Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft für Person aus der Türkei wegen logistischer Unterstützung der PKK:
Eine Person, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren, während derer die PKK eine Vielzahl terroristischer Gewaltaktionen verübt hat, in einer bewaffneten Logistikeinheit der PKK aktiv war, ist gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylG von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylG von der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausgeschlossen, weil sie den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(Leitsätze der Redaktion)
Siehe auch:
[...]
Mit Bescheid vom 19. April 2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1), auf Asylanerkennung (Ziff. 2) und auf subsidiären Schutz (Ziff. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt. [...]
1. Die Beklagte hat dem Kläger zurecht die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt.
Der Berichterstatter hat zwar keine Zweifel daran, dass die glaubhaft dargelegte Folter durch die türkische Polizei während seiner Inhaftierung seit dem ... eine Vorverfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU darstellt, aus der letztlich ein Anspruch gemäß § 3 AsylG folgen würde.
Es liegt aber der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AsylG vor. Hiernach ist ein Ausländer nicht Flüchtling im Sinne des Abs. 1 dieser Vorschrift, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylG gilt dies auch für Ausländer, die andere zu den genannten Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.
a) Ein Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung wegen Beteiligung an Handlungen, die sich gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen richten, setzt zunächst voraus, dass derartige Zuwiderhandlungen vorliegen. [...] In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist deshalb ebenfalls geklärt, dass Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG jedenfalls bei Aktivitäten des internationalen Terrorismus auch von Personen begangen werden können, die keine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben (BVerwG, Urt. v. 19.11.2013, 10 C 26.12, juris Rn. 12 m. w. N.).
Des Weiteren ist geklärt, dass allein die Zugehörigkeit zu einer in der sog. EU-Terrorliste aufgeführten Organisation wie der PKK und die aktive Unterstützung ihres bewaffneten Kampfes nicht automatisch einen schwerwiegenden Grund für die Annahme der Beteiligung an Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG darstellen. Es bedarf vielmehr der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen zugerechnet werden kann, wobei dem in der Vorschrift verlangten Beweisniveau Rechnung zu tragen ist (EuGH, Urt. v. 9.11.2010, Rs. C-57/09 und C-101/09, juris Rn. 99).
Dabei müssen sich Unterstützungshandlungen zugunsten einer terroristischen Organisation nicht spezifisch auf einzelne terroristische Aktionen beziehen, um von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 Alt. 2 AsylG erfasst werden zu können. Denn dieser Ausschlussgrund verlangt - anders als bei der Beteiligung an einer schweren nichtpolitischen Straftat gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 AsylG - keine Zurechnung nach strafrechtlichen Kriterien, da er kein strafbares Handeln im Sinne einer Beteiligung an bestimmten Delikten voraussetzt. Demzufolge können auch rein logistische Unterstützungshandlungen von hinreichendem Gewicht im Vorfeld oder gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten zugunsten einer terroristischen Organisation den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylG erfüllen, nicht aber etwa das bloße Sprühen von Parolen der Organisation oder das Verteilen von Flugblättern. [...]
Auch wenn die Beteiligung an Taten, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen, die Schwelle einer Beteiligung im strafrechtlichen Sinne nicht überschreiten muss, so ist es doch erforderlich, dass es während der Tätigkeit für die PKK zu konkreten derartigen Taten gekommen ist. [...]
Hinsichtlich des auf Seiten des Gerichts notwendigen Überzeugungsgrades gilt, dass die einen Ausschlussgrund verwirklichenden Handlungen nicht definitiv im Sinne eines für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Beweisstandards "ohne jeden Zweifel" erwiesen sein müssen; ausreichend ist vielmehr ein gegenüber der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Überzeugungsgewissheit abgesenktes Beweismaß. Die Annahme eines Ausschlussgrundes ist danach schon dann gerechtfertigt, wenn hierfür hinreichende Anhaltspunkte von erheblichem Gewicht vorliegen; dies ist in der Regel der Fall, wenn klare und glaubhafte Indizien für die Begehung der jeweiligen Handlung bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.3.2011, 10 C 2.10, juris Rn. 26 m. w. N.).
b) Nach diesen Maßstäben ist der Kläger von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG und Satz 2 AsylG ausgeschlossen.
aa) Die PKK, für die der Kläger nach seinen Angaben von ... in verschiedenen Camps in einer "Logistikeinheit" tätig war, ist eine terroristische Organisation [...].
Im Zeitraum von ..., in dem der Kläger in den Reihen der PKK für Logistikleistungen zuständig war, hat die PKK und ihr militanter Arm HPG eine Vielzahl von terroristischen Gewaltaktionen verübt: [...]
bb) Es liegen schwerwiegende Gründe vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger sich durch seine logistische Unterstützungsleistung jedenfalls in sonstiger Weise an diesen terroristischen Gewaltaktionen beteiligt hat. Diese Bewertung stützt sich nicht auf die vorgelegten türkischen Justizdokumente, weil die dort wiedergegebenen Ermittlungsergebnisse und Geständnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit unter grob rechtsstaatswidrigen Bedingungen zustande gekommen sind und damit auch im Rahmen des abgesenkten Beweismaßstabes des § 3 Abs. 2 AsylG keine hinreichende Gewähr für die inhaltliche Richtigkeit bieten. Bereits aus den Angaben des Klägers bei der Beklagten und in der mündlichen Verhandlung folgt aber zur Überzeugung des Berichterstatters eine individuelle Verantwortung des Klägers für konkrete terroristische Aktivitäten der PKK, das ein Gewicht aufweist, das Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 AsylG entspricht. [...]
Der Kläger hat über den beträchtlichen Zeitraum vor ... in den Reihen der PKK gewirkt. Er war dabei ... nach einer Ausbildung im Iran in einer bewaffneten (siehe S. 6 d. Sitzungsprotokolls) Logistikeinheit in der ... Region im Nordirak und dann ... in der Türkei eingesetzt. Bereits seine Tätigkeit für die PKK in der Region begründet im Rahmen des abgesenkten Beweismaßstabes eine individuelle Verantwortung für die terroristischen Gewaltaktionen, die in diesem Zeitraum von der PKK begangen wurden. [...]
Die langjährige logistische Unterstützungsarbeit des Klägers begründet auch in objektiver Hinsicht eine hinreichend individuelle Verantwortung für die einzelnen Gewaltaktionen. [...]
Überdies und unabhängig von den vorstehenden Ausführungen zur Verantwortlichkeit des Klägers während der Zeit in ... folgt eine hinreichende individuelle Verantwortung des Klägers für einzelne terroristische Aktionen der PKK auch daraus, dass er sich ab ... der Logistikeinheit im Gebiet ... angeschlossen hat. [...]
2. Der Kläger ist nach dem Vorstehenden auch von der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 AsylG ausgeschlossen. [...]