LG Köln

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Zitieren als:
LG Köln, Beschluss vom 25.01.2022 - 34 T 137/21 - asyl.net: M30373
https://www.asyl.net/rsdb/m30373
Leitsatz:

Mangelhafte Begründung der beantragten Haftdauer führt zu Rechtswidrigkeit der Abschiebehaft:

Ist laut Haftantrag ein längerer Zeitraum als sechs Wochen für die Organisation einer Abschiebung nötig, bedarf es einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Begründung, die die Dauer der Haft erklärt (etwa Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Luftverkehrsunternehmen, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation). Pauschale Hinweise auf eine hohe Zahl von Abschiebungen oder beschränkte Personalressourcen sind nicht ausreichend.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftdauer, begleitete Abschiebung, Sicherheitsbegleitung, Begründungserfordernis,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2, AufenthG § 62
Auszüge:

[...]

a) Der Feststellungsantrag hat auch in der Sache Erfolg. Der Haftantrag des Antragstellers war im Hinblick auf die notwendige Dauer der beantragten Freiheitsentziehung unzureichend begründet und aus diesem Grund unzulässig. [...]

b) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). [...]

Diesen Anforderungen genügte der Haftantrag des Antragstellers vom 27.09.2018 nicht.

Die Dauer der beantragten Haft von drei Monaten wurde in dem Antrag damit begründet, dass die Vorbereitungen für die Abschiebung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen werden. Nach Rücksprache mit der ZFA in Bielefeld sei eine begleitete Maßnahme im Dezember des Jahres 2018 möglich, da für Oktober und November 2018 die Kontingente ausgeschöpft bzw. alle möglichen begleiteten Flüge schon mit anderen marokkanischen Staatsangehörigen belegt worden seien. Eine begleitete Abschiebung des Betroffenen im Dezember werde auf jeden Fall erfolgen, da bei der Planung der Maßnahmen "Abschiebehaftfälle" bevorzugt bearbeitet worden. Um die Buchung eines erneuten und begleiteten Fluges sei bereits gebeten worden.

Diese Angaben sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, unzureichend (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225). Zwar ist eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwandes in aller Regel dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eine Auskunft der zuständigen Stelle beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt. Ist aber wie vorliegend ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies nachvollziehbar erklärt (etwa Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Luftverkehrsunternehmen, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation; vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11 und vom 7. März 2019 - V ZB 130/17, juris Rn. 7). Daran gemessen fehlt es hier an einer aussagekräftigen, auf den Einzelfall bezogenen Begründung dafür, warum die Rücküberstellung nach Marokko bis zu drei Monate erfordere. Konkrete Angaben zu den Zeiträumen für die einzelnen erforderlichen Verfahrensschritte werden nicht gemacht. Der pauschale Hinweis auf eine Vielzahl an begleiteten Rückführungen genügt ebenfalls nicht. Den beschränkten Personalressourcen wird regelmäßig durch eine angemessene Vorlaufzeit von sechs Wochen Rechnung getragen, sofern nicht besondere, dann aber auch darzulegende Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Mai 2019 - V ZB 236/17, juris Rn. 9 und vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 26/19, juris Rn. 9). Auch die Darlegung, dass bereits für die Monate Oktober und November 2018 sämtliche Flüge ausgebucht seien, rechtfertigt jedenfalls keine Anordnung von Sicherungshaft bis nahezu Ende Dezember, zumal eine Rückführung an den Weihnachtsfeiertagen von vornherein nicht in Betracht kommen dürfte. Durch dieses Vorgehen wurde die angeordnete Haft letztlich zu einer Vorratshaft, die das Gesetz nicht zulässt (vgl. BGH Beschl. v. 26.1.2017 - V ZB 144/15, BeckRS 2017, 108587 Rn. 8, beck-online). [...]