familienfremde Adoptionszweck mit der Annahme nicht erreicht werden könnte.

42 dd) Die angefochtene Entscheidung steht mit diesen Grundsätzen in Einklang.

43 (1) Nach allgemeiner und zutreffender Ansicht beruht die Absicht, durch die Adoption eines ausländischen Anzunehmenden dessen aufenthaltsrechtlichen Lage zu verbessern, auf einer familienfremden Motivation und kann daher die Annahme eines Volljährigen nicht sittlich rechtfertigen (vgl. nur BayObLG FGPrax 2000, 25, 26 und FamRZ 1996, 183, 184 mwN; OLG Schleswig FGPrax 2009, 269, 271; OLG Köln FamRZ 2003, 1870, 1871; OLG Celle FamRZ 1995, 829, 830; Staudinger/Helms BGB [2019] § 1767 Rn. 35; MünchKommBGB/Maurer 8. Aufl. § 1767 Rn. 72; Erman/Teklote BGB 16. Aufl. § 1767 Rn. 10; BeckOGK/Löhnig BGB [Stand: 1. April 2021] § 1767 Rn. 34; BeckOK BGB/Pöcker [Stand: 1. Mai 2021] § 1767 Rn. 9.1 f.; Behrentin/Braun Handbuch Adoptionsrecht Rn. B 782; Molls Rechtsprobleme der Erwachsenenadoption und ihre Lösung de lege ferenda [2011], S. 86 f.). Allerdings führt anders als das Beschwerdegericht offensichtlich meint ein Adoptionsantrag, der entgegen § 6 Satz 1 StAG wirksam erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres des Anzunehmenden gestellt wird, aufseiten des volljährigen Anzunehmenden auch dann nicht zum gesetzlichen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn die anschließende Annahme gemäß § 1772 BGB mit den starken Wirkungen einer Minderjährigenadoption ausgesprochen wird (vgl. BVerwG NJW 1999, 1347, 1348). Richtig ist allerdings die weitere Erwägung des Beschwerdegerichts, dass auch die Beziehungen eines erst als Volljähriger adoptierten Ausländers zu seinen Adoptiveltern vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst werden und dass Art. 6 Abs. 1 GG als wertentscheidende Grundsatznorm dann auch in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht Bedeutung erlangen kann (vgl. BVerfG FamRZ 1989, 715, 717; vgl. auch VGH Mannheim Beschluss vom 25. Juli 2002 13 S 673/02 juris Rn. 6 ff.; Hofmann/Fränkel Ausländerrecht 2. Aufl. § 6 StAG Rn. 12 mit Fn. 30). [...]

46 a) Das Verfahren der Instanzengerichte verstößt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht gegen § 193 FamFG.

47 Allerdings ist das Familiengericht in Verfahren auf Annahme als Kind gemäß § 193 Satz 1 FamFG verpflichtet, die Kinder des Annehmenden und des Anzunehmenden zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) anzuhören (vgl. BVerfG FamRZ 2014, 1609 f.). Das verfassungsrechtlich geschützte Anhörungsrecht der leiblichen Kinder soll deren im materiellen Adoptionsrecht verankerte Rechtsposition aus § 1769 BGB, wonach die Annahme eines Volljährigen nicht ausgesprochen werden darf, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden (oder des Anzunehmenden) entgegenstehen, in verfahrensrechtlicher Hinsicht absichern (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 XII ZB 54/18 FamRZ 2020, 1481 Rn. 20, 64; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S. 248). Die Kinder sollen durch das Anhörungsrecht umfassend Gelegenheit zu der Darlegung erhalten, dass ihre vermögensrechtlichen oder immateriellen Interessen die mit dem Adoptionsantrag verfolgten Belange des Annehmenden und des Anzunehmenden im Sinne des § 1769 BGB überwiegen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 XII ZB 54/18 FamRZ 2020, 1481 Rn. 44).

48 Indessen kann die Vorschrift des § 1769 BGB, die eine Abwägung mit den Gegeninteressen der leiblichen Kinder des Annehmenden (oder des Anzunehmenden) verlangt, nach der Systematik des Gesetzes erst dann erheblich werden, wenn das Gericht zuvor die sittliche Rechtfertigung der Annahme im Sinne von § 1767 Abs. 1 BGB geprüft und bejaht hat (vgl. Staudinger/Helms BGB [2019] § 1769 Rn. 3; MünchKommBGB/Maurer 8. Aufl. § 1769 Rn. 4; BeckOGK/Löhnig BGB [Stand: 1. April 2021] § 1769 Rn. 3). Verneint das Gericht wie hier bereits die der Interessenabwägung vorgelagerte Frage nach der sittlichen Rechtfertigung der beantragten Annahme eines Volljährigen und weist es den Adoptionsantrag demzufolge zurück, sind materiell-rechtlich geschützte Interessen der leiblichen Kinder des Annehmenden, deren effektive Geltendmachung die Anhörung gemäß § 193 FamFG (allein) gewährleisten will, nicht betroffen. Obwohl das Anhörungsrecht nach § 193 FamFG grundsätzlich zwingend ausgestaltet ist, gebieten Sinn und Zweck des Gesetzes in diesen Fällen eine Anhörung der leiblichen Kinder des Annehmenden im Adoptionsverfahren nicht. [...]