Registrierung bei der Botschaft kann auch Antragstellung sein:
Die Registrierung bei der Deutschen Botschaft zum Familiennachzug kann bereits als Antragstellung gewertet werden, wenn durch die deutsche Botschaft der falsche Anschein erweckt wurde, dass ein formloser Visumantrag nicht möglich sei.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
1 Die Kläger begehren die Erteilung von Visa für den Familiennachzug zu ihrem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ehemann und Vater, Herrn .... [...]
8 Mit Bescheiden vom 27. Juli 2021 lehnte die Beklagte die Anträge der Kläger ab. Es könne nicht abschließend geklärt werden, ob eine wirksame Eheschließung für den deutschen Rechtsbereich vorliege, da die Geburtsurkunde des Herrn ... auf einem unrichtigen Geburtsdatum im Register beruhe. Der Kläger zu 3 sei außerdem bereits 18 Jahre alt. [...]
23 1. Der Kläger zu 3 ist im Rahmen des § 32 AufenthG als minderjährig anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist – abweichend vom allgemein für Klagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung – für die Altersgrenze in § 32 AufenthG auf den Zeitpunkt der Visumsantragstellung abzustellen […].
26 Dabei kann offen bleiben, ob der Registrierung der Erklärungswert eines - formlos möglichen - Visumsantrags zukommt und ob die Registrierung die für den Mindestgehalt eines Visumsantrags erforderlichen Informationen enthält [...]. Der Datensatz der Registrierung liegt der Beklagten nicht mehr vor, da die "erledigten" Eintragungen automatisch nach sechs Monaten gelöscht werden (vgl. Schriftsatz vom 29. Oktober 2023; vorgelegt hat die Beklagte lediglich die heute für eine Registrierung auszufüllende Maske).
27 Jedenfalls sind die Kläger auf der Grundlage des auch im öffentlichen Recht anwendbaren allgemeinen Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) so zu behandeln, als hätten sie ihren Visumantrag bei der Registrierung am 16. Juli 2019 gestellt [...].
28 Die Kläger haben sich mit der Registrierung mit ihrem Nachzugsbegehren [...] am 16. Juli 2019 an die zuständige Behörde gewandt. Dass sie nicht zusätzlich, vor dem Termin am 13. Januar 2021, einen formlosen Antrag gestellt haben, kann ihnen hier nicht angelastet werden. Denn die Beklagte hat im konkreten Fall durch ihre Angaben im Registrierungsverfahren gegenüber den Klägern den falschen Anschein erweckt, dass eine (weitere) formlose Antragstellung nicht möglich sei, die Kläger vielmehr die Wartezeit abwarten müssten, um ihre Antragsunterlagen im Termin einzureichen. Im Rahmen des Registrierungsverfahrens hat die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Dass die Kläger sich an das von der Beklagten ausdrücklich vorgegebene Verfahren gehalten haben, kann ihnen nicht zur Last gelegt werden.
29 Die Beklagte hat in ihrer E-Mail vom 16. Juli 2019 die Registrierung der Kläger für die Warteliste bestätigt ("You have successfully registered for the waiting list to obtain an appointment for submitting your application for family reunion visa.") und diese zugleich aufgefordert, von damit zusammenhängenden Anfragen unter allen Umständen abzusehen ("Therefore please refrain from related enquiries under any circumstances"). Mit dieser deutlichen Aufforderung, bis zur Terminvergabe unter keinen Umständen mehr mit ihr in Kontakt zu treten, hat die Beklagte den Klägern zu verstehen gegeben, dass sie nichts anderes tun könnten, als die Wartezeit abzuwarten. Damit hat die Beklagte den falschen Anschein erweckt, dass eine Antragstellung nicht formlos möglich sei, sondern die persönliche Abgabe der (vollständigen) Antragsunterlagen erfordere.
30 [...] Sollte es tatsächlich die Praxis der Beklagten sein, dass Anträge ohne die von ihr geforderten Unterlagen schon gar nicht angenommen werden, wäre diese Praxis im Hinblick auf die Möglichkeit der formlosen Antragstellung [...] rechtswidrig. Jedenfalls hat die Beklagte mit diesem Hinweis aktiv eine falsche Information erteilt und den Anschein verfolgt, dass eine formlose Antragstellung ohne vollständige Unterlagen und persönliche Vorsprache nicht möglich sei. Insoweit geht es hier nicht lediglich um das Fehlen von Informationen und die Verletzung von allgemeinen Beratungs- und Auskunftspflichten nach § 25 Abs. 2 VwVfG, die für die Tätigkeit der Vertretungen des Bundes im Ausland nicht gelten [...].