Asylantrag von Mann aus den kurdischen Autonomiegebieten im Irak offensichtlich unbegründet:
1. Trägt eine Person aus dem Irak im Asylverfahren nur Umstände vor, die, selbst wenn sie als zutreffend unterstellt werden, nicht zur Zuerkennung internationalen Schutzes führen, ist der Asylantrag gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet.
2. Für die Rechtmäßigkeit der offensichtlich unbegründet Entscheidung kommt es nicht darauf an, dass das Bundesamt die Entscheidung zutreffend begründet hat, sondern nur darauf, dass die Voraussetzungen gemäß § 30 Abs. 1 AsylG vorliegen.
3. Ein gesunder alleinstehender Mann wird seine Grundbedürfnisse im Nordirak zumindest als Tagelöhner sichern können.
(Leitsätze der Redaktion; anderer Ansicht: VG Magdeburg, Beschluss vom 16.12.2022 - 4 B 274/22 MD - asyl.net: M31508)
[...]
5 1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als offensichtlich unbegründet. Der Antragsteller hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG (hierzu unter a) noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG (hierzu unter b) noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG (hierzu unter c). Auch das auf § 30 Abs. 1 AsylG gestützte Offensichtlichkeitsurteil der Antragsgegnerin ist nicht ernstlich zu bezweifeln (hierzu unter d). [...]
7 b) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. [...]
9 Gemessen an diesen Vorgaben ist der Antragsteller kein Flüchtling. Ihm droht im Fall einer Rückkehr in den Irak dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Verbindung mit § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe. [...] Der Antragsteller gibt an, die Asayisch – die in seiner Heimatregion tätigen kurdischen Sicherheitskräfte – hätten sowohl seinen alten als auch seinen neuen Arbeitgeber unter Druck gesetzt, ihm seine Arbeit als ... nicht zu ermöglichen, da er sich einer Zusammenarbeit als Spitzel verweigert habe. Dabei handelt es sich, den Vortrag als zutreffend unterstellt, nicht um eine Verfolgung aufgrund einer politischen Überzeugung.[...]. Die behauptete Verfolgung knüpft nicht an eine – tatsächliche oder dem Antragsteller zugeschriebene – Meinung, Grundhaltung oder sonstige Überzeugung an, sondern daran, dass der Antragsteller ohne Angabe einer Begründung eine Tätigkeit als Spitzel verweigert haben will.[...]
10 b) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter. [...]
16 Soweit der Antragsteller angibt, er befürchte, im Falle der Rückkehr von den Asayisch getötet zu werden, bezieht sich das anscheinend nicht auf eine Todesstrafe, sondern auf eine außergesetzliche Hinrichtung. Davon abgesehen fehlt es jedenfalls an einer Schilderung von Tatsachen, aus denen sich eine beachtliche Wahrscheinlichkeit hierfür ergibt. [...]
17 Demnach wurde der Antragsteller, seine Angaben zugrunde gelegt, nicht konkret damit bedroht, getötet zu werden. Vielmehr wurde danach zweimal durch Druck auf seine Arbeitgeber seine Entlassung von seiner Arbeitsstelle herbeigeführt. Dass er zusätzlich eine Tötung befürchten müsste, liegt mangels konkreter Anhaltspunkte nicht so nahe, dass die für eine Gefahr eines ernsthaften Schadens sprechenden Umstände gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen.
18 bb) Auch die tatsächliche Gefahr einer Folterung oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) ergibt sich aus den Angaben des Antragstellers nicht. [...]
22 cc) Auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) ist nicht ersichtlich. [...]
26 Zwar dürften in Teilen der Region Kurdistan-Irak nach dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen Kampfhandlungen zwischen der Türkei und der als Terrororganisation eingestuften PKK stattfinden, die einen inner- oder zwischenstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG begründen (vgl. Paul Iddon, Operation Claw-Lock: Turkey's conflict with the PKK, in: The New Arab, 27.4.2022). Weder für die Provinz Dohuk, der Heimatregion des Antragstellers, noch für die Provinz Erbil als wahrscheinlichem Zielpunkt einer etwaigen Abschiebung kann aber eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Antragstellers festgestellt werden. [...]
33 d) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 AsylG. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 AsylG liegen vor (hierzu unter 1). Ob das Bundesamt die Offensichtlichkeit zutreffend begründet hat, ist nicht entscheidend (hierzu unter 2.).
34 (1) Nach § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes – nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG also der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes – offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist der Fall, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Lehre die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 25.2.2019, 2 BvR 1193/18, juris Rn. 18 ff.; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, 13. Aufl., AsylG § 30 Rn. 3; Blechinger, in: BeckOK MigR, Stand 15.7.2022, AsylG § 30 Rn. 12; Heusch, in: BeckOK AuslR, Stand 1.7.2022, AsylG § 30 Rn. 14; Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Juli 2022, § 30 Rn. 26 m.w.N.). [...]
37 Nach diesen Maßstäben ist der Asylantrag des Antragstellers offensichtlich unbegründet. Er hat im Sinne des Art. 31 Abs. 8 Buchst. a) 2013/32/EU nur Umstände vorgebracht, die für die Anerkennung nicht von Belang sind. Wie dargelegt führt sein Vortrag, wenn man ihn als zutreffend unterstellt, nicht zu einem Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes. Auf das Asylgrundrecht gemäß Art. 16a Abs. 1 GG kann er sich nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nicht berufen, weil er aus sicheren Drittstaat eingereist ist. Hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft fehlt es an einem Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG, hinsichtlich des subsidiären Schutzes an der beachtlichen Wahrscheinlichkeit des ernsthaften Schadens.
38 (2) Dass das Bundesamt im angefochtenen Bescheid demgegenüber die offensichtliche Unbegründetheit wesentlich darauf gestützt hat, dass die Angaben des Antragstellers unglaubhaft seien, ist unerheblich. Ob die Begründung im angegriffenen Bescheid die Ablehnung als offensichtlich unbegründet trägt, kann deshalb offen bleiben.
39 Liegt offensichtliche Unbegründetheit vor, so kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Bundesamt das Offensichtlichkeitsurteil zutreffend begründet hat. Erweist sich die Feststellung des Bundesamtes, dass der Asylantrag nach § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet ist, im Ergebnis für das Gericht als rechtmäßig, so kann es die Feststellung der offensichtlichen Unbegründetheit nicht aufgrund einer unzureichenden Begründung als rechtswidrig ansehen. Es handelt sich nämlich um eine gebundene Entscheidung, für welche nach § 77 Abs. 1 AsylG die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts maßgeblich ist. [...]
41 Ein Austausch der Offensichtlichkeitsgründe soll nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Lehre sogar dann zulässig sein, wenn die Voraussetzungen eines anderen der Tatbestände des § 30 AsylG erfüllt sind ist (vgl. VG Chemnitz, Beschl. v. 4.7.2022, 5 L 245/22.A, juris Rn. 18; VG München, Beschl. v. 4.2.2022, M 4 S 21.32479, juris Rn. 26; VG Ansbach, Beschl. v. 4.9.2020, AN 4 S 20.30768, juris Rn. 20; VG Hannover, Beschl. v. 13.8.2020, 5 B 3113/20, juris Rn. 19; VG Berlin, Beschl. v. 27.4.2018, 34 L 1592.17 A, juris Rn. 20; Heusch, in: BeckOK AuslR, Stand 1.7.2022, AsylG § 30 Rn. 64 m.w.N.). Umso mehr muss zulässig sein, denselben Tatbestand mit einer anderen Begründung als erfüllt anzusehen.
42 2. Ferner hat der Antragsteller voraussichtlich auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
43 a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. [...]
53 Diese Erkenntnisse zugrundegelegt sprechen überwiegende Gründe dafür, dass es dem Antragsteller möglich wäre, seinen Lebensunterhalt zumindest so weit zu sichern, dass er einen unmenschlichen oder erniedrigenden Zustand vermeiden könnte. Auch wenn man seinen Angaben folgt, nach denen zu befürchten ist, dass er in seiner Heimat keine herausgehobene und gut bezahlte Arbeit als ... mehr finden kann, ist anzunehmen, dass er seine Grundbedürfnisse zumindest als Tagelöhner sichern könnte. Zudem ergibt sich aus seinen Angaben nichts, was dagegen spricht, dass seine Familie ihn unterstützen könnte und würde. Schließlich besteht für den Antragsteller zudem – insbesondere im Fall einer freiwilligen Ausreise – die Möglichkeit, deutsche und europäische Unterstützungsleistungen für Rückkehrer in Anspruch zu nehmen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 27.10.2021, 4 Bf 106/20.A, juris Rn. 103 ff.; VGH München, Urt. v. 7.6.2021, 13a B 21.30342, juris Rn. 31 ff.). [...]