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VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 28.07.2022 - 6 K 805/20 - asyl.net: M31408
https://www.asyl.net/rsdb/m31408
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung wegen exilpolitischer Aktivitäten für kurdisch-iranische Komalah-Partei:

1. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Verfolgungsinteresse der iranischen Sicherheitskräfte besteht, ist drastisch erhöht, wenn eine Person für eine oppositionelle bzw. separatistische Gruppe tätig wird, die die iranische Regierung als Regimegegner einstuft.

2. Der Grad der Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung für Mitglieder der Komalah-Partei ist nochmals erhöht. Es sind insofern auch solche Personen gezielter politischer Repression ausgesetzt, die sich im westlichen Ausland (lediglich) als überzeugte und aktive Mitglieder der Komalah offenbart haben.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Iran, Kurden, Komalah, Komala, Exilpolitik, politische Verfolgung,
Normen: AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 5, AsylG § 28 Abs. 1a,
Auszüge:

[...]

20 Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG. [...]

28 Unter Zugrundelegung der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen muss der Kläger nämlich berechtigterweise befürchten, dass ihm aufgrund seiner (exil-)politischen Aktivitäten für die Komalah-Partei bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Verfolgung durch den iranischen Staat droht.

29 Zunächst ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger bereits im Iran Mitglied der Komalah- Partei war und dort im Geheimen – zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern – für diese Partei aktiv war. Der Kläger hat in seiner Anhörung beim Bundesamt und auch in seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung detailreich und nachvollziehbar geschildert, wie er Mitglied der Partei wurde und dass er bei nächtlichen Aktionen zusammen mit den beiden anderen Mitgliedern insbesondere pro-kurdische Parolen an Wände geschrieben sowie Plakate für die Komalah-Partei geklebt hat.

30 Ob der Kläger – wie er es schilderte – den Iran im Mai 2019 aus Furcht vor unmittelbar bevorstehender Verfolgung verlassen hat, weil seine Aktivitäten für die Komalah-Partei den iranischen Sicherheitskräften bekannt geworden waren und diese deshalb sein Elternhaus zum Zwecke der Durchsuchung und des Aufgreifens seiner Person aufgesucht hatten, kann indes offenbleiben. [...]

31 Dem Kläger droht bei Rückkehr in den Iran wegen seines exilpolitischen Engagements für die Komalah-Partei in Deutschland, auf das sich der Kläger im Verlaufe seines Asylverfahrens und des hiesigen Klageverfahrens berufen hat, politische Verfolgung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit. Sein Entschluss, in Deutschland dergestalt aktiv zu werden, ist ersichtlich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung im Sinne des § 28 Abs. 1a AsylG. Der Kläger hat vorgetragen und durch entsprechende Fotoaufnahmen belegt, dass er seit seiner Ankunft in Deutschland immer wieder an Demonstrationen und anderen Veranstaltungen der Komalah-Partei teilgenommen hat. [...]

36,37 Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Verfolgungsinteresse der iranischen Sicherheitskräfte besteht, ist indes für jemanden drastisch erhöht, wenn er für eine oppositionelle bzw. separatistische Gruppe tätig wird, die die iranische Regierung als Regimegegner einstuft. Dabei übersteigt der Grad der Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung für Mitglieder der Komalah-Partei denjenigen, der für Mitglieder und Anhänger anderer Exilorganisationen angenommen wird. Es sind insofern auch solche Personen gezielter politischer Repression ausgesetzt, die sich im westlichen Ausland (lediglich) als überzeugte und aktive Mitglieder der Komalah offenbart haben (vgl. VG des Saarlandes, Urteil vom 01.12.2021, 6 K 1983/19; Hessischer VGH, Beschluss vom 24.07.2007, 6 UE 3108/05.A; VG Würzburg, Urteil vom 15.02.2017, W 6 K 16.32201; ferner: Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Würzburg, vom 04.10.2021, 508-516.80, 53887, wonach bei exilpolitisch aktiven Rückkehrern von einer gestiegenen Verfolgungswahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann).

38 Dies zugrunde gelegt, ist im Falle des Klägers davon auszugehen, dass sein exilpolitisches Engagement für die Komalah-Partei den Sicherheitsbehörden im Iran bekannt ist und dass zudem auch ein Verfolgungsinteresse an ihm besteht, da er als Mitglied der Komalah-Partei in Deutschland sichtbar aktiv ist. [...]