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LG Regensburg

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Zitieren als:
LG Regensburg, Beschluss vom 02.03.2023 - 52 T 66/23 - asyl.net: M31354
https://www.asyl.net/rsdb/m31354
Leitsatz:

Anforderungen an den Nichtabhilfebeschluss einer Beschwerde: 

Wird Beschwerde gegen einen Haftbeschluss erhoben, hat das Gericht vor einer Entscheidung die Begründung der Beschwerde abzuwarten. Das Gericht hat eingehend zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist, wobei es nicht ausreichend ist, auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses zu verweisen. Wird eine angekündigte Beschwerdebegründung nicht abgewartet, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. 

(Leitsatz der Redaktion)  

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Beschwerde, Beschwerdebegründung, Nichtabhilfebeschluss, rechtliches Gehör,
Normen: FamFG § 69 Abs. 1 S. 2, FamFG § 68 Abs. 1 S. 1, FamFG § 65 Abs. 3
Auszüge:

[...]

Der Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss waren auf die zulässige Beschwerde von Amts wegen in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG aufzuheben, weil der Nichtabhilfebeschluss nicht den Anforderungen des § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG genügt. Erachtet nach dieser Vorschrift das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde als begründet, so hat es ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. In jedem Fall - Abhilfe oder Nichtabhilfe - besteht die Amtspflicht des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten wird, zunächst eingehend zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist. Erst wenn dies in gebotenem Maße geschehen ist, greift das Gebot zur unverzüglichen Vorlage an das Beschwerdegericht ein. Dabei sind mit Rücksicht auf § 65 Abs. 3 FamFG im Einzelfall auch neue Tatsachen und Beweismittel zu beachten und in die Prüfung einzubeziehen. Hilft das erstinstanzliche Gericht der Beschwerde nicht ab, so ist diese Entscheidung jedenfalls dann zu begründen, wenn in der Beschwerde Tatsachen vorgetragen werden, die das Erstgericht für widerlegt oder unerheblich hält. Eine solche Begründung darf sich nicht darin erschöpfen, auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses zu verweisen. Denn damit ist nicht erkennbar, dass sich das Erstgericht mit dem maßgeblichen Vorbringen befasst hat. Die häufig benutzte Formulierung "aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung" (oder eine gleiche Formulierung, wie sie hier das Amtsgericht benutzt hat) genügt nur, wenn die Beschwerde keine oder keine neue Begründung enthält oder in der angefochtenen Entscheidung schon auf sämtliche tragenden Gesichtspunkte der Beschwerde eingegangen worden ist, mit denen das Rechtsmittel begründet wird [...]. Die erforderliche Begründungsintensität hängt davon ab, ob der Beschwerdebegründung neues, wesentliches Vorbringen zu entnehmen ist oder die Ausgangsentscheidung tragende Argumente des Beschwerdeführers noch nicht berücksichtigt hat [...].

Eine solche Prüfung, ob abzuhelfen ist oder nicht, kann, wenn eine Beschwerdebegründung angekündigt wird, erst dann erfolgen, wenn entweder die Beschwerdebegründung dem Erstgericht vorliegt oder entgegen der Ankündigung ausbleibt. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin - und weil sonst der Zweck des Abhilfeverfahrens verfehlt wird, das eine nochmalige Sachprüfung in der ersten Instanz ermöglichen soll, bevor die Sache zum Beschwerdegericht gelangt - darf in Fällen, in denen eine Beschwerdebegründung entweder sogar angekündigt oder auch aus sonstigen Gründen in gesetzter oder angemessener Frist noch zu erwarten ist, nicht sogleich die Nichtabhilfe und Vorlage beschlossen werden [...].

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 24.02.2023 Beschwerde gegen den Gewahrsamsbeschluss eingelegt und angegeben, eine Beschwerdebegründung mit gesondertem Schriftsatz nach erhaltener Akteneinsicht nachzureichen. Da eine Beschwerdebegründung angekündigt wurde und nichts dafür spricht, dass eine solche dennoch nicht erfolgen wird, durfte das Amtsgericht nicht sogleich die Nichtabhilfe und Vorlage beschließen. Dieses Vorgehen des Amtsgerichts widerspricht dem in § 68 Abs. 1 Satz 1, erster Halbsatz FamFG geregelten Zweck des Abhilfeverfahrens sowie dem Grundsatz rechtlichen Gehörs. [...]