Grundsätzlich Pflicht zur persönlichen Anhörung im Asylfolgeverfahren:
1. Im Folgeantragsverfahren hat grundsätzlich eine persönliche Anhörung im Sinne von § 25 Abs. 1 AsylG zu erfolgen. Nur ausnahmsweise kann das BAMF von einer persönlichen Anhörung absehen, wobei diese Entscheidung im Ermessen des BAMF steht.
2. Das Absehen von einer persönlichen Anhörung bedarf einer Begründung. Sind keinerlei Ermessenserwägungen erkennbar, liegt ein Ermessensfehler in Form des Ermessensnichtgebrauchs vor.
3. § 46 VwVfG, wonach ein Verfahrensfehler unbeachtlich ist, wenn dieser die Entscheidung offensichtlich nicht beeinflusst hat, ist nur dann mit Art. 14, Art. 34 AsylVerf-RL (RL 2013/32/EU) vereinbar, wenn der antragstellenden Person in einer Art. 15 AsylVerf-RL entsprechenden, persönlichen Anhörung Gelegenheit gegeben worden ist, sämtliche gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens in der Sache keine andere Entscheidung ergehen kann.
4. Eine Heilung des Verfahrensfehlers nach § 45 VwVfG scheidet aus, weil dem BAMF der Mangel der Anhörung nicht bewusst war und eine Anhörung des Klägers gemäß § 25 Abs. 1 AsylG nicht erfolgt oder zumindest die Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 29 Abs. 2 S. 1 AsylG nicht eingeräumt worden ist.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Der Bescheid des Bundesamtes vom 03. Dezember 2020 ist rechtswidrig, weil das Bundesamt die nach § 71 Abs. 3 Satz 3 AsylG erforderliche Anhörung des Klägers unterlassen hat (a). Der Mangel der unterlassenen Anhörung ist nicht unbeachtlich (b) und wurde nicht geheilt (c).
a. Der Bescheid des Bundesamtes vom 03. Dezember 2020 ist rechtswidrig, weil das Bundesamt die nach § 71 Abs. 3 Satz 3 AsylG erforderliche Anhörung des Klägers rechtswidrig unterlassen hat. Zwar kann das Bundesamt im Folgeantragsverfahren nach § 71 Abs. 3 Satz 3 AsylG von einer Anhörung des Folgeantragstellers absehen. Die Anhörung des Folgeantragstellers ist danach aber nicht von Gesetzes wegen grundsätzlich entbehrlich. Im Gegenteil ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung ("kann absehen"), dass eine Anhörung, womit die persönliche Anhörung im Sinne von § 25 AsylG gemeint ist, grundsätzlich zu erfolgen hat, das ausnahmsweise Absehen von einer solchen aber möglich und in das Ermessen des Bundesamtes gestellt ist [...].
Räumt eine Vorschrift der Behörde - wie hier § 71 Abs. 5 Satz 2 AslyG - die Befugnis ein, darüber zu entscheiden, ob auf eine grundsätzlich erforderliche Anhörung verzichtet wird, steht die insofern zu treffende Entscheidung über den Verzicht im Verfahrensermessen der Behörde. Diese Entscheidung bedarf einer Begründung, die nicht gesondert erfolgen muss, sondern auch in der abschließenden Sachentscheidung erfolgen kann. Sie muss ferner erkennen lassen, auf welchen Erwägungen die Entscheidung, von der Anhörung abzusehen, beruht [...].
Diesen Anforderungen wird der Bescheid des Bundesamtes vom 03. Dezember 2020 nicht gerecht. Das Bundesamt hat von seinem Verfahrensermessen keinen Gebrauch gemacht, was einen der gerichtlichen Überprüfung unterliegenden Ermessensfehler (vgl. §§ 40 VwVfG NRW, 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO) in Form des Ermessensausfalls bzw. des Ermessensnichtgebrauchs darstellt. [...]
b. Der Fehler der unterlassenen Anhörung ist auch nicht unbeachtlich nach § 46 VwVfG. [...]
Die Anwendung des § 46 VwVfG ist jedoch nur mit Art. 14 und Art. 34 der Richtlinie 2013/32/EU [...] vereinbar, wenn dem Ausländer - im Gegensatz zum Verfahrensverlauf im hiesigen - asylgerichtlichen Verfahren in einer die grundlegenden Bedingungen und Garantien im Sinne des Art. 15 Richtlinie 2013/32/EU wahrenden persönlichen Anhörung Gelegenheit gegeben worden ist, sämtliche gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen, und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens in der Sache keine andere Entscheidung ergehen kann [...]
c. Die fehlende Anhörung ist auch nicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW geheilt. Nach dieser Norm ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die den Verwaltungsakt nicht nach § 44 VwVfG NRW nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. [...]
Daher ist eine Heilung bisher nicht erfolgt. Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes ist eine ausnahmsweise Heilung im gerichtlichen Verfahren bereits deswegen nicht anzunehmen, weil sich das Bundesamt des Mangels der Anhörung bisher nicht bewusst war und eine unabdingbare persönliche Anhörung des Klägers im Sinne von § 25 Abs. 1 AsylG oder aber zumindest die Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 29 Abs. 2 Satz 2 AsylG nicht erfolgt sind. [...]