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OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 25.03.2024 - 6 Bs 119/23 - asyl.net: M32362
https://www.asyl.net/rsdb/m32362
Leitsatz:

Einreise von Drittstaatsangehörigen mit unbefristetem Aufenthalt in der Ukraine nach Rückkehr ins Herkunftsland:

"1. Nach § 2 Abs. 1 UkraineAufenthÜV sind Staatsangehörige anderer Staaten als der Ukraine, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben und bis zum jeweiligen Stichtag in das Bundesgebiet eingereist sind, ohne den für einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen, grundsätzlich auch dann für einen Zeitraum von 90 Tagen ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit, wenn sie zuvor in ihren Heimatstaat oder ihr Herkunftsland zurückgekehrt sind und nunmehr aus anderen Gründen als die sichere Rückkehr nach Deutschland einreisen wollen.

2. Soweit das Bundesministerium des Innern und für Heimat in seinem Hinweisschreiben vom 5. September 2022 zu Art. 2 Abs. 2 Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 eine prima-facie-Vermutung aufstellt, dass Personen, die sich mit einem nach ukrainischem Recht erteilten gültigen unbefristeten Aufenthaltstitel rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben, nicht in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückzukehren, formuliert es eine widerlegliche Beweislastregelung im Sinne eines Anscheinsbeweises. Die Vermutung ist regelmäßig widerlegt, wenn der Ausländer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet vorübergehend in sein Heimatland zurückgekehrt ist."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Ukraine, Drittstaatsangehörige, Anscheinsbeweis, Vermutung, unbefristete Aufenthaltserlaubnis,
Normen: AufenthG § 24
Auszüge:

[...]

aa) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022. [...]

Der Kläger hat sich im Sinne dieser Vorschrift vor dem 24. Februar 2022 mit einem nach ukrainischen Recht erteilten unbefristeten Aufenthaltstitel in der Ukraine aufgehalten. Die weitere Voraussetzung, die Unmöglichkeit einer sicheren und dauerhaften Rückkehr in den Iran, erfüllt der Antragsteller aber nicht. [...]

Die danach hier eröffnete Prüfung ergibt bei der gebotenen summarischen Prüfung, dass dem Antragsteller eine sichere und dauerhafte Rückkehr in den Iran möglich ist. Es bestehen auch für das Beschwerdegericht keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Sicherheit des Antragstellers im Iran aufgrund bewaffneter Konflikte oder dauernder Gewalt gefährdet wäre. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass ihm eine Verfolgung oder eine andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Das folgt auch für das Beschwerdegericht nicht allein aus der vorübergehenden Rückkehr als solche, sondern vor allem den von dem Antragsteller und seinen Eltern hierzu gemachten Angaben. Der Antragsteller hat u.a. mitgeteilt, dass seine Familie im Iran geblieben wäre, wäre er nicht vom Militärdienst befreit worden. Als Grund, nicht in den Iran zurückkehren zu können, gab er am Ende seiner Anhörung lediglich den drohenden Militärdienst an und verneinte ausdrücklich das Vorliegen weiterer Gründe. Das entspricht im Wesentlichen den Angaben seiner Eltern. Insbesondere seine Mutter gab darüber hinaus an, dass keine politischen Probleme im Iran bestünden. Die bloße Einziehung zum Militärdienst stellt für sich genommen aber keine Bedrohung in dem dargestellten Sinne dar. [...]

Auch der Verweis des Antragstellers auf die Unruhen und Proteste im Iran infolge des Todes von Mahsa Amini am 16. September 2022 rechtfertigt keine andere Bewertung. Es wird von dem Antragsteller weder dargelegt noch bestehen für das Beschwerdegericht sonst belastbare Anhaltspunkte, dass sich die allgemeine Lage im Iran derart verschlechtert haben könnte, dass der Antragsteller schon deshalb nicht mehr sicher und dauerhaft in sein Heimatland zurückkehren könnte. Da der Antragsteller auch nach seinen eigenen Angaben bisher weder als Oppositioneller noch als Teilnehmer an Protestveranstaltungen in Erscheinung getreten ist, steht er insbesondere nicht als innerstaatlicher politischer Gegner in dem Fokus der Sicherheitskräfte. [...]