VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.01.2022 - 12 S 1594/21 - asyl.net: M30414
https://www.asyl.net/rsdb/m30414
Leitsatz:

Wesentlicher Zeitpunkt für Vorliegen der Bedürftigkeit bei Prozesskostenhilfe:

"Ob ein Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung des (Beschwerde-)Gerichts zu beurteilen."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Aufenthaltsrecht, Verwaltungsgericht, Prozesskostenhilfe, Beurteilungszeitpunkt, Bedürftigkeit,
Normen: VwGO § 166, VwGO § 166 Abs. 2 S. 1, ZPO § 114 Satz 1, ZPO § 115 Abs. 1 Satz 4, ZPO § 117, ZPO § 120a Abs. 1 S. 1
Auszüge:

[...]

Ob ein Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung des (Beschwerde-)Gerichts zu beurteilen. [...]

Der Kläger hat mit Schreiben vom 28.12.2021 mitgeteilt, keine Leistungen der Grundsicherung mehr zu beziehen und zwischenzeitlich nicht mehr prozesskostenhilfeberechtigt zu sein. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe scheidet aus diesem Grund im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung aus. [...]

Dass es zur Beurteilung der Bedürftigkeit des Rechtsschutzsuchenden aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - anders als für die Beurteilung der Erfolgsaussichten - auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag bzw. über die Beschwerde ankommt, und daher eine Verbesserung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nach Stellung des Antrags auf Prozesskostenhilfe bzw. nach der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts zulasten des Klägers - unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Sache - zu berücksichtigen ist, legt zum einen bereits der Wortlaut des § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO nahe. Danach sind für das prozesskostenrechtlich einzusetzende Einkommen die Beträge maßgeblich, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe und damit zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch gelten. Hierfür spricht zum anderen aber auch der Zweck der Prozesskostenhilfe. Als Sozialleistung (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG) will die Prozesskostenhilfe einer gegenwärtigen Notlage abhelfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, juris Rn. 23 ff.). Verfügt der Rechtsschutzsuchende im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über hinreichend eigenes Einkommen oder Vermögen, droht die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mehr an seiner Mittellosigkeit zu scheitern. Gesetzessystematisch wird dieses Ergebnis zudem durch die Regelung des § 120a Abs. 1 Satz 1 ZPO unterstrichen. [...]