Keine Gruppenverfolgung belutschischer Personen in Pakistan:
"1. Allein die belutschische Volkszugehörigkeit eines Schutzsuchenden lässt eine politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach Pakistan nicht als beachtlich wahrscheinlich erscheinen. Eine Gruppenverfolgung aller belutschischen Volkszugehörigen findet auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht statt.
2. Ein längerer Auslandsaufenthalt und das Stellen eines Schutzantrags begründet für sich genommen keinen Nachfluchttatbestand.
3. Ob ein Nachfluchttatbestand wegen einer exilpolitischen Betätigung anzunehmen ist, beurteilt sich nach den maßgeblichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Für die Beurteilung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls kommt es darauf an, ob der Betreffende ein bestimmtes Opferprofil erfüllt, sowie auf die Art, den Umfang und die Exponiertheit einer etwaigen exilpolitischen Betätigung in Deutschland. Derzeit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Teilnahme an Demonstrationen und anderen vergleichbaren Aktionen einer belutschischen Exilorganisation in Deutschland wie z.B. die Verteilung von Flugblättern und Flyern sowie das Sammeln von Unterschriften zu einer Verfolgungsgefahr führen.
4. Die allgemeine Sicherheitslage in Pakistan begründet derzeit weder einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes noch auf Zuerkennung von Abschiebungsverboten."
(Amtliche Leitsätze; siehe auch: VG Kassel, Urteil vom 19.01.2022 - 4 K 2909/17.KS.A - asyl.net: M30676; VG Göttingen, Urteil vom 24.11.2020 - 2 A 384/18 - asyl.net: M30675)
[...]
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG. [...]
1. Der Senat hat sich nach Durchführung der mündlichen Verhandlung aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens i.S.d. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht davon überzeugen können, dass der Kläger vorverfolgt ausgereist ist bzw. begründete Furcht vor Verfolgung hat.
Dafür, dass der Kläger in seinem Heimatland einer Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a AsylG ausgesetzt gewesen wäre, besteht kein greifbarer Anhaltspunkt.
Dies gilt zunächst, soweit der Kläger als Ausreisegrund auf die - vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ähnlich geschilderten - Geschehnisse anlässlich der Hochzeitsfeier seiner Schwester am 31. August/1. September 2013 verwiesen hat. Der Kläger hat durchgängig vorgetragen, dass das Eindringen der pakistanischen Kräfte (bewaffnete Männer und Männer in Zivil, vgl. S. 3 des Sitzungsprotokolls) in sein Elternhaus zur Zeit der ... mit dem Verhalten seines Bruders ..., der sich für kranke Belutschen eingesetzt habe, in Zusammenhang gestanden habe [...]. Dafür, dass die pakistanischen Behörden ein Verfolgungsinteresse an dem Kläger selbst gehabt haben könnten, ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nach seinen ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung sei der Kläger zum Zeitpunkt des Eindringens der pakistanischen Kräfte nicht zuhause, sondern ... gewesen. Dabei sollen die pakistanischen Kräfte nicht etwa nach dem - ohnehin nicht anwesenden - Kläger, sondern ausschließlich nach seinem Bruder ... gesucht haben. Den weiteren Bruder des Klägers ..., der nach dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung offenbar eher zufällig zuhause und nicht mit den weiteren Männern der Hochzeitsgesellschaft auf dem ca. 700 m entfernt gelegenen Spielfeld gewesen sein soll, sollen die Sicherheitskräfte mitgenommen und getötet haben, weil er "dazwischen gegangen" sei, als die pakistanischen Kräfte die im Hause befindlichen Frauen ... beschimpft und geschlagen hätten [...]. Selbst wenn von den zuletzt erwähnten Unstimmigkeiten abgesehen und das ähnlich geschilderte Kernvorbringen des Klägers als wahr unterstellt würde, ergäbe sich kein Anhaltspunkt für eine anlassgeprägte Einzelverfolgung des Klägers und - mit Ausnahme des angeblich gesuchten E. - der weiteren Mitglieder seiner Familie. [...]
Dafür, dass der Kläger nicht in eigener Person vorverfolgt wurde, spricht auch, dass er noch drei weitere Jahre nach dem Eindringen der pakistanischen Kräfte in sein Elternhaus in Pakistan gelebt hat, ehe er im August 2016 ausgereist ist, ohne in diesem Zeitraum von verfolgungsrelevanten Vorkommnissen zu berichten. [...] Hätte der pakistanische Staat tatsächlich ein Verfolgungsinteresse an dem Kläger gehabt, so wäre zur Überzeugung des Senats der pakistanische Staat des Klägers entweder an der Schule oder später etwa an der Universität in Karachi habhaft geworden. Für ein Verfolgungsinteresse des pakistanischen Staats an dem Kläger bzw. Verfolgungshandlungen ist indes weder etwas substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. [...]
2. Auch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Ethnie der Belutschen lässt eine politische Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG bei seiner Rückkehr nach Pakistan nicht als beachtlich wahrscheinlich erscheinen. [...]
Von der Annahme einer Gruppenverfolgung aller belutschischen Volkszugehörigen in Pakistan kann nach derzeitiger Erkenntnislage bei der vorzunehmenden wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung nicht ausgegangen werden. [...]
b) Nach Auswertung der dargestellten Erkenntnislage kann der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, dass in Pakistan eine Gruppenverfolgung aller belutschischen Volkszugehörigen vorliegt. Zunächst kann der Senat den Erkenntnisquellen schon nicht entnehmen, dass die Gesamtheit der Belutschen als abgrenzbare ethnische Gruppe verfolgt wird. Auch wenn die Erkenntnisquellen im Hinblick auf die Anzahl der belutschischen Volkszugehörigen unter den Opfern der staatlichen Repressionen diffus sind, deuten die Historie des Landes und die daraus resultierende Konfliktlage zwar darauf hin, dass die belutschische Volkszugehörigkeit beim Opferprofil des pakistanischen Staates relevant sein kann. Allerdings existiert keine einzige Auskunft oder Stellungnahme, aus der hervorgeht, dass die pakistanischen Sicherheitskräfte unterschiedslos und massenhaft gegen Belutschen allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit Repressalien ausübten. Vielmehr sind nach den aussagekräftigen Erkenntnissen außerhalb der Ethnie liegende Motive, wie politische Überzeugungen und Handlungen einzelner Personen und Gruppierungen, für die staatlichen Maßnahmen im Einzelfall bestimmend. [...]
Die mit Blick auf die beschriebene Lage im Land für den Senat ohne weiteres nachvollziehbaren Erkenntnisse deuten zunächst darauf hin, dass Anhängern bzw. Führern verbotener Parteien und Organisationen Verfolgung droht [...].
Neben Anhängern bzw. Führern verbotener belutschischer Organisationen ist die Repressionspolitik auch allgemein auf Personen gerichtet, die einer Beteiligung an oder zumindest Verbindung zu militanten oder als separatistisch eingestuften belutschischen Gruppierungen verdächtigt werden. [...]
Den Erkenntnissen zufolge geht der pakistanische Staat auch gegen Menschenrechtsaktivisten, Studenten, Oppositionspolitiker, Lehrer, Rechtsanwälte, Journalisten, Kritiker und andere gebildete Menschen vor [...].
Schließlich wird berichtet, dass u.a. in Teilen Belutschistans, in denen Sprengstoffanschläge oder andere Terrorakte verübt werden, pakistanische Behörden kollektive Bestrafungsmaßnahmen durchgeführt haben [...].
Bei aller Breite der Repressionspolitik lässt sich nach Lage der Erkenntnisse nicht feststellen, dass sich die Maßnahmen unterschiedslos gegen belutschische Volkszugehörige richten würden. Vielmehr sprechen die Erkenntnismittel dafür, dass die Repressionen - wie bereits oben unter Berufung auf "Grare" angeführt - dazu dienen sollen, die Provinz unter Kontrolle zu halten und die Macht des Staates zu stärken. Es macht den Anschein, dass die Maßnahmen von den pakistanischen Behörden als Mittel eingesetzt werden, um allgemein Menschen, die das Armee-Establishment des Landes in Frage stellen oder individuelle oder soziale Rechte einfordern oder Kritik an der Regierung üben, einzuschüchtern oder auszuschalten [...].
Der Senat sieht aufgrund der Erkenntnislage derzeit auch keinen weiteren Anknüpfungspunkt für die Annahme einer hinreichend abgrenzbaren "Gruppe" im Sinne einer Gruppenverfolgung. Dieselbe "politische Überzeugung" gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG etwa ist als Abgrenzungskriterium staatlicher Verfolgungsmaßnahmen wegen der dargestellten Vielschichtigkeit der belutschischen Bewegung nicht ohne weiteres geeignet. Nach den dargestellten Erkenntnissen reicht die belutschische Bewegung von (gemäßigten) politischen Unabhängigkeitsbewegungen, Forderungen nach einer teilweisen Autonomie Belutschistans ohne Unabhängigkeitsbestrebungen, systemkritischen Medienschaffenden und regime- und militärkritischen Menschenrechtsverteidigern bis hin zu militanten Organisationen mit separatistischen, terroristischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen, deren Akteure sich mitunter gegenseitig bekämpfen [...]. Von einer zusammenfassenden Gruppierung einer klar abgrenzbaren und definierten Bewegung kann vor diesem Hintergrund derzeit nicht die Rede sein.
Dies zugrundegelegt, scheitert die Annahme einer Gruppenverfolgung schließlich auch an dem Aspekt der Verfolgungsdichte [...] Die zahlenmäßigen Grundlagen zur Verfolgungsdichte lassen sich in Anbetracht der divergierenden Auskunftslage zu der Anzahl der belutschischen Volkszugehörigen, die von den staatlichen Repressionen betroffen sind, ebenso wie der Anzahl der Personen, die allgemein dem Verschwindenlassen zum Opfer fallen, und dem Fehlen einer abgrenzbaren Gruppe, schon nicht hinreichend - auch nicht ungefähr - entnehmen.
3. Eine Flüchtlingsanerkennung des Klägers kommt nicht wegen Ereignissen in Betracht, die eingetreten sind, nachdem er sein Herkunftsland verlassen hat (vgl. § 28 Abs. 1 a AsylG, sog. Nachfluchttatbestände).
Gemäß § 28 Abs. 1 a AsylG kann die begründete Furcht vor Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 zu erleiden, auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. [...]
a) Ein beachtlicher (subjektiver) Nachfluchttatbestand zugunsten des Klägers allein wegen seines längeren Aufenthalts in Deutschland sowie des Stellens eines Asylantrags bzw. der Beantragung internationalen Schutzes (vgl. dazu Heusch, in: BeckOK AuslR, Stand: 1.4.2022, AsylG § 28 Rn. 10; Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand: Januar 2022, § 28 Rn. 40 ff.) besteht nach dem Ergebnis der Gesamtschau der zu Pakistan vorliegenden Erkenntnismittel nicht. [...]
Bei Einreise finden an den internationalen Flughäfen in Pakistan routinemäßige Befragungen Zurückgeführter statt (vgl. AA, Auskunft an das VG Freiburg v. 14.8.2018, S. 1, 2; AA, Lagebericht v. 8.8.2022, S. 22 f.; DFAT, Country Information Report Pakistan, 25.1.2022, S. 44). Die pakistanischen Grenzschutzbehörden - insbesondere die am Flughafen eingesetzte "Anti-Menschenschmuggel-Einheit" der FIA (Bundespolizei) - erfragen bzw. prüfen, ob die Rückkehrer Pakistan auf legalem Weg verlassen haben. [...]
Zu den Folgen eines illegalen Grenzübertritts ist die Auskunftslage zwar nicht ganz einheitlich. Nach noch übereinstimmenden Erkenntnissen ist in diesen Fällen grundsätzlich eine Geld- oder Haftstrafe (bis zu sechs Monate) möglich [...].
Abgesehen von der geschilderten Rechtslage und deren Vollzug berichtet das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Berufung auf die österreichische Botschaft in Islamabad über vereinzelte Fälle, in denen Mitarbeiter von Grenzschutzbehörden von illegalen Rückkehrern "Schmiergelder" in geringer Höhe verlangten [...].
Dessen ungeachtet stimmen die Erkenntnisse darin überein, dass eine über das Geschilderte hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter nicht stattfindet. Übereinstimmung besteht ferner darin, dass Zurückgeführte bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags weder mit staatlichen Repressalien noch mit gesellschaftlicher Stigmatisierung zu rechnen haben [...].
bb) Die Auswertung der Erkenntnisse lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger allein wegen seiner Ausreise und Asylbeantragung in Deutschland mit flüchtlingsrechtlich relevanten Repressalien seitens des pakistanischen Staates zu rechnen hat (vgl. im Ergebnis auch VG Frankfurt (Oder), Urt. v. 11.5.2020 - 2 K 1995/18.A - juris Rn. 45).
Zwar wird sich der Kläger nach den aussagekräftigen Erkenntnissen im Fall einer Abschiebung über einen internationalen Flughafen einer Einreisekontrolle und einer Befragung durch die pakistanischen Grenzschutzbehörden unterziehen müssen. Diese ist für sich genommen nicht flüchtlingsrechtlich erheblich, weil diese Maßnahmen weder als Verfolgungshandlung i.S.d. § 3 a AsylG zu klassifizieren sind noch ein Verfolgungsgrund § 3 b AsylG vorliegt (vgl. auch VG Potsdam, Urt. v. 15.1.2019 - 11 K 2756/18.A - juris Rn. 45; VG Augsburg, Urt. v. 8.10.2019 - Au 3 K 16.32127 - juris Rn. 37). Der Auskunftslage lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Kläger in diesem Zusammenhang voraussichtlich anderen flüchtlingsrechtlich relevanten staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sein wird. [...]
b) Dem Kläger ist der Flüchtlingsstatus auch nicht wegen seiner exilpolitischen Betätigung zuzuerkennen. Ob ein Nachfluchttatbestand wegen einer exilpolitischen Betätigung anzunehmen ist, beurteilt sich zur Überzeugung des Senats nach den maßgeblichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Denn den vorliegenden Erkenntnismittel (dazu aa)) lässt sich entnehmen, dass nicht generell jedem Asylbewerber, der sich im Ausland für die Unabhängigkeit Belutschistans eingesetzt hat, eine landesweite Verfolgung droht; von einer solchen Gefahr ist vielmehr nur in Einzelfällen auszugehen (bb)). Für die Beurteilung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls kommt es zum einen darauf an, ob der Betreffende ein bestimmtes Opferprofil erfüllt, und zum anderen auf die Art, den Umfang und die Exponiertheit einer etwaigen exilpolitischen Betätigung in Deutschland (cc)). Ausgehend von diesen Maßstäben droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan keine Verfolgung wegen seines exilpolitischen Handelns (dd)).
aa) Die Erkenntnismittel belegen, dass der pakistanische Staat u.a. belutschische Bewegungen in Deutschland beobachtet. Die diesbezügliche Auskunftslage ist eindeutig und aussagekräftig. [...] Ausweislich seines Verfassungsschutzberichts (2021, S. 293) geht das Bundesinnenministerium davon aus, dass die pakistanischen Nachrichtendienste auch in Deutschland aktiv sind, hier lebende Angehörige oppositioneller Gruppierungen beobachten und versuchen, Einfluss auf die hiesige Diaspora sowie die Wahrnehmung Pakistans in Deutschland zu nehmen. [...]
bb) Nach Auswertung der soeben dargestellten Erkenntnislage und unter Berücksichtigung des oben im Rahmen der Prüfung der Gruppenverfolgung dargestellten Ergebnisses der Auswertungen der Erkenntnisse zum Profil von Opfern des Verschwindenlassens in Pakistan, ist der Senat davon überzeugt, dass nicht generell jedem Asylbewerber, der sich im Ausland für die Unabhängigkeit Belutschistans eingesetzt hat, unabhängig von dem Gewicht seines politischen Engagements und der dahinter stehenden Motivation, eine landesweite Verfolgung droht; von einer solchen Gefahr ist vielmehr nur in Einzelfällen auszugehen [...]. Die hier vertretene Sichtweise wird dabei u.a. auch durch den referierten aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. August 2022 (sowie die vorausgehenden Lageberichte) bestätigt, wonach - wie erwähnt - exilpolitische Tätigkeiten in Einzelfällen möglicherweise in Pakistan zu staatlichen Repressionen führen könnten, sowie die ebenfalls bereits zitierte Auskunft des Norwegian Country of Origin Centre ("Landinfo", 23.1.2019, S. 4), wonach eine sehr begrenzte Anzahl von Belutschen, die im Ausland wohnhaft "und der belutschischen Opposition zuzuordnen" seien, von dem ISI während des Aufenthalts in Belutschistan verhaftet worden seien. Diesen plausiblen und konsistenten Erkenntnissen folgt der Senat.
Demgegenüber vermag der Senat derzeit nicht die soeben angeführte Einschätzung von Amnesty International zu teilen, dass jedem Asylbewerber, der sich für die Unabhängigkeit Belutschistans eingesetzt hat, unabhängig von dem Gewicht seines politischen Engagements und der dahinter stehenden Motivation, eine landesweite Verfolgung drohe. [...]
cc) Für die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall eine Verfolgungsgefahr anzunehmen ist, ist die Auskunftslage dürftig. Im Rahmen einer Gesamtbewertung der vorliegenden Erkenntnisse ist der Senat jedoch zu der Einschätzung gelangt, dass es - wie eingangs dieses Prüfungspunktes bereits erwähnt - für die Beurteilung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zum einen darauf ankommt, ob der Betreffende ein bestimmtes Opferprofil erfüllt, und zum anderen auf die Art, den Umfang und die Exponiertheit einer etwaigen exilpolitischen Betätigung in Deutschland. [...]
In Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung geht der Senat mithin davon aus, dass ein Verfolgungsinteresse des pakistanischen Staates regelmäßig dann fehlt, wenn es sich nur um entsprechend niedrigprofilierte (untergeordnete) exilpolitische Aktivitäten handelt. Das ist etwa dann anzunehmen, wenn der Betreffende im Rahmen der politischen Betätigung Hilfsaufgaben übernimmt oder Beiträge leistet, bei denen er nicht als Einzelner besonders heraussticht, sondern sich für den pakistanischen Staat als einer von Vielen darstellt [...].
dd) Ausgehend von den dargelegten Maßstäben ist der Senat unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers gegenüber dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung sowohl im Hinblick auf sein Opferprofil als auch hinsichtlich der Art, des Umfangs und der Exponiertheit seines exilpolitischen Handelns für die belutschische Bewegung nicht davon überzeugt, dass der pakistanische Staat ihn bei einer Rückkehr nach Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen aussetzen würde.
Der Kläger war zwar Student bzw. ist ein gebildeter Mensch, der nach dem beschriebenen Opferprofil grundsätzlich in den Fokus der pakistanischen Behörden geraten kann. Aus den oben im Rahmen der Prüfung seines individuellen Verfolgungsgeschehens dargelegten Gründen ist der Senat indes davon überzeugt, dass der Kläger nicht bereits in seinem Heimatland in den Blick der pakistanischen Behörden geraten ist. Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass dem Kläger nicht wegen der Art, des Umfangs und der Exponiertheit seines exilpolitischen Engagements Verfolgung bei einer Rückkehr nach Pakistan drohen würde. Verhaltensweisen die nach der dargestellten Erkenntnislage eine Verfolgungsgefahr auslösen bzw. diese erhöhen könnten, vermag der Senat bei dem Kläger nicht zu erkennen. [...]
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG. [...]
1. Für die beachtliche Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) bestehen weder nach dem Vorbringen des Klägers noch im Übrigen Anhaltspunkte.
2. Dem Kläger drohen in seinem Heimatland auch keine Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. [...]
a) Hinsichtlich der vom Kläger befürchteten Übergriffe durch den pakistanischen Geheimdienst oder sonstige staatliche Akteure ist eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung aus den oben zur Flüchtlingsanerkennung ausgeführten Gründen nicht beachtlich wahrscheinlich.
b) Auch die - oben im Rahmen der Prüfung einer möglichen Gruppenverfolgung aller belutschischen Volkszugehörigen im Einzelnen - angeführten gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die in ganz Pakistan zu verzeichnen sind, begründen für den Kläger keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände, die die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG rechtfertigen würden. Wie oben zu einer evtl. Gruppenverfolgung von Belutschen ausgeführt, ergibt sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln nicht, dass Belutschen allgemein bei einer Rückkehr nach Pakistan gegenüber anderen Bewohnern Pakistans diesbezüglich einer erhöhten Gefahr ausgesetzt wären. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers liegen vor dem Hintergrund der erwähnten Menschenrechtsverletzungen auch deshalb nicht vor, weil sich diese nur gegen Personen richten, die ein bestimmtes Opferprofil erfüllen und nach Art und Umfang sowie der Exponiertheit ihrer Aktivitäten in den besonderen Fokus des Regimes geraten und der Kläger dazu - wie oben ausgeführt - nicht gehört.
c) Dem Kläger droht im Fall einer Rückkehr auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder eine erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage in Pakistan [...].
3. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes kommt auch nicht wegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in Betracht.
a) Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob in Pakistan bzw. in Karachi, also der Stadt, in der der Kläger zuletzt gelebt hat und in der seine Eltern sowie seine Schwester nach wie vor leben, ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht. [...]
b) Denn auch wenn man das Vorliegen eines derartigen Konflikts annähme, ist der Kläger nicht, wie von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG gefordert, einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt. [...]
1. Die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes auf der Grundlage von § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht. [...]
Unter Anwendung der dargelegten Maßstäbe vermag der Senat nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnismittel einen drohenden Verstoß gegen Art. 3 EMRK bei einer Abschiebung des Klägers in sein Herkunftsland und speziell in die Stadt Karachi, in der die Abschiebung des Klägers voraussichtlich enden wird, nicht zu erkennen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage (a)) als auch in Bezug auf die allgemeine wirtschaftliche und humanitäre Situation (b)). [...]
a) Wie bereits oben im Rahmen der Prüfung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgeführt, kann die allgemeine Sicherheitslage im Abschiebungszielstaat für sich genommen nur in Fällen ganz extremer allgemeiner Gewalt eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nach sich ziehen, nämlich wenn die Gefahr einer Fehlbehandlung infolge des bloßen Umstands der Anwesenheit einer Person im Zielstaat besteht. Wie ebenfalls bereits oben ausgeführt, lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass in Pakistan bzw. in Karachi eine ganz extreme Situation von allgemeiner Gewalt herrscht, die den Kläger der Gefahr einer Fehlbehandlung infolge des bloßen Umstands der Anwesenheit seiner Person im Zielstaat aussetzt. [...]
b) Die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK kommt auch nicht aufgrund der wirtschaftlichen und humanitären Situation in Pakistan in Betracht. [...]
aa) Ausgehend von diesen Maßstäben lässt sich auf der Grundlage der eingeführten Erkenntnismittel nicht feststellen, dass der Kläger im Falle einer Abschiebung in seine Heimat aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen und humanitären Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. [...]