BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 18.12.2019 - 1 C 2.19 - asyl.net: M30157
https://www.asyl.net/rsdb/m30157
Leitsatz:

Vorlage an den EuGH zur Unionsrechtskonformität des Familienschutzes bei unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten der Angehörigen:

1. Ist die Gewährung von Familienschutz nach § 26 AsylG an das Kind einer als Flüchtling anerkannten Referenzperson vereinbar mit dem Günstigkeitsprinzip aus Art. 3 QRL, wenn das Kind, neben der Staatsangehörigkeit der Referenzperson auch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt?

2. Spricht Art. 23 Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie (QRL), der vorsieht, dass Angehörigen von Schutzberechtigten die in der QRL vorgesehenen Folgerechte nur zu gewähren sind, soweit dies mit der "persönlichen Rechtsstellung" der Referenzperson vereinbar ist, dagegen, dass bei unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten Familienschutz nach § 26 AsylG gewährt wird?

3. Ist es angesichts des Prinzips der Subsidiarität des internationalen Schutzes von Bedeutung, dass § 26 AsylG Familienschutz auch für Angehörige vorsieht, die Schutz im Land ihrer Staatsangehörigkeit erlangen können, welches nicht mit dem Herkunftsland der Referenzperson identisch ist?

(Leitsätze der Redaktion; Antwort des EuGH: Urteil vom 09.11.2021 - C-91/20 - LW gg. Deutschland - asyl.net: M30149)

Schlagwörter: Familienasyl, Familienflüchtlingsschutz, Staatsangehörigkeit, doppelte Staatsangehörigkeit, Vorlagebeschluss, EuGH, unterschiedliche Staatsangehörigkeit, Unionsrecht, Subsidiarität, Stammberechtigter, effektiver Schutz,
Normen: AsylG § 26 Abs. 5 S. 1, AsylG § 26 Abs. 2, RL 2011/95/EU Art. 3, RL 2011/95/EU Art. Art. 23 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:

1. Ist Art. 3 RL 2011/95/EU dahin auszulegen, dass er der Vorschrift eines Mitgliedstaates entgegensteht, nach der dem minderjährigen ledigen Kind einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, eine von dieser abgeleitete Flüchtlingseigenschaft (sog. Familienflüchtlingsschutz) auch für den Fall zuzuerkennen ist, dass dieses Kind - über den anderen Elternteil - jedenfalls auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besitzt, das nicht mit dem Herkunftsland des Flüchtlings identisch ist und dessen Schutz es in Anspruch nehmen kann?

2. Ist Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU dahin auszulegen, dass die Einschränkung, wonach ein Anspruch der Familienangehörigen auf die in den Artikeln 24 bis 35 dieser Richtlinie genannten Leistungen nur zu gewähren ist, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist, es verbietet, dem minderjährigen Kind unter den in Frage 1. beschriebenen Umständen die von dem anerkannten Flüchtling abgeleitete Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen?

3. Ist für die Beantwortung der Fragen 1. und 2. von Bedeutung, ob es für das Kind und seine Eltern möglich und zumutbar ist, ihren Aufenthalt in dem Land zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit das Kind und seine Mutter besitzen, dessen Schutz diese in Anspruch nehmen können und das nicht mit dem Herkunftsland des Flüchtlings (Vaters) identisch ist, oder genügt es, dass die Familieneinheit im Bundesgebiet auf der Grundlage aufenthaltsrechtlicher Regelungen gewahrt bleiben kann? [...]

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung von Art. 3 und Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58) - RL 2011/95/EU. [...]