OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 18.03.2022 - 2 B 506/21 - asyl.net: M30604
https://www.asyl.net/rsdb/m30604
Leitsatz:

Kein Eilrechtsschutz bei zumutbarer vorübergehender Familientrennung innerhalb eines Bundeslandes:

"In einem anderen (benachbarten) Bundesland bestehende familiäre oder sonstige zwingende Gründe können ein Hindernis für die Vollstreckung einer Verteilungsentscheidung darstellen, das zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsmittelandrohung führt."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Verteilungsverfahren, familiäre Lebensgemeinschaft, Trennung, Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft, Familienangehörige,
Normen: AufenthG § 15a Abs. 1 S. 6, AufenthG § 15a Abs. 4 S. 4
Auszüge:

[…]

aa) Allerdings steht einem Erfolg des Eilantrags gegen die Zwangsmittelandrohung nicht entgegen, dass sowohl der Ort, an dem der Antragsteller mit seiner Familie zusammenlebt (...), als auch der Ort, dem die Verteilungsentscheidung ihn zuweist (...), in Niedersachsen liegen. Im angefochtenen Bescheid wird dem Antragsteller nicht allgemein aufgegeben, sich irgendwohin in Niedersachsen zu begeben, sondern konkret nach .... Entsprechend wird ihm für den Fall, dass er sich nicht nach ... begibt, die zwangsweise Verbringung genau dorthin angedroht. Der Bescheid ermöglicht also eine zwangsweise Verbringung des Antragstellers von, wo er mit seiner Familie in häuslicher Gemeinschaft lebt, nach .... Für diese zwangsweise Verbringung wäre nicht eine niedersächsische Behörde zuständig, sondern die Antragstellerin. Denn sie hat den zu vollstreckenden Verteilungsbescheid erlassen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 BremVwVG). Damit wäre der Eingriff in das Familienleben des Antragstellers (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK) durch eine solche Vollstreckung ihr zuzurechnen. Die Rechtsprechung, wonach in einem anderen (benachbarten) Bundesland bestehende familiäre oder sonstige zwingende Gründe nicht bei der Verteilungsentscheidung berücksichtigt werden können (OVG Hamburg, Beschl. v. 10.03.2016 – 4 Bs 3/16, juris Rn. 18 ff.; OVG Bremen, Beschl. v. 06.04.2018 – 1 B 33/18, juris Rn. 10), kann daher nicht auf die Zwangsmittelandrohung übertragen werden, wenn der Ausländer in dem benachbarten Bundesland eine häusliche Gemeinschaft mit Angehörigen der Kernfamilie faktisch hergestellt hat.

bb) Dem Beschwerdevorbringen kann aber nicht entnommen werden, dass aus der häuslichen Gemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau und seinen Kindern ein Hindernis für die Vollstreckung der Verteilungsentscheidung folgt. Für die Frage, ob ein Vollstreckungshindernis vorliegt, kommt es darauf an, ob der Familie eine vorübergehende Trennung bis zur Entscheidung über eine landesinterne Weiterverteilung an den Ort der häuslichen Gemeinschaft (§ 15a Abs. 4 Satz 4 AufenthG) zumutbar ist (vgl. mutatis mutandis OVG Bremen, Beschl. v. 04.02.2022 – 2 B 458/21, juris Rn. 23; Beschl. v. 20.04.2021 – 2 B 20/21, juris Rn. 11). Der Antragsteller lebte nach eigenen Angaben 15 Jahre lang getrennt von seiner Familie und hatte den Kontakt zu ihr verloren. Sein jüngstes Kind ist inzwischen 16 Jahre alt. Eine besondere Hilfsbedürftigkeit eines Familienmitglieds ist nicht vorgetragen. Vor diesem Hintergrund kann ihm und seiner Familie eine nochmalige vorübergehende Trennung, bis über seine Weiterverteilung innerhalb Niedersachsens von ... nach … entschieden ist, zugemutet werden. [...]