VG Berlin

Merkliste
Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 07.09.2023 - 19 L 277/23 A - asyl.net: M31875
https://www.asyl.net/rsdb/m31875
Leitsatz:

Kein Rechtsschutzbedürfnis mangels Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung:

In der Abschiebungsandrohung ist der Zielstaat der Abschiebung zu benennen. Es ist nicht ausreichend, wenn lediglich die Abschiebung "in den Herkunftsstaat" angedroht wird. Die Abschiebungsandrohung ist daher nicht vollziehbar, und es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Suspensiveffekt, Rechtsschutzinteresse, Zielstaatsbezeichnung, Abschiebungsandrohung, Vollziehbarkeit,
Normen: AufenthG § 59 Abs. 2, AsylG § 36 Abs. 3 S. 1
Auszüge:

[...]

6 Für einen gerichtlichen Eilantrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Verwaltung die Aussetzung der Vollziehung verfügt hat oder sonst feststeht, dass keine Vollstreckung droht (Schoch, in: Schoch/ Schneider, VwGO, Stand: 43. EL, August 2022, § 80 Rn. 498a). Das ist hier der Fall, da die Abschiebungsandrohung im angefochtenen Bescheid vom 31. Mai 2023, die gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG allein Gegenstand des Eilantrages ist, im Hinblick auf den Zielstaat der Abschiebung keine Einzelfallregelung im Sinne des § 35 VwVfG trifft und damit keinen vollstreckbaren Inhalt hat (vgl. dazu bereits VG Berlin, Beschluss vom 13. Oktober 2022 – VG 19 L 314/22 A).

7 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) hat dem Antragsteller in dem angefochtenen Bescheid für den Fall, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommt, lediglich die Abschiebung "in den Herkunftsstaat" angedroht, ohne einen konkreten Zielstaat zu bezeichnen. Dies genügt den Anforderungen an die ordnungsgemäße Zielstaatsbezeichnung im Sinne des § 59 Abs. 2 AufenthG nicht. Die Benennung des - noch ungeklärten - "Herkunftsstaates" als Zielstaat der Abschiebung hat keinen Regelungscharakter und stellt vielmehr einen nur vorläufigen, unverbindlichen Hinweis des Bundesamts dar, aus dem sich keine Rechtsfolgen ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2000 – BVerwG 9 C 42.99 – juris, Rn. 14). Dieser Hinweis soll einem ausreisepflichtigen Ausländer lediglich verdeutlichen, dass er ohne erneute Abschiebungsandrohung in einen später noch zu benennenden Staat abgeschoben werden kann. Vor einer Durchführung der Abschiebung muss dem Antragsteller aber der konkrete Zielstaat bekannt gegeben und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ermöglicht werden (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG; vgl. BVerwG, a.a.O.). Solange eine solche Konkretisierung des Zielstaats noch nicht erfolgt ist, kann eine Abschiebung nicht vorgenommen werden. Dementsprechend kann auch ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässigerweise erst dann gestellt werden, wenn dem ausreisepflichtigen Ausländer die Abschiebung im Hinblick auf ein konkretes Ziel angedroht worden ist [...].

8 Auch bezüglich seines Aufenthaltsstatus droht dem Antragsteller keine Verschlechterung seiner Rechtsposition. Nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG erlischt zwar die Aufenthaltsgestattung unter anderem dann, wenn eine nach dem Asylgesetz erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist, was bei Stellung eines rechtzeitigen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich mit der ablehnenden gerichtlichen Entscheidung der Fall ist (§ 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG). Da vorliegend die Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat aber lediglich einen unverbindlichen Hinweis ohne Regelungscharakter darstellt, fehlt es – wie dargelegt – an einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung und damit am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung für ein Erlöschen der Aufenthaltsgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG. [...]