VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Urteil vom 09.03.2022 - 2 A 256/18 - asyl.net: M30613
https://www.asyl.net/rsdb/m30613
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für homosexuellen Mann aus der Russischen Föderation wegen staatlicher Verfolgung:

1. Einer homosexuellen Person, die in Russland wegen vermeintlicher Verletzungen gegen das "Propagandaverbotsgesetz" verhört und misshandelt wurde, ist vorverfolgt ausgereist, und ihr droht bei einer Rückkehr staatliche Verfolgung.

2. Homosexuelle Personen bilden in Russland eine soziale Gruppe nach § 3b Abs.1 Nr. 4 AsylG. Zudem knüpfen im vorliegenden Fall die Verfolgungshandlungen auch an das Merkmal der politischen Überzeugung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 AsylG an, da der Kläger sich zusammen mit seinem Ehemann für LSBTI-Themen in Russland politisch engagiert hat.

3. Das "Propagandaverbotsgesetz" aus dem Jahr 2013, welches das öffentliche Ausleben homosexueller Handlungen implizit unter Strafe stellt, gilt fort. Aufgrund neuer Gesetze, die im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg beschlossen wurden, dürfte staatliche Überwachung und Unterdrückung abweichender Meinungen sogar noch zunehmen.

4. Bei Übergriffen durch die Polizei handelt es sich nicht um extralegale Handlungen einzelner Personen. Vielmehr bauen diese auf einem staatlich geschaffenen homophoben Nährboden auf und sind somit dem russischen Staat zurechenbar.

5. Eine legale Ausreise spricht nicht gegen eine hinreichende Verfolgungswahrscheinlichkeit, da die Ausreise missbilligter Personen teilweise staatlich auch erwünscht ist.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Russische Föderation, Russland, homosexuell, LSBTI, Flüchtlingsschutz, sexuelle Orientierung,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3a, AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4, AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 5, AsylG § 3c,
Auszüge:

[...]

1. In der Person des Klägers liegen Verfolgungsgründe vor.

Das Gericht hat - ebenso wie das Bundesamt - keinen Zweifel daran, dass der Kläger homosexuell ist. Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass er damit in seinem Heimatland einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG angehört, deren Mitglieder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nach den hierzu vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien (EuGH, Urt. v. 7.11.2013 - C-199/12 bis C-201/12 - NVwZ 2014, 132 = juris Rn. 44-49) eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der dortigen Gesellschaft als andersartig betrachtet werden. Die hierzu vorliegenden Erkenntnismittel bestätigen übereinstimmend, dass erhebliche Teile der Bevölkerung der Russischen Föderation Vorbehalte gegenüber Homosexuellen haben (Bay. VGH, Urt. v. 19.4.2021 - 11 B 19.30575 -, juris). […]

Auch wenn Homosexualität als solche in der Russischen Föderation nicht strafbar ist, tragen zudem von Seiten des Staates weitere legislative und administrative Maßnahmen, insbesondere das "Gesetz zum Verbot von Propaganda nicht traditioneller sexueller Beziehungen unter Minderjährigen" vom 30. Juni 2013 (Propagandaverbotsgesetz), dazu bei, dass bei einem erheblichen Teil der Bevölkerung starke Vorbehalte gegenüber Homosexuellen anzutreffen sind. [...]

Überdies entspringt das Engagement des Klägers und seines Mannes für LGBT-Themen einer politischen Überzeugung im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Seine Grundhaltung zu diesen Fragen weicht erheblich von den Grundhaltungen ab, die der russische Staat wie dargestellt in diesen Fragen vertritt.

2. Dem Kläger drohen anknüpfend an die genannten Verfolgungsgründe, also aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Homosexuellen sowie seiner diesbezüglichen politischen Überzeugungen gravierende individuelle Verfolgungsmaßnahmen.

Bei der insoweit anzustellenden Prognose ist davon auszugehen, dass der Kläger gemeinsam mit seinem Mann nach Russland zurückkehren würde, unabhängig vom Ausgang von dessen Asylverfahren. Denn für die Prognose der bei einer Rückkehr drohenden Gefahren ist bei realitätsnaher Betrachtung der Rückkehrsituation im Regelfall davon auszugehen, dass eine im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebende Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) im Familienverbund in ihr Herkunftsland zurückkehrt (BVerwG, Urt. v. 4.7.2019 - 1 C 45.18 -, juris). Zur Kernfamilie gehört auch der Mann des Klägers, mit dem er seit dem ... 2021 verheiratet ist.

Im Rahmen der Verfolgungsprognose ist zunächst zu berücksichtigen, was dem Kläger vor seiner Ausreise widerfahren ist. Denn aufgrund der in Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie enthaltenen Verfolgungsvermutung besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Verfolgungshandlungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden.

Der Kläger wurde bereits einmal von der Polizei mitgenommen. Ihm wurde mit einer Verurteilung wegen des Propagandaverbotsgesetzes gedroht; außerdem wurde ihm implizit gedroht, ihm werde eine andere Straftat (Drogendelikte) untergeschoben. Während seines Aufenthalts bei der Polizei wurden seine grundlegenden Rechte nicht gewahrt, zudem wurde er unter Ausnutzung seiner Konstitution gedemütigt. [...]

Stichhaltige Gründe, dass dem Kläger Vergleichbares nicht noch einmal drohen wird, sind nicht ersichtlich. An der objektiven Lage Homosexueller in Russland hat sich nichts geändert. Das Propagandaverbotsgesetz ist weiter in Kraft. Aufgrund der neuesten Gesetze, die im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg beschlossen wurden, dürften staatliche Überwachung und Unterdrückung abweichender Meinungen sogar noch zunehmen. In subjektiver Hinsicht ist im Rahmen der Verfolgungsprognose zu berücksichtigen, dass der Kläger zwischenzeitlich mit seinem Lebensgefährten verheiratet ist. Das zeigt, dass es ihm und seinem Mann ein Bedürfnis ist, ihre Homosexualität auch nach außen zu leben. Zudem wird der Kläger auch in Zukunft aufgrund des menschenrechtlichen Engagements seines Mannes in das Visier der Sicherheitskräfte geraten, was wiederum - wie schon vor seiner Ausreise - missbräuchliche Übergriffe auf seine Person begünstigen würde.

Gegen die mit der Verfolgungsvermutung begründete beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit lässt sich nicht anführen, dass es sich bei der Drohung um eine einmalige extralegale Handlung eines einzelnen Polizeibeamten gehandelt haben könnte. Denn die Drohungen, die die Polizei gegenüber dem Kläger ausgesprochen hat, bauten auf dem insbesondere staatlicherseits geschaffenen homophoben Nährboden auf; insofern ist anzunehmen, dass die handelnden Polizisten davon ausgegangen sind, ihr Verhalten sei staatlicherseits erwünscht bzw. werde gebilligt. Jedenfalls erscheint es fernliegend, dass der Kläger wegen eines solchen Vorfalls staatlichen (Rechts-)Schutz in Anspruch nehmen könnte.

Soweit das Bundesamt eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit mit dem Argument verneint hat, der Kläger und sein Lebensgefährte hätten problemlos ausreisen können, weil ein Staat, der die Verfolgung einer ihm missliebigen Person beabsichtige, in aller Regel geeignete Maßnahmen ergreifen werde, um dieser Person auch habhaft zu werden, überzeugt dies nicht. Denn gerade bei Personen, die andere Überzeugungen oder Lebensweisen haben als die in dem Verfolgerstaat als vorzugswürdig propagierten, kann diesem die Ausreise der missliebigen Person sogar gelegen kommen. Insofern erlaubt eine staatlicherseits gebilligte bzw. nicht verhinderte Ausreise nicht den Schluss, der Staat werde diese Personen nach ihrer Rückkehr nicht wiederum verfolgen. Von dem Kläger und seinem Ehemann kann auch nicht verlangt werden, ihr Engagement ruhen zu lassen bzw. ihre Homosexualität im Verborgenen zu leben, denn asylrechtlicher Schutz darf niemandem unter Verweis auf die Möglichkeit versagt werden, beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung zurückhaltend zu sein oder seine homosexuelle Orientierung im Herkunftsstaat geheimzuhalten (vgl. EuGH, Urt.v. 7.11.2013 - C-199/12 bis C-201/12 -, juris Rn. 65 ff.; BVerfG, Beschl. v. 22.1.2020 - 2 BvR 1807/19 -, juris Rn. 19).

3. Die dem Kläger drohenden Maßnahmen sind als Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG zu qualifizieren. [...]

Zwar ist davon auszugehen. dass allein die Existenz des Propagandaverbotsgesetzes noch keine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG darstellt. Der EuGH hat bezüglich gesetzlicher Regelungen, durch die homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, ausgeführt, dass diese als solche keine Verfolgungshandlung darstellten; eine solche könne aber gegeben sein, wenn die Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht seien, tatsächlich verhängt werde. Denn die von einer solchen Regelung betroffenen Grundrechte, gehörten nicht zu den Grundrechten, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig sei (EuGH, Urt. v. 7.11.2013 - C-199/12 bis C-201/12 -, juris Rn. 61). Hier liegt bereits kein Gesetz vor, das die Vornahme homosexueller Handlungen unter Strafe stellt. So hat das das russische Verfassungsgericht nach Erkenntnissen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in einem Beschluss vom 23. September 2014 klargestellt, dass die Vorschrift nicht als Verbot "nicht traditioneller", insbesondere homosexueller Beziehungen, verstanden werden könne und einer solchen weiten Auslegung nicht zugänglich sei (Bay. VGH, Urt v. 19.2.2021 - 11 B 19.30575 -, juris Rn. 37). Auch werden aufgrund des Gesetzes im Wesentlichen lediglich Geldstrafen angedroht.

In die erforderliche Kumulationsbetrachtung ist gleichwohl einzustellen, dass auch dem Propagandaverbotsgesetz als solchem durchaus eine erhebliche Eingriffswirkung zukommt. In der Kommentarliteratur wird ausgeführt, dass ein ausländisches Strafgesetz, das - wie das Propagandaverbotsgesetz - bereits die bloße gewaltfreie Ausübung der Meinungsfreiheit unter Strafe stellt, eindeutig eine völlig grundlose und deshalb rechtswidrige schwere Rechtsverletzung in Form einer als solche "diskriminierenden" Bestrafung enthält, kann damit bereits in sich selbst einen Verfolgungseingriff ausreichender Schwere darstellen (Treiber, in: GK Asyl, § 3a Rn. 164). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen des Propagandaverbotsgesetzes verurteilt und festgestellt, es verletze Art. 10 und Art. 14 EMRK (EGMR, Urt. v. 20.6.2017 - 67667/09, Bayyev u.a. gegen Russland -, Volltext abrufbar bei HUDOC). Zur Begründung führte der EGMR aus, die fraglichen rechtlichen Bestimmungen dienten nicht dazu, das legitime Ziel des Schutzes der Moral zu fördern; im Hinblick auf die die für die Erreichung der erklärten legitimen Ziele des Schutzes der Gesundheit und der Rechte anderer seien sie kontraproduktiv. In seinem Urteil wies der EGMR auch auf die mittelbaren Wirkungen des Gesetzes hin: Seine Regelungen eröffneten angesichts der Unklarheit der in dem Gesetz verwendeten Terminologie und ihres potentiell unlimitierten Anwendungsbereichs Missbrauchsmöglichkeiten. Zudem verstärke Russland durch die Annahme dieses Gesetze Stigmata und Vorurteile und ermutige zu Homophobie. Insofern ist - mit dem EGMR zu befürchten - dass infolge des Gesetzes mittelbar Druck entsteht, homosexuelle Neigungen geheimzuhalten, was wiederum ein Eingriff in Menschenrechte darstellt, denn jeder hat das Recht, sich offen als homosexuell, lesbisch oder einer anderen Minderheit zugehörig zu bekennen und für seine Rechte und Freiheiten einzutreten (EGMR, Urt. v. 20.6.2017 - 67667/09 u.a. - juris Rn. 66; Bay. VGH, Urt. v. 19.4.2021 - 11 B 19.30575 -, juris Rn. 38). Insofern stellte der EGMR, auch wenn dies in dem von ihm entschiedenen Fall nicht entscheidungserheblich war, fest, dass schon das Bestehen des Gesetzes als solches das zentrale Problem in diesem Fall sei. Denn die Beschwerdeführer rügten die allgemeine Auswirkung des Gesetzes auf ihr Leben, dass es sie nämlich nicht nur daran hindere, sich für LGBT-Rechte einzusetzen, sondern auch von ihnen verlangen würde, sich der Anwesenheit von Minderjährigen während ihrer täglichen Aktivitäten bewusst zu sein, um ihre sexuelle Orientierung vor diesen verbergen zu können.

Im Einzelfall des Klägers ist zudem zu berücksichtigen, dass er nicht allein durch das Bestehen des Gesetzes in seinen Rechten beeinträchtigt wird, sondern - angesichts des fluchtauslösenden Geschehens - die konkrete Gefahr besteht, dass er wegen des Propagandaverbotsgesetzes tatsächlich ins Visier der Sicherheitskräfte geraten und auf Grundlage des Propagandaverbotsgesetzes in diskriminierender und unverhältnismäßiger Weise tatsächlich bestraft wird. Überdies besteht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass die Regelungen des Propagandaverbotsgesetzes von den Sicherheitskräften in missbräuchlicher Weise eingesetzt werden, um den Kläger und seinen Mann unter Druck zu setzen und ihr Engagement für die LGBT-Bewegung zu unterbinden.

Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass der Kläger sich als homosexueller Mann in Russland in einer "schwierigen Situation" befindet, auch wenn die Übergriffe nicht genügen dürften, um von einer Gruppenverfolgung Homosexueller in Russland ausgehen zu können. [...]

Vor diesem Hintergrund ist im Einzelfall des Klägers davon auszugehen, dass den ihm drohenden Eingriffen in seine Rechte jedenfalls in ihrer Kumulation die nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erforderliche Schwere zukommt. Er befindet sich aufgrund seiner Beziehung zu seinem in der LGBT-Bewegung engagierten Mann objektiv in einer exponierten Situation, was es beachtlich wahrscheinlich macht, dass er wegen des Propagandaverbotsgesetzes oder ihm unterschobener anderer Delikte wiederholt ins Visier der Sicherheitskräfte gerät oder aber gesellschaftlichen Übergriffen ausgesetzt ist. Zudem würden ihn die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Maßnahmen in subjektiver Hinsicht besonders schwer treffen, was bei der Beurteilung der Schwere zu berücksichtigen ist. Insofern sind die Maßnahmen, Beeinträchtigungen usw. darauf zu prüfen, ob sie nach ihrer Quantität und Qualität die Betroffenen so dauerhaft, alltäglich und erheblich verbreitet treffen, dass sich daraus das erforderliche Maß an Schwere ergibt (Treiber, in: GK Asyl, § 3a Rn. 113; Kluth, in: BeckOK AuslR, 32. Ed. 1.1.2022, AsylG § 3a Rn. 9, 10).

Hier steht der Kläger als gehör1ose Person einem "robusten" polizeilichen Vorgehen wie auch der gesellschaftlichen Ächtung weitgehend hilflos gegenüber. Er ist deshalb besonders vulnerabel. Der Kläger hat in der vom Gericht angeforderten persönlichen Stellungnahme plastisch beschrieben, wie erniedrigend er die Behandlung durch die Polizei empfunden und wie nachhaltig ihn dieses Erlebnis in seinem Alltag beeinträchtigt hat. Aufgrund seiner Hilflosigkeit ist er für derartiges missbräuchliches und ggf. sadistisches Vorgehen von Seiten der Polizei auch in Zukunft besonders anfällig. Schon seine fluchtauslösende Begegnung mit der Polizei war davon geprägt, dass die handelnden Beamten seine Hilflosigkeit ausnutzten. Dem kann nicht entgegengehalten werden, bei den Handlungen der Beamten habe es sich um individuelle, kriminelle Exzesse gehandelt. Denn in ihnen hat sich genau das durch das Propagandaverbotsgesetz geschaffene, auch vom EGMR als solches erkannte (Missbrauchs-)Risiko verwirklicht. Insofern würde dem Kläger bei Rückkehr nach Russland ein Leben in ständiger Angst drohen, in dem er sich zudem zu seinem Mann nicht offen bekennen könnte. Insgesamt liegen darum die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung vor.

4. Die Verfolgung geht von einem Akteur im Sinne des § 3c AsylG aus. Soweit die Eingriffswirkungen des Propagandaverbotsgesetzes in Frage stehen, geht die Verfolgung ohne weiteres von den gesetzgebenden Organen und damit vom Staat aus. Soweit im Wege der Kumulationsbetrachtung auf die fluchtauslösenden Handlungen durch die Sicherheitskräfte abgestellt wurde, sind diese ebenfalls dem Staat zurechenbar. Es handelt sich nicht um individuelles, dem Staat nicht zurechenbares Fehlverhalten einzelner Polizeibeamten. Denn zum einen haben die Polizisten diese Handlungen in ihrer Eigenschaft als staatliche Organe vorgenommen; zum anderen verwirklicht sich in diesen Handlungen eben jenes Risiko, das der Staat durch das Inkraftsetzen des Propagandaverbotsgesetzes selbst geschaffen hat. Bei realitätsnaher Betrachtung ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger wegen der Handlungen der Polizisten mit Erfolg um Rechtsschutz oder sonstigen staatlichen Schutz hätte nachsuchen können. Ebenso ist das gesellschaftliche Klima der Verachtung gegenüber Homosexuellen dem Staat zurechenbar, weil der Staat nicht willens ist, daran anknüpfende Übergriffe zu unterbinden (vgl. § 3c Abs. 1 Nr. 3 AsylG). [...]