VG Bremen

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Zitieren als:
VG Bremen, Urteil vom 01.07.2022 - 7 K 427/20 - asyl.net: M30938
https://www.asyl.net/rsdb/m30938
Leitsatz:

Subsidiärer Schutz hinsichtlich Nordmazedoniens wegen unmenschlicher Haftbedingungen:

In Nordmazedonien drohen bei Inhaftierung sehr schlechte, hinsichtlich Raumverhältnissen, Hygiene und Gesundheitsversorgung nicht akzeptable Haftbedingungen und damit eine unmenschliche Behandlung gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG. Die Einschätzung des Auswärtigen Amtes aus dem Bericht zur Einstufung Nordmazedoniens als sicheres Herkunftsland, wonach die Haftbedingungen in Nordmazedonien EU-Mindeststandards entsprächen, ist angesichts der detaillierten Ausführungen des Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (CPT) aus Juli 2021 nicht belastbar.

(Leitsätze der Redaktion)

Siehe auch:

Schlagwörter: Nordmazedonien, Haftbedingungen, Haft, Auslieferungsrecht, Auslieferung, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Vorverfolgung, Roma, subsidiärer Schutz,
Normen: AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

III. Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes. Ihm droht im Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG durch einen in § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG genannten Akteur. [...]

Der erkennende Einzelrichter ist davon überzeugt, dass dem Kläger vor seiner Ausreise eine unmenschliche Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohte.

Der Einzelrichter geht davon aus, dass die Schilderungen des Klägers zutreffen und er aufgrund der Ereignisse in seinem Herkunftsland unmittelbar von Haft und schwer menschenrechtswidrigen Bedingungen durch die Republik Nordmazedonien betroffen und nach seinem Entweichen weiterhin bedroht war. Es sprechen auch keine stichhaltigen Gründe im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU dagegen, dass entsprechende Übergriffe auf Leib und Leben des Klägers bei einer Rückkehr in seinen Heimatort drohen würden. [...]

Der erkennende Einzelrichter schließt sich der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft an, dass dem Kläger eine Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt bzw. einem Trakt einer Justizvollzugsanstalt droht, der sehr schlechte, sowohl von den Raumverhältnissen als auch von der Hygiene und Gesundheitsversorgung nicht akzeptable Haftbedingungen aufweist. Dies deckt sich sowohl weitgehend mit den vorliegenden Erkenntnismitteln als auch mit den Schilderungen des Klägers, der die menschenrechtswidrigen Zustände der Haft jahrelang erlitten hat.

Angesichts der detaillierten Ausführungen des Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (CPT) in dem Bericht "Report to the Government of North Macedonia on the visit to North Macedonia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT)" vom 29. Juli 2021 (https://rm.coe.int /1680a359cb) hält der Einzelrichter die pauschale Einschätzung des Auswärtigen Amtes, dass die Haftbedingungen "EU-Mindeststandards" entsprächen, aus dem Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Nordmazedonien als sicheres Herkunftsland vom 3. Juni 2021 für nicht belastbar. [...]