VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 09.02.2022 - 9 K 1821/21.TR - asyl.net: M30659
https://www.asyl.net/rsdb/m30659
Leitsatz:

Rechtswidrigkeit der Aufforderung, einen afghanischen Pass zu beantragen:

Eine an afghanische Staatsangehörige gerichtete Ordnungsverfügung, einen Pass beim afghanischen Generalkonsulat zu beantragen, ist rechtswidrig. Das geforderte Verhalten ist unmöglich. Nach der Machtübernahme der Taliban besteht in Afghanistan kein geordneter Staatsapparat mehr.

(Leitsätze der Redaktion; laut niedersächsischem Innenministerium ist die Passbeschaffung derzeit nicht möglich, die Passverlängerung zumutbar: Erlass vom 08.03.2022 - 63.23/12231-2/AFG-G/01-03-3 - asyl.net: M30770)

Schlagwörter: Afghanistan, Passbeschaffung, Mitwirkungspflicht, Zwangsmittel,
Normen:
Auszüge:

[...]

Die im Bescheid festgehaltene Verpflichtung des Klägers, seinen Pass oder ein Passersatzpapier oder einen Nachweis über einen entsprechenden bearbeitungsfähigen Antrag beim Beklagten vorzulegen, besteht zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht. [...]

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits über einen Pass oder ein Passersatzpapier verfügt, sind jedoch zunächst weder vorgetragen noch ersichtlich.

Daneben ist es dem Kläger aufgrund der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan jedenfalls seit Ende August 2021 nicht mehr möglich, den übrigen diesbezüglichen Verpflichtungen bzw. Obliegenheiten nachzukommen. Nach der Machtübernahme der Taliban besteht in Afghanistan kein geordneter Staatsapparat mehr. Die Taliban leiten ihren Herrschaftsanspruch ausschließlich religiös her. Trotz Ernennung einer Übergangsregierung durch die Taliban am 7. September 2021 bleiben zentrale Fragen nach der zukünftigen Verfasstheit und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des afghanischen Staates weitgehend ungeklärt. Dies schließt insbesondere auch Justiz und Rechtswesen ein (vgl. ausführlich Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan vom 22. Oktober 2021, Seite 4 f.).

Die deutschen wie auch alle übrigen ausländischen Botschaften in Afghanistan sind geschlossen. Gleichfalls wird die de-facto-Regierung durch die Taliban im Ausland nicht anerkannt.

Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger grundsätzlich – vom Beklagten auch ausdrücklich zugestanden – unmöglich, wie im sreitgegenständlichen Bescheid gefordert, ein entsprechendes Passdokument zu beantragen oder zu beschaffen.

Zu einer objektiv unmöglichen Leistung kann jedoch niemand verpflichtet werden, vgl. § 44 Abs. 2 Nr. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Damit geht auch die in den Ziff. 1 und 2 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung niedergelegte Aufforderung des Beklagten fehl. [...]