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Zitieren als:
BAMF, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 31.03.2022 - 61D 7600/71-2022 - asyl.net: M30573
https://www.asyl.net/rsdb/m30573
Leitsatz:

Schreiben an die Oberverwaltungsgerichte: Aufhebung der Rückpriorisierung der Asylanträge von Personen mit internationalem Schutz in Griechenland:

1. Die Zurückstellung der Asylanträge von Personen mit internationalem Schutz in Griechenland sowie nachgeborener Kinder wird aufgehoben.

2. Bei der Bearbeitung der bis jetzt zurückgestellten Anträge sollen sicherheitsrelevante Fälle sowie Anträge von vulnerablen oder besonders schutzbedürftigen Personen priorisiert behandelt werden. Gleiches gilt für die Asylverfahren, in denen das BAMF gerichtlich zu einer Entscheidung über den Asylantrag verpflichtet worden ist.

3. Eine Bindungswirkung an die in Griechenland getroffene Entscheidung besteht nicht. Vielmehr ist eine eigene Prüfung der Asylgründe hinsichtlich des Herkunftslandes vorzunehmen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Griechenland, internationaler Schutz in EU-Staat, Unzulässigkeit, Zulässigkeit, ausländische Anerkennung, Lebensbedingungen, Sekundärmigration, Anerkannte, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Aufnahmebedingungen, Bindungswirkung,
Normen: EMRK Art. 3, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, AsylG § 77 Abs. 1, GR-Charta Art. 4, VwGO § 75,
Auszüge:

[...]

Wie Ihnen bekannt, hatte das Bundesamt seit 24. Januar 2021 Entscheidungen in Asylverfahren, denen eine Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland vorangegangen war, sowie nachgeborener Kinder dieser Personengruppe zurückgestellt.

Die Zurückstellung erfolgte vor dem Hintergrund der Urteile deutscher Verwaltungsgerichte, die die Auffassung vertreten, dass die Aufnahmebedingungen in Griechenland für schutzberechtigte Personen nicht den europäischen Mindeststandards entsprächen und daher eine Verletzung von Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCH drohe. Der Bundesregierung und der Europäischen Kommission sollte dadurch Gelegenheit gegeben werden, durch Verhandlungen mit Griechenland eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen herbeizuführen. Ziel war es, die dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugrundeliegende Zuständigkeit nur eines Staates für die Durchführung eines Asylverfahrens auch im Verhältnis zu Griechenland durchzusetzen.

Die diesbezüglichen politischen Anstrengungen dauern weiterhin an, allerdings lässt die Zahl von mittlerweile rd. 44.000 zurückgestellten Entscheidungen ein längeres Zuwarten nicht mehr zu. Das Bundesamt hat daher seit 1. April 2022 die Entscheidungstätigkeit in diesen Verfahren wieder aufgenommen, wobei sicherheitsrelevante Fälle sowie Anträge von vulnerablen oder besonders schutzbedürftigen Personen Vorrang genießen. Das gilt auch für Verfahren, in denen das Bundesamt zu einer Entscheidung verpflichtet worden ist.

Das Bundesamt behält sich weiterhin in begründbaren Einzelfällen vor, die Asylanträge als unzulässig gern.§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abzulehnen, sollte den Antragstellenden entsprechend der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 19. März 2019, Az.: C-297 /17 u.a.; Beschluss vom 13. November 2019, Az.: C-540/17 u.a.) aus individuellen Gründen keine Gefahr nach Art. 3 EMRK, Art. 4 GrCH drohen. Die inhaltliche Prüfung der Asylanträge wird ergebnisoffen erfolgen. Bei der Sachentscheidung ist das Bundesamt nicht an die in Griechenland getroffene Entscheidung gebunden, sondern wird eine eigene Prüfung der Asylgründe hinsichtlich des Herkunftslandes vornehmen.

In den anhängigen Klageverfahren wird das Bundesamt entsprechend verfahren. [...]