VG Magdeburg

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Zitieren als:
VG Magdeburg, Urteil vom 10.03.2022 - 3 A 333/21 MD - asyl.net: M31519
https://www.asyl.net/rsdb/m31519
Leitsatz:

Flüchtlingsrelevante Verfolgung syrischer Staatsangehöriger aufgrund ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit

Die kurdische Volkszugehörigkeit syrischer Staatsangehöriger allein begründet ohne Hinzutreten weiterer individueller Gründe keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Syrien, Kurden, Upgrade-Klage, gefahrerhöhende Umstände,
Normen: AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1, AsylG § 3a Abs. 1 Nr. 1, AsylG § 3b Abs. 1, EMRK Art. 3,
Auszüge:

[...]

37 Nach Überzeugung des Gerichts unter Zugrundelegung der der Kammer zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ist nicht mit der hierfür erforderlichen, beachtlichen Wahrscheinlichkeit von einer allein an die kurdische Volkszugehörigkeit anknüpfende flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung durch den syrischen Staat auszugehen (ebenso: OVG Lüneburg, Urt. v. 22. April 2021 – 2 LB 147/18, Bayrischer VGH, Beschl. v. 30. Juni 2020 – 20 B 19.31187; Bayrischer VGH, Beschl. v. 30. Januar 2020 – 20 B 19.32952, OVG NRW, Urt v. 22. Juni 2018 - 14 A 618/18.A; Schleswig-Holsteinisches OVG, Urt. v. 4. Mai 2018 - 2 LB 62/18 -, alle juris).

38 Auch wenn hinsichtlich der vom syrischen Regime einschließlich seiner Verbündeten kontrollierten Landesteile von staatlichen und gesellschaftlichen Diskriminierungen der kurdischen Bevölkerung einschließlich einer Einschränkung des Gebrauchs und des Unterrichts der kurdischen Sprache berichtet wird (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation zur Staatendokumentation Syrien vom 24. Januar 2022, S. 92 f.; U.S. Department of State, Syria 2020 International religious freedom report, S. 13), lassen sich flüchtlingsrechtlich relevante zielgerichtete Verfolgungsmaßnahmen allein aufgrund einer kurdischen Volkszugehörigkeit nicht feststellen (vgl. European Asylum Support Office, Syria, Targeting of individuals, Country of Origin Information Report. 1. März 2020, S. 80).

39 Der UNHCR ordnet zwar Angehörige ethnischer Minderheiten einschließlich der Kurden den sogenannten Risikoprofilen zu (vgl. UNHCR, 1. März 2021, International Protection Considerations with Regards to People Fleeing the Syrian Arab Republic – Update VI, S. 147 ff.; UNHCR, 30. November 2017, UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehe, S. 59 ff.). Die Situation der Angehörigen ethnischer Minderheiten sei nach Angaben des UNHCR jedoch von der jeweiligen Gegend, in der sie leben, abhängig. Dementsprechend geht der UNHCR davon aus, dass eine Verfolgungsgefahr für Angehörige ethnische Minderheiten außerhalb von Gebieten, die unter der Kontrolle islamistischer Extremisten stehen, von weiteren Faktoren wie ihrer Religion, ihrer (unterstellten) politischen Gesinnung oder anderen im Einzelfall relevanten Umständen abhängt. Dem schließt sich das Gericht an.

40 Vorliegend stammen die Kläger – mit Ausnahme des in Deutschland geborenen Klägers zu 4. – aus H. im Nordosten Syriens, welches von kurdischen Kräften kontrolliert wird. Insoweit sind ausweislich der genannten Erkenntnismittel, denen das Gericht im Ergebnis folgt, für die Annahme einer Verfolgungsgefahr weiteren einzelfallabhängige Faktoren erforderlich. Individuellen, gefahrerhöhende Umstände in diesem Sinne sind für die Kläger indes nicht ersichtlich, insbesondere da das Gericht aus den zuvor genannten Gründen – entsprechend der Äußerungen der Klägerin in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt – nicht von einem politischen Engagement der Klägerin ausgeht. Individuelle Geschehnisse, welche sie in naher Vergangenheit aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit betrafen und als Indiz für das Vorliegen der genannten individuellen Umstände sein können, schilderte die Klägerin nicht glaubhaft. Angesichts des jungen Alters der Kläger zu 2. bis 4. sind für sie ebenfalls keine gefahrerhöhenden Umstände erkennbar. [...]

42 Eine flüchtlingsrelevante Verfolgung allein aufgrund der Volkszugehörigkeit der Kläger zur kurdischen Minderheit liegt damit nicht vor.

43 c) Auch bei einer Gesamtbetrachtung aller vorliegenden Umstände ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine flüchtlingsrechtlich relevante (politische) Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG. [...]