KG Berlin

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Zitieren als:
KG Berlin, Beschluss vom 13.09.2023 - 1 W 221/23 - asyl.net: M31872
https://www.asyl.net/rsdb/m31872
Leitsatz:

Zum Nachweis der Identität mit einem Pass der palästinensischen Autonomiebehörde im Personenstandsrecht:

"Ein von der Palästinensischen Autonomiebehörde ausgestellter Reisepass - "Passport" bzw. "Travel Docu­ment" - ist zum Nachweis der Identität seines Inhabers nicht geeignet, wenn er im Inland nicht anerkannt wird und es dem Inhaber möglich und zumutbar ist, einen anerkannten Pass oder ein Passersatzpapier - hier von der Arabischen Republik Syrien ausgestelltes "Document de Voyage pour les Réfugiés Palestiniens" oder "Travel Document for Palestinian Refugees" - zu erlangen (Abgrenzung zu Senat, Beschluss vom 4. Januar 2018 - 1 W 190-191/17, StAZ 2018, 379)."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Palästinenser, Passbeschaffung, Identitätsnachweis, Geburtsurkunde, Pass, Reisedokument, Passersatz,
Normen: AufenthG § 3 Abs. 1, AufenthG § 71 Abs. 6, PStG § 54 Abs. 1 und 2
Auszüge:

[...]

6 aa) Die in den Geburtenregistereintrag aufzunehmenden Personenstandsangaben sind primär den vorzulegenden Geburtsurkunden zu entnehmen, während die ebenfalls zu verlangenden Personaldokumente dem Nachweis dienen, dass die sich aus den Geburtsurkunden ergebenden Personenstandsangaben den Personen zuzuordnen sind, die diese für sich in Anspruch nehmen (Senat, Beschluss vom 4. Januar 2018 – 1 W 190-191/17 – StAZ 2018, 379).

7 Das ist grundsätzlich nicht anders, wenn ausländische Personenstandsurkunden vorgelegt werden, auch wenn ihnen nicht die Beweiskraft entsprechender deutscher Urkunden, § 54 Abs. 1 und 2 PStG, zukommt. Gleichwohl handelt es sich um öffentliche Urkunden. Ihnen kommt die Beweiskraft der §§ 415, 418 ZPO zu. Das setzt aber die Überzeugung des Gerichts von der Echtheit der ausländischen Urkunde voraus, § 438 ZPO (Senat, Beschluss vom 29. September 2005 – 1 W 249/04 – StAZ 2006, 13). [...]

12 cc) Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten syrischen Personenstandsurkunden vermag der Senat bereits nicht auf ihre Echtheit zu überprüfen. Öffentliche Urkunden sind regelmäßig in Urschrift oder beglaubigter Abschrift vorzulegen, § 435 ZPO. In der Akte befinden sich lediglich einfache Kopien. Zwar dürfte es den Beteiligten zu 1 und 2 leicht möglich sein, die Originale einzureichen, weil anzunehmen ist, dass die vorhandenen Kopien im Rahmen ihrer Antragstellung bei dem Amtsgericht gefertigt worden sind.

13 Hingegen wäre die Vorlage der Originale allein nicht ausreichend. Vielmehr erachtet der Senat darüber hinaus zur Feststellung ihrer Echtheit eine Legalisation für erforderlich, §§ 438 Abs. 2 ZPO, 13 KonsularG. An die Beweisführung sind hier erhöhte Anforderungen zu stellen. [...]

17 (1) Insbesondere die ihnen von der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah ausgestellten Reisepässe sind hierzu ungeeignet. Wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, handelt es sich dabei nicht um von dem dazu zuständigen Bundesministerium des Innern anerkannte Pässe, §§ 3 Abs. 1, 71 Abs. 6 AufenthG (vgl. Allgemeinverfügung über die Anerkennung ausländischer Pässe und Passersatzpapiere vom 13. Oktober 2022, BAnz AT vom 25. Oktober 2022). Die in den Pässen enthaltenen Identifikationsnummern beginnen weder mit einer 4, 8 oder 9, sondern vielmehr mit "00".

18 Die fehlende Anerkennung kann im personenstandsrechtlichen Verfahren grundsätzlich nicht unbeachtlich bleiben, zumal schon nicht ersichtlich ist, auf welcher Grundlage die Ausstellung der Reisepässe beruhte. Als in Syrien geborene und wohnhaft gewesene Palästinenser erscheint es zweifelhaft, dass ihnen von der Palästinensischen Autonomiebehörde wirksam ein solcher Ausweis ausgestellt werden konnte (vgl. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, WD 2 – 3000 – 057/18, S. 7).

19 Nach der Rechtsprechung des Senats kommt bei der Identitätsfeststellung ein Rückgriff auf einen in Deutschland ausgestellten Reiseausweis für Ausländer auch in Verbindung mit sonst ermittelten Indizien nicht in Betracht, wenn die betreffende Person einen heimatstaatlichen Reisepass als das vom Gesetz primär vorgesehene Beweismittel vorlegen könnte (Senat, Beschluss vom 19. September 2019 – 1 W 230/19 – StAZ 2020, 347).

20 Nicht anders ist es, wenn eine solche Person einen im Inland anerkannten Pass oder ein anerkanntes Passersatzdokument vorlegen könnte. Das aber wäre den Beteiligten zu 1 und 2 möglich. Anerkannt sind von der Arabischen Republik Syrien ausgestellte "Document de Voyage pour les Réfugiés Palestiniens" oder "Travel Document for Palestinian Refugees" (BAnz a.a.O.). Die Beteiligten zu 1 und 2 stammen aus Syrien. Sie waren beide in der Vergangenheit in der Lage, Reisedokumente vorzulegen, deren Daten sie jetzt für sich in Anspruch nahmen. Der Beteiligte zu 1 war bei seiner Ausreise am ... 1996 im Besitz eines syrischen Reisedokuments für Palästinenser (vgl. Ausländerakte des Beteiligten zu 1 Bl. 118). Die Beteiligte zu 2 hat selbst ein Document de Voyage por les Réfugiés Palestiniens vom 20. September 1999 zur Akte gereicht. [...]