VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.02.2022 - A 4 S 162/22 - asyl.net: M30517
https://www.asyl.net/rsdb/m30517
Leitsatz:

Zur Erledigung eines Dublin-Bescheids und den Möglichkeiten nachträglichen Rechtsschutzes:

1. Durch die Rückreise in den Heimatstaat und dortigen Aufenthalt von über drei Monaten erledigt sich die Unzulässigkeitsentscheidung eines Dublin-Bescheids. 

2. Die Überstellung in einen Mitgliedstaat führt zur Erledigung der ihr zugrundeliegenden Abschiebungsanordnung.

3. Nach Erledigung des Bescheids ist dessen Rechtmäßigkeit regelmäßig nicht im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage zu überprüfen. Das hierfür erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt bezüglich eines erledigten Dublin-Bescheids regelmäßig fern.

4. Gesunden und arbeitsfähigen alleinstehenden volljährigen Personen droht in Bulgarien grundsätzlich keine Verelendung im Sinne von Art. 4 GR-Charta oder Art. 3 EMRK.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Bulgarien, Überstellung, Erledigung, Fortsetzungsfeststellungsklage, Fortsetzungsfeststellungsinteresse,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, AsylG § 34a Abs. 1 S. 1, VwGO § 113 Abs. 4, EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4,
Auszüge:

[...]

Keine wesentlichen Rechtswirkungen gehen heute weiter von der Feststellung des Bundesamts in Nr. 2 des Bescheids vom 06.07.2017 mehr aus, wonach bezüglich Bulgarien keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Zwar entfaltet diese Feststellung gemäß § 42 Satz 1 AsylG grundsätzlich Bindungswirkung hinsichtlich ausländerrechtlicher Entscheidungen. Sie betrifft allerdings ausschließlich die deutschen Ausländerbehörden (vgl. Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 42 AsylG Rn. 2). Nachdem der Kläger heute mit seiner Familie in Afghanistan oder Pakistan lebt, ist nicht erkennbar, welche ausländerrechtlichen Verfahren er in Deutschland führen könnte, in denen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bezüglich Bulgarien eine Rolle spielen könnten. Zudem erscheint in Dublinverfahren Nr. 2 des Bescheids eng mit der Unzulässigkeitsentscheidung in dessen Nr. 1 verbunden, weshalb sich diese beiden Regelungen nach erfolgter Rückführung und Weiterreise in den Heimatstaat mit dortigem Aufenthalt über drei Monate regelmäßig gemeinsam erledigen. [...]

II. Aufgrund der vollständigen Erledigung des streitgegenständlichen Bundesamtsbescheids vom 06.07.2017 kann der Kläger nach mehr als dreimonatiger Rückkehr in seine Heimat mithin nur den ursprünglich als Haupt- und nun hilfsweise gestellten (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Kombination nur BVerwG, Urteil vom 15.11.1990 - 3 C 49.87 -, NVwZ 1991, 570) Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiterverfolgen. Hier-nach spricht das Gericht, hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings kann mangels berechtigten Fortsetzungsfeststellungsinteresses keinen Erfolg haben. [...]