VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 06.05.2022 - 6 A 571/21 - asyl.net: M30788
https://www.asyl.net/rsdb/m30788
Leitsatz:

Kein Schutzstatus für alleinstehende Frau aus Usbekistan:

1. Unerlaubte Ausreise und Asylantragstellung führen in Usbekistan nicht zu Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden. Gesetzliche Regelungen zur illegalen Ausreise dienten nur als Vorwand zur Verhaftung von religiös oder politisch aktiven Personen.

2. Eine alleinstehende Frau, die bereits in der Vergangenheit ihren Lebensunterhalt in Usbekistan bestritten hat, wird auch bei ihrer Rückkehr in der Lage sein, ein wirtschaftliches Existenzminimum zu erwirtschaften.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Usbekistan, Frauen, interne Fluchtalternative, illegale Ausreise, Existenzgrundlage,
Normen: AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 4 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 5
Auszüge:

[...]

Von der Klägerin kann auch vernünftigerweise erwartet werden, sich in einem anderen Landesteil Usbekistans, in dem sie vor Verfolgung sicher und wo ein soziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet ist, niederzulassen (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG). [...]

Unter Berücksichtigung dessen ist es der Klägerin auch aus wirtschaftlich-sozialen Gesichtspunkten zumutbar, sich in einem anderen Landesteil Usbekistans niederzulassen. Existentielle Bedrohungen sind nicht ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin in der Lage sein wird, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies ist ihr bereits vor ihrer Ausreise aus Usbekistan und auch in der Türkei gelungen. Die Annahme einer drohenden Unterschreitung des Existenzminimums ist daher fernliegend und - im Übrigen - von der Klägerin auch nicht behauptet worden.

Sofern die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass sie als alleinstehende Frau in anderen Teilen Usbekistans keine Wohnung mieten könnte, ist dies nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln wenig nachvollziehbar. Männer und Frauen sind in Usbekistan gesetzlich gleichgestellt und genießen (formal) die gleichen politischen Rechte [...]. Der Klägerin ist zuzugeben, dass Frauen in Usbekistan in der Legislative und Judikative sowie in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, dass Geschlechtsstereotypen bedient werden und häusliche Gewalt und mangelnder Opferschutz als problematisch angesehen werden müssen [...]. Dass es jedoch für eine alleinstehende Frau nicht möglich wäre, in Usbekistan eine Wohnung anzumieten, lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen und wurde von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung auch nicht näher erläutert.

Sofern die Klägerin vorträgt, sie habe in Usbekistan mit Gefängnis und Erschießung zu rechnen, weil sie sich illegal in der Türkei aufgehalten und in Deutschland Asyl beantragt habe, ergibt sich hieraus auch keine Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe. [...]

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes gem. § 4 Abs. 1 AsylG, weil keine stichhaltigen Gründe dafür vorliegen, dass ihr in Usbekistan ein "ernsthafter Schaden" droht. [...]

Der Klägerin droht auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen ihres illegalen Aufenthalts in der Türkei oder der Stellung eines Asylantrags in Deutschland die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. [...] Zwar ist in Art. 223 des Strafgesetzbuches die illegale Ein- und Ausreise unter Strafe gestellt [...]. Zunächst ist die Klägerin aber - auch nach eigenen Angaben - legal aus Usbekistan ausgereist und erst durch Ablauf ihres Visums nach einem Monat ist ihr Aufenthalt in der Türkei illegal geworden. Eine illegale Ein- oder Ausreise bzw. ein illegaler Grenzübertritt, wie es der Straftatbestand des Art. 223 des Strafgesetzbuches erfordert, liegt im Falle der Klägerin deshalb nicht vor. [...] Schließlich lässt sich den dem Gericht vorliegenden und auch den von der Klägerin zitierten Quellen entnehmen, dass die Aktivitäten von Usbeken und Usbekinnen im In- und Ausland entscheidend dafür sind, was bei einer Rückkehr geschehen kann. Dies soll auch entscheidender sein als die Frage, ob eine Person als Asylsuchender oder als Arbeitsmigrant im Ausland gewesen ist (ACCORD, Anfragebeantwortung vom 19. Januar 2017, S 2). Dass auch Personen, die nicht in religiöse oder politische Angelegenheiten involviert gewesen sind, von Verhaftungen betroffen sind, wird nach der Anfragebeantwortung durch ACCORD von Menschenrechtsgruppen vermutet, spezifische Vorfälle, bei denen auch nicht politisch oder religiös aktive Personen betroffen gewesen sind, lassen jedoch nicht belegen. [...]