VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 14.04.2022 - 15 K 966/17.A - asyl.net: M30714
https://www.asyl.net/rsdb/m30714
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung hinsichtlich Guineas wegen Konversion zum Christentum:

1. Personen, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind, droht in Guinea religiöse Verfolgung.

2. Der Staat ist kaum in der Lage und willens, seine Vorschriften und Maßgaben durchzusetzen. Auf den Schutz durch staatliche Stellen kann nicht vertraut werden.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Guinea, Christen, Konvertiten, Konversion, nichtstaatliche Verfolgung, religiöse Verfolgung, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, Schutzakteur
Normen: AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 2, AsylG § 3d Abs. 1, AsylG § 3d Abs. 2
Auszüge:

[...]

Zunächst hat der Kläger glaubhaft vorgetragen, zum katholischen Glauben übergetreten zu sein und deshalb in Guinea misshandelt worden zu sein. Sein Vorbringen vor dem Bundesamt und der Kammer zu den Vorgängen in Guinea ist glaubhaft. Die Geschehnisse sind von ihm nachvollziehbar und ausreichend detailliert geschildert worden. Seine Ehefrau hat in ihrem Verfahren die Auseinandersetzung bestätigt. Auch das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid nicht von einem nicht glaubhaften Vorbringen des Klägers ausgegangen.

Christen haben in Guinea keine staatliche Verfolgung zu befürchten (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 07.04.2021 - 508-516.80/3). Allerdings nimmt nach den Lagebericht die aktive Ausübung des muslimischen Glaubens zu und es gibt eine gewisse Dominanz des Islam. Der Lagebericht verweist auch auf vorhandene islamistische Strömungen. Dies begründet für Christen, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind, grundsätzliche eine andere Gefährdungslage als für christliche Glaubensangehörige, die aus christlichen Familien stammen. In dem vom Kläger eingereichten Kurz-Gutachten von Prof. Dr. Diawara vom 07.04.2022 gelangt der Gutachter zu dem Schluss, dass den vom Islam zum Katholizismus übergetretenen Menschen in Guinea eine religiöse Verfolgung droht. Vorliegend ist eine solche Gefahr für den Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. [...]

Auch wenn der Staat Guinea selber eine Verfolgung von Konvertierten nicht aktiv betreibt oder fördert, ist davon auszugehen, dass der Kläger auf keinen Schutz staatlicher Stellen vertrauen kann, da der guineische Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3c Nr. 3 AsylG). Die guineische Gesellschaft ist insgesamt sehr traditionell geprägt, wobei ca. 85 % der Bevölkerung muslimisch sind. Religion, aber auch die große Armut und ein fehlendes staatlich organisiertes soziales Netz bedingen eine streng hierarchische und patriarchalische Gliederung. Staatlichen Gesetzen stehen zum Teil die traditionellen Sitten und das islamische Gesetz entgegen, wobei der Staat kaum in der Lage und willens ist, seine Vorschriften und Maßgaben durchzusetzen, [...]