LG Hof

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Zitieren als:
LG Hof, Beschluss vom 14.02.2022 - 24 T 115/21 - asyl.net: M30477
https://www.asyl.net/rsdb/m30477
Leitsatz:

Vollzogene Haft wegen unzureichendem Haftantrag rechtswidrig:

Soweit ein Teil der gemäß § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 FamFG im Haftantrag anzugebenden Haftdauer von der Ausländerbehörde benötigt wird, um Pass- oder sonstige Reisedokumente zu beschaffen, muss der Haftantrag darlegen, wann und aufgrund welcher Verfahrensschritte mit einer Ausstellung durch wen zu rechnen ist und auch, ob über die Ausstellung hinaus noch weitere Formalitäten erforderlich sind. Aus dem Haftantrag muss sich ergeben, ob die Beschaffung dieser Dokumente parallel zur Organisation des Fluges erfolgt oder diese Vorgänge nacheinander erfolgen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftantrag, Haftdauer, Passersatz, Passbeschaffung,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4
Auszüge:

[...]

2. Die Beschwerde ist auch begründet, weil die Rechte des Betroffenen durch den Erlass und den Vollzug des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts Hof vom 25.11.2021 verletzt wurden.

a) Es fehlte bereits an einem zulässigen Haftantrag.

aa) Ein Haftantrag ist nur zulässig, wenn er die in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bezeichneten Punkte behandelt. Die Darlegungen müssen - wenn auch in knapper Form - die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falles ansprechen. Sie müssen auf den konkreten Fall zugeschnitten sein und dürfen sich nicht in Leerformeln und Textbausteinen erschöpfen. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebevoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer, siehe § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG.

Die Durchführbarkeit der Abschiebung muss mit konkretem Bezug auf das Land, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2019 - V ZB 173/18; Beschluss vom 12.11.2019 - XIII ZB 5/19).

Soweit ein Teil der Haftdauer benötigt wird, um Pass- oder sonstige Reisedokumente zu beschaffen, bedarf es der Darlegung, wann und aufgrund welcher Verfahrensschritte mit einer Ausstellung durch wen zu rechnen ist und auch, ob über die Ausstellung hinaus noch weitere Formalitäten erforderlich sind (BGH, Beschluss vom 25.01.2018 - V ZB 201/17; Beschluss vom 19.01.2012 - VZB 70/11).

bb) Diesen Anforderungen genügten die Ausführungen zur erforderlichen Dauer der Haft in dem Antrag der Bundespolizeiinspektion Selb vom 25.11.2021 nicht.

Der Haftantrag enthält nur lückenhafte Ausführungen zu den für die Abschiebung des Betroffenen nach Russland erforderlichen Schritten und deren Zeitdauer. Angaben dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen nach Russland üblicherweise möglich sind, fehlen gänzlich.

Soweit ein Zeitraum von 8 Wochen für die Passbeschaffung angesetzt wird, fehlt es an jeglichen weiteren Ausführungen zur Begründung dieser Zeltdauer. Es wird weder die rechtliche Grundlage genannt, noch welche konkreten Schritte für die Passbeschaffung erforderlich sind und welche Dauer diese erfahrungsgemäß in Anspruch nehmen und welche Dauer im konkreten Fall zu erwarten ist.

Auch die weiteren, nach der Passbeschaffung erforderlichen Schritte, für die insgesamt weitere vier Wochen angesetzt werden, werden nur schlagwortartig und pauschal beschrieben, ohne Bezug zum konkreten Fall. Zur - bei einer Abschiebung nach Russland wohl erforderlichen - Flugbuchung enthält der Haftantrag keine Angaben. Darüber hinaus wird nicht erläutert, ob die Organisation des Fluges und die Beschaffung des Passersatzpapiers zeitlich parallel laufen oder hintereinandergeschaltet werden müssen.

Insgesamt waren die Ausführungen im Haftantrag vom 25.11.2021 daher nicht geeignet, die beantragte Haftdauer von 12 Wochen plausibel zu begründen.

b) Aufgrund des unzulässigen Haftantrags hätte das Amtsgericht keine Haft anordnen dürfen. Der angefochtene Beschluss vom 25.11.2021 hat den Betroffenen deshalb in seinen Rechten verletzt. [...]