BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 12.05.2022 - 1 B 14.22 - asyl.net: M30784
https://www.asyl.net/rsdb/m30784
Leitsatz:

Zustellungen bei mehreren Bevollmächtigten und Wirksamkeit einer Mandatskündigung:

"1. Bei mehreren Prozessbevollmächtigten genügt die Zustellung an einen von ihnen. Bei Zustellungen an mehrere Prozessbevollmächtigte ist für den Beginn der Rechtsmittelfrist die zeitlich erste Zustellung maßgeblich.

2. Die Mandatskündigung eines Prozessbevollmächtigten erlangt erst mit Anzeige gegenüber dem Gericht rechtliche Wirksamkeit."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Zustellung, Prozessbevollmächtigte, Rechtsmittelfrist, Frist, Berufung, Berufungszulassungsantrag, Mandatskündigung, Rechtsanwalt, Prozessvollmacht,
Normen: VwGO § 67 Abs. 6 S. 5, VwGO § 108 Abs. 2, VwGO § 173,
Auszüge:

[...]

6 Gemäß § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO sind Zustellungen an den bestellten Prozessbevollmächtigten zu richten. Bedient sich jemand mehrerer Bevollmächtigter, sind diese nach § 173 VwGO i.V.m. § 84 ZPO berechtigt, den Betreffenden sowohl gemeinschaftlich als auch einzeln zu vertreten, sodass die Zustellung an jeden von ihnen gemäß § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO wirksam bewirkt werden kann. Demzufolge genügt bei mehreren Bevollmächtigten die Zustellung an einen von ihnen(BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1983 - 1 B 152.83 - NJW 1984, 2115und vom 29. April 1997 - 4 B 76.97 - BeckRS 1997, 23086 Rn. 2; Hoppe, in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 67 Rn. 29).

7 Für den Beginn des Laufes prozessualer Fristen ist die zeitlich erste Zustellung ausschlaggebend (BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1998 - 9 B 776.98 - NJW1998, 3582; BGH, Beschluss vom 26. September 2007 - IV ZB 39/06 - BeckRS2007, 17402 Rn. 5). Eine spätere Zustellung an einen weiteren Bevollmächtigten setzt keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf. [...]

9 Auch der Umstand, dass sich die Kläger durch die Rechtsanwälte Dr. G. nicht mehr vertreten gesehen oder diesen gegenüber möglicherweise das Mandat gekündigt haben, ändert nichts daran, dass sie die Zustellung gegen sich gelten lassen müssen. Denn im Zeitpunkt der Zustellung des Berufungsurteils (8. November 2021) ist die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte Dr. G. nicht wirksam erloschen gewesen. Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 87 ZPO erlangt die Kündigung eines Prozessvertretungsvertrags erst mit der Anzeige gegenüber dem Gericht rechtliche Wirksamkeit. Solange dem Gericht das Ende des bisherigen Vollmachtverhältnisses nicht vorgetragen wird, ist demnach der bisherige anwaltliche Prozessbevollmächtigte für das Gericht bevollmächtigt, für die Kläger Prozesshandlungen vorzunehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 1997 - 4 B 76.97 - BeckRS 1997, 23086 Rn. 2; OVG Bremen, Beschluss vom 9. August 2016 - 2 LA 102/15 - NVwZ-RR 2017, 167 Rn. 9; Hartung/Schramm, in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand Januar 2022, § 67 Rn. 75). [...]